Nach Jahrzehnten besucht Ferdinand seine Heimatstadt Werschetz im Westbanat, die er als 17-jähriger verlassen hat, um in den Krieg zu ziehen. Seine Kinder begleiten ihn auf dieser Reise in die Vergangenheit, die auch in die Weinberge von Werschetz führt. Von der einst deutsch geprägten Stadt ist nicht mehr viel übrig. Die Bürgersteige sind kaputt, Tante Lukrezias Haus steht nicht mehr. Von Oma Georgias Haus gleicht nur noch das Kapitell jenem auf dem alten Foto, das die vier Besucher aus Deutschland mitgebracht haben. Lenaus Büste ist vom Sockel verschwunden: „In Werschetz wird kein deutscher Kopf mehr verehrt“. Nur die blauen Trauben schmecken wahrscheinlich noch so gut wie vor dem Krieg. Großvater Jankovics Grab finden die Besucher auf dem serbischen Friedhof, Oma Aloisias letzte Ruhestätte auf dem angrenzenden katholischen Gottesacker jedoch nicht.
Oma Aloisia gehört zu den etwa 50 Deutschen, die nach dem Krieg in Werschetz (serbisch Vršac) bleiben durften, weil sie mit Jankovic, einem Serben, in zweiter Ehe verheiratet war. Ihre Familie hat sie aber verloren, der Krieg und Tito haben ihr die beiden Enkel und den Sohn genommen. Ferdinand und Poldi sind in Deutschland geblieben und Ärzte geworden. Leopold Wagner, Aloisias Sohn, soll 1954 beim illegalen Grenzübertritt verhaftet und zum Tod verurteilt worden sein. Nach Jahren geht auch ihr Enkel Lazlo in die Fremde. Lazlo, den ihr Sohn Leopold mit der Magd Anuschka gezeugt hat.
Vor dem Krieg sei es unvorstellbar gewesen, dass in Werschetz ein Deutscher auf einen Jugoslawen geschossen hätte, und umgekehrt ebenfalls, erzählt Oma Aloisia. Mit dem Krieg ist alles eskaliert. Für einen umgebrachten deutschen Soldaten wurden 30 Jugoslawen erschossen oder erhängt, Zivilisten, die nichts von Partisanen wissen wollten. Mit gleicher Münze haben Titos Partisanen es den Banater Deutschen am Kriegsende heimgezahlt. Sie erschossen die alten Männer und die Jünglinge auf der Schinderwiese, Kinder und Frauen kamen in Lager, ein Teil nach Russland.
Der Vermieter der Wohnung, in der die Heimatbesucher untergekommen sind, ermuntert Ferdinand und seine Kinder, ihr ehemaliges Eigentum vom serbischen Staat zurückzufordern. Sie zaudern, doch schließlich stellen sie den Antrag. Am Ende erhält die Familie einen Teil ihrer Weinberge zurück.
Lange Jahre kann Aloisia nicht ins Ausland reisen. Doch dann ist es eines Tages soweit: Sie besucht ihre Enkel in Deutschland, sieht ihre Urenkel, kehrt nach Werschetz zurück, um ein paar Wochen danach zu sterben.
In einem Art Nachwort zur Entstehung des Buches schreibt die in Sindelfingen geborene Autorin, die mit ihrer Familie in Argentinien lebt, dass nur sehr wenige die Geschichte der Donauschwaben kennen. „Die Leidensgeschichte des jüdischen Volks ist in vielen Büchern und Filmen bearbeitet und verarbeitet worden.“ Und Nicola Schorm fragt: „Doch gibt es genügend Werke über die Not und über das Leiden der vielen Vertriebenen? Derer, die überlebt haben, und der Unzähligen, die gefoltert, misshandelt, erfroren, verhungert, erschlagen, erschossen, nie wieder ihre Familie sahen, namenlos verscharrt, ohne Gedenkstein, ohne Gesicht, ohne Gerechtigkeit, ohne Würde, ohne dass wenigstens das Bewusstsein ihres Leidens in den Köpfen der Menschen etwas veränderte?“
Nicola Schorm beschreibt einfühlsam das Schicksal einer Familie. Dieses Schicksal steht stellvertretend für jenes vieler Deutscher nach dem Krieg. Die Autorin legt mit „Alte Heimat. Fremdes Land“ ein kurzweiliges, lesenswertes Buch vor. Eines fehlt ihm aber: eine Handvoll Beistriche.