Der serbische Fotograf Dragoljub Zamurovic, eine der Koryphäen des exklusiven Clubs der europäischen Spitzenfotografen, stellt im Donauschwäbischen Zentralmuseum (DZM) in Ulm 60 Fotos von „Donauschwaben“ aus. Es handelt sich um Deutsche, „Schwaben“, die heute in Ungarn, Kroatien, Serbien und im rumänischen Banat „Unter Anderen“ (so der treffend ausgewählte Titel der Ausstellung) leben, indem sie eigentlich die „Anderen“, die (mehr oder weniger integrierten und angepassten) Minderheitler sind. Die Ausstellung trägt den Untertitel „Donauschwaben im südöstlichen Europa heute“ und wird von einem grafisch und inhaltlich exzellent gestalteten deutsch-englischen Katalog begleitet (Frage am Rande: Wäre es nicht zweckdienlicher gewesen, den Katalog, neben Deutsch, in den Sprachen der vier Länder zu drucken, in denen die Fotos entstanden sind? Zumal die Absicht besteht, dass die Ausstellung in den kommenden Jahren auch in Ungarn, Serbien, Kroatien und Rumänien gezeigt wird, wo das Donauschwäbische Zentralmuseum Partnermuseen hat.)
Hartmut Koschyk, der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, bemerkt im Vorwort zum sorgfältig recherchierten, 180-seitigen Ausstellungskatalog: „Die Bundesregierung hat in der am 24. Februar 2016 vom Bundeskabinett beschlossenen Weiterentwicklung der Konzeption zur Erforschung, Bewahrung, Präsentation und Vermittlung der Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa nach § 96 Bundesvertriebenengesetz ‘Deutsche Kultur und Geschichte im östlichen Europa: Erinnerungen bewahren – Brücken bauen – Zukunft gestalten’ deutlich gemacht, dass auch die Arbeit für und mit den heute in den historischen Siedlungsgebieten lebenden Deutschen gestärkt werden soll.“ Die Ausstellung im DZM und ihr auch als einschlägiges Buch geltender Katalog stehen bereits für diese Richtung. Dabei machen auch die Fotografien von Zamurovic deutlich: Es geht in erster Linie nicht um eine „Musealisierung“, sondern um das Lebendige einer in dreihundert Jahren herauskristallisierten Kultur, die durch die Ereignisse des 20. Jahrhunderts, aber auch durch die rasante Entsiedlung nach der Wende, fast gänzlich untergegangen ist. Und es geht auch darum zu zeigen, dass diese Kultur noch lange nicht zu Ende ist, dass sie aber anders – und oft mit der Unterstützung der „Anderen“, der Mehrheitler – weiter gepflegt werden kann. Dafür stehen auch ein guter Teil der ausgewählten je 15 Porträtierten pro Siedlungsgebiet: Es sind junge Leute darunter, die etwas tun, die unternehmerisch aktiv sind, dabei ihre Herkunft keineswegs leugnen, sondern die Chancen, die diese Herkunft ihnen bietet, produktiv werden lassen. Durchaus mit Erfolg.
Auf dem Titelbild des Katalogs ist ein Foto von der Kirchweih in Detta 2015 zu sehen, von Dragoljub Zamurovic vom Kirchturm aus fotografiert. Und das Banat (wo sich keiner „Donauschwabe“, wohl aber gern „Banater Schwabe“ nennt), das die Ausstellung eröffnet, ist durch eine Luftaufnahme von Charlottenburg, dem Runddorf des Banats, illustriert. Zamurovic ist vor allem als begnadeter Landschaftsfotograf bekannt geworden, der die Vorteile neuer Technik voll zu nutzen versteht (Flugdrohnen, beispielsweise). Rund herum im ersten Raum stehen die 15 Porträts von Banater Schwaben mit jeweils kurzen Bildbeschriftungen, unter ihnen der DFDR-Abgeordnete Ovidiu Gan], der Lippaer Unternehmer Edwin Zaban, der Charlottenburger Rentner Peter Trimper, der letzte Deutsche im Ort, oder der Radnaer Domherr Andreas Reinholz. Jedes ganzseitige Porträt wird von einem knappen Text begleitet, der eine Art subjektives Zeugnis darstellt: Wie und was denkt der Mensch im Bild über sich und seine Mitmenschen, wie sieht er die Welt und seine Mitbürger, welche Chancen rechnet er für sich und seine Landsmänner in Zukunft aus. Wer da Objektivität und Angemessenheit sucht, ist auf dem Holzweg. Er kann so etwas bestenfalls für sich selber im Verbinden der Meinungsvielfalt finden, wenn er sich Zeit und Muse schafft, die Texte zu jeder Region aufmerksam zu lesen.
Zamurovics Fotos versuchen, dieses Meinungsmosaik zu untermauern und durch die Bildkomposition zu nuancieren: Er stellt Menschen im (nicht selten mehr oder weniger gestellten) Alltag dar, in einer als (arche-?)typisch geltenden Umgebung, selbst auf die Gefahr hin, manchmal hart am Klischee vorbeizuschlittern. Auf alle Fälle darf die Ausstellung, die hoffentlich 2017 oder 2018 auch in Temeswar gezeigt wird, als ein gelungenes und sich ergänzendes Miteinander von Wort und Bild angesehen werden, ohne dass sie plakativ eine Schlussfolgerung aufzudrängen versucht.
Diese wird dem Betrachter überlassen.