„Spiel mit Stimmen“ war das Motto eines Festivals der anderen Art, das unter dem Namen „Ţintea Muzicală“ in Ţintea (Băicoi), Ploieşti und Bukarest vom 18. bis 21. Juli 2013 bereits zum fünften Mal stattgefunden hat. Keimzelle für kreative Explosionen war auch diesmal wieder die „Casa Teodorescu“, das Domizil der Familien Dumitrescu und Probst in Ţintea, etwa 80 km nördlich von Bukarest, deren „maîtres“, die Komponistinnen Adina Dumitrescu und Dana Cristina Probst, die künstlerische und organisatorische Leitung innehaben.
Hervorragende Interpreten waren aus Rumänien aber auch aus anderen Ländern Europas angereist: das Vokalsextett „Bucureşti“ unter der Leitung von Emanuel Pecingină, die Sopranistinnen Cristina Radu und Irina Ungureanu, die Mezzosopranistin Carolina Iulia Astanei, die Harfenistin Roxana Moişanu (keltische Harfe), die Cellisten Mladen Spasinovici und Maria Magdalena Probst, der Pianist Otto Probst. Diese interpretierten einerseits Vokalmusik aus dem „Codex Montpellier“ des 13. Jahrhunderts, andererseits „Repliken auf die mittelalterliche Polyphonie“, die man an Komponisten aus vier Ländern in Auftrag gegeben hatte. Diese Gegenüberstellung von musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten so unterschiedlicher kultureller und gesellschaftlicher Epochen, die ein Zeitraum von 800 Jahren von einander trennt, bilden – neben der häuslichen Keimzelle – den zweiten Schwerpunkt des Festivals.
Diese Konstellation „der anderen Art“ geht voll auf: Präsentationen und Konzerte in der römisch-katholischen Kirche in Ploieşti, am ausgebauten Dachboden der Casa Teodorescu in Ţintea und im Irina-Nicolau Saal des Bukarester Bauernmuseum locken jede Menge Publikum an, das mit Interesse und Dankbarkeit das Ungewohnte annimmt, was – in einer Zeit voll belangloser Unterhaltung – sicherlich eine Herausforderung bedeutet. Keinen geringen Anteil am Gelingen hatte dabei die Qualität der in Auftrag gegebenen Kompositionen, die in diesen vier Tagen ihre Uraufführung erlebten: Dan Dediu „O Magnum Mysterium“, Adina Dumitrescu „Jolietement“, Dana Cristina Probst „Lis ne glay“, Dieter Kaufmann „Organisch – anorganisch“, Jean-Pascal Chaigne „De sa disparition“, Sebastian Dumitrescu „Puisque bele dame m’eime“ für Sopran und „Menestrel“, ein hochemotionales Werk von Nicolae Brânduş. Als Schlusspunkt gab es dann eine weitere Art der Öffnung, eine, die über das Medium Musik hinausführte: Dieter Kaufmanns „KLANG.RAUM.FRAU – symphonie pour une femme seule“ mit Texten von Elfriede Jelinek (Gunda König), Video (Ulrich Kaufmann) und Tanz (Gerda Schorsch/Sapia Nedwed), eine intermediale Performance im dafür bestens geeigneten Projektionssaal des Museums, wo Bild, Bewegung und Musik eindrucksvoll miteinander harmonieren konnten.
Aber zurück zur kreative Atmosphäre in der, inmitten des Obstgartens liegenden „Casa Teodorescu“, die immer wieder an Tschechows „Kirschgarten“ denken lässt. Umgeben von den Klängen der am Dachboden des Hauses probenden Musiker, entstehen nicht nur Gespräche über Neue Musik, Workshops im ursprünglichen Sinn, sondern auch neue Ideen für die Zukunft musikalischer Kommunikation.
Trotz zahlreicher im Programmheft angegebener Sponsoren, zu denen dankenswerter Weise auch das Österreichische Kulturforum in Bukarest zählt, soll so ein – aus Privatinitiative entstandenes – Festival nicht darüber hinwegtäuschen, wie schwer es geworden ist, finanzielle Mittel für die Aufführung anspruchsvoller Musik zu gerieren. „Ţintea Muzicală“ möge ein Impuls sein, damit die Einsicht wächst, dass die kreative Auseinandersetzung mit Gegenwart und Vergangenheit kein Luxus, sondern Lebensmittel, geistige Nahrung und deshalb Notwendigkeit bleiben muss.