Eine Darstellung des Verbands der bildenden Künstler in Rumänien bot Erwin Kessler bei der Vorstellung seines Buches „X:20 O radiografie a artei româneşti după 1989“ (X:20 Eine Radiografie der rumänischen Kunst nach 1989) am Wochenende in Temeswar. Bei der Veranstaltung, die im Rahmen der ersten Biennale für Gegenwartskunst in Temeswar „Art Encounters“ stattfand, hat Erwin Kessler zwei Bücher vorgestellt: sein eigenes, das eigentlich schon 2013 im Bukarester Vellant Verlag erschienen, aber in Temeswar noch nicht präsentiert worden war, und den dritten Ecaterina Vrana-Katalog, den Kessler herausgegeben hat: „Coasa era pui“ (Die Sense war ein Küken), ein Buch, das erst vor wenigen Monaten gedruckt wurde.
Besucht wurde die Buchvorstellung vorwiegend von einem Studentenpublikum und eigentlich richtet sich Erwin Kessler mit seiner Radiografie der rumänischen Gegenwartskunst vorwiegend an diese.
Wie Kessler einräumte, ging es ihm nicht um eine Aufzählung der Künstlernamen und wichtigsten Kunstwerke im gegenwärtigen Rumänien, sondern vielmehr um die Vermittlung des Verständnisses der Wurzeln der Gegenwartskunst und der Richtungen, in die sie sich nach 1989 aufgefächert hat. „Die Events, Figuren, Karrieren, Ausstellungen und Tätigkeiten, die in diesem Band vorgestellt werden, stellen kein erschöpfendes Bild unserer Künstlerszene dar, sondern den Plan für die Attacke auf einer Front, die in ständiger Bewegung ist“, erklärt Erwin Kessler.
Dem jungen Publikum lieferte er dabei einen Vortrag über die Rolle und die Stärke des Verbands der bildenden Künstler in Rumänien (UAP) vor 1989, eine Rolle, die u. a. durch den Verlust der Staatsfonds für die Künstler als Gilde und als Personen zu einem riesigen Umbruch führte. Der Kollaps des „UAP-Systems, das Werkstätten, Materialien, Kataloge, Renten, Gelddarlehen und anderes bedeutete, eine durchaus profitable Institution, der auch eine Farbenfabrik unterordnet war“, so Erwin Kessler, führte zu neuen Tendenzen. Die Künstler suchten neue Wege, sowohl in der Kunst als auch in der Finanzierung der Kunst.
Zum einen ist es das neo-orthodoxe System, das schon Anfang der 1990er als eine Gegenreaktion auf die Kunst in der kommunistischen Epoche, aber auch als Antwort auf die wichtigsten inländischen Probleme des postkommunistischen Rumäniens, entstanden ist, so Kessler, zum anderen ein NGO-System, in dem nun nichtstaatliche Organisationen als Mäzene wirken, wobei der Soros-Stiftung mit dem inzwischen geschlossenen Soros-Zentrum für Gegenwartskunst als erste dieser Art in Rumänien eine besondere Rolle zukommt. Ende der 1990er Jahre kommt mit der Künstlergruppe „Rostopasca“, die ein 24-stündiges Non-Stop-Painting-Happening vorgeschlagen hat, noch eine andere Reaktion hinzu. Schließlich ist die Malschule in Klausenburg/Cluj zu erwähnen, die wahrscheinlich die erfolgreichste im heutigen Rumänien ist. „Das Buch bleibt mit der Information um das Jahr 2012 stehen, eine Neuauflage wäre erforderlich“, so der Autor.
Anschließend hat Erwin Kessler den bisher umfassendsten Ecaterina-Vrana-Katalog vorgestellt, den er herausgegeben hat: „Coasa era pui“, ein Buch, das gleichermaßen durch das Visuelle – die Reproduktionen von Werken einer der erfolgreichsten femininen Gestalten der rumänischen Künstlerszene nach 1989 – und den Text anspricht.