Theater als Job – weiterhin auch für junge Leute attraktiv

Interview mit Mira Țâra, der neuen Dramaturgin am DSTT

Die Lenau-Absolventin Mira Țâra ist seit vergangenem Herbst die neue Dramaturgin am DSTT.

Die Jugendwelle-Mitarbeiterinnen Raisa-Sophia Vieru (links) und Daria Olărescu (rechts) haben sich mit der jungen Dramaturgin im Foyer des DSTT (im Bild) zusammengesetzt. Fotos: Philip Klein

Mira Țâra hat im Oktober des vergangenen Jahres am Deutschen Staatstheater Temeswar/Timi{oara (DSTT) als Dramaturgin angefangen. Die 23-Jährige ist  Lenau-Absolventin und hat im Anschluss in Tübingen studiert und gelebt. Der Beruf als Dramaturgin ist ihr erster überhaupt. Was eigentlich dieser Job vorsieht, welche Herausforderungen sie bisher erlebt hat und womit sie sich derzeit am DSTT beschäftigt, darüber hat sich die junge Dramaturgin mit den Lenau-Schülerinnen Raisa-Sophia Vieru und Daria Olărescu unterhalten. Die beiden 16-Jährigen machen beim „Jugendwelle“-Programm mit. Das Interview mit der neuen DSTT-Dramaturgin war in der Rubrik „Jugendwelle“ bei „Radio Temeswar - Ihre Sendung in deutscher Sprache“, am Freitag, den 24. Januar, zu hören. 
 

Was ist deine früheste Erinnerung an die Welt des Theaters?
Meine ersten Erfahrungen sind aus meiner Kindheit, als mein Großvater mit mir oft zum Puppentheater gegangen ist. Das war eine ganz andere Welt. Die klassischen Märchen zu verfolgen - das war immer lustig und total faszinierend für mich als Kind. 

Du kanntest das Deutsche Staatstheater zuerst als Zuschauerin. Wie hast du nun die Theaterwelt durch die Arbeit am Theater neu kennengelernt?
Ich kannte das DSTT als Zuschauerin und ich war auch ein paar Mal auf der Bühne, als Mitglied der NiL-Theatergruppe, aber ich hatte noch nie wirklich gesehen, wie  eine Produktion so  von Anfang bis zur Vorstellung abläuft. Was da alles  hinter den Kulissen passiert. Jetzt bin ich einfach fasziniert, wie man das alles auf die Bühne bringt. Mit Texten kenne ich mich relativ gut aus, aber wie man sie auf der Bühne verwirklicht, das hat mich komplett verblüfft.

Du warst Lenau-Schülerin. Wie bist du denn zur Dramaturgin geworden?
Ich habe meinen Schulabschluss an der „Nikolaus Lenau“-Schule gemacht. Dann bin ich nach Deutschland gezogen und habe in Tübingen studiert. Erstmal machte ich einen Bachelor in den Fächern Deutsch und Englisch und dann ein Masterstudium im Fach Internationale Literatur. Die Entscheidung, Dramaturgin zu werden, kam eigentlich ganz spontan. Ich habe mir das nicht sehr lange überlegt. Ich hatte schon vor, nach meinem Studium zurück nach Rumänien zu ziehen, doch als ich die Stellenausschreibung des DSTT gesehen habe, dachte ich mir, ja, das ist etwas, was ich eigentlich gerne machen würde. 

Was ein Schauspieler im Theater macht, davon haben viele ein klares Bild. Bei Regisseuren können sich das auch viele vorstellen. Aber was macht eigentlich eine Dramaturgin?
Das ist eine Frage, die ich sehr oft bekomme und es ist auch ein bisschen schwierig, das zu erklären, weil das tatsächlich nicht so bekannt ist . Ich mache vor allem Textarbeit – es ist Dramaturgie und Produktionsdramaturgie. Ich betreue auch die Produktionen. Ich bin auch bei der Textwahl einigermaßen beteiligt, also welche Stücke dann tatsächlich inszeniert werden. Ich lese sie mir durch, ich mache die Dokumentation, wer das geschrieben hat, in welchem Kontext usw. Ich muss alle Eckdaten über das Stück wissen und dann die Produktion einfach betreuen. Wenn etwas aus dem Text weggestrichen werden soll, dann muss ich mir überlegen, okay, macht das Sinn? Hat der Text noch einen Zusammenhang, wenn wir das so machen? Genau das ist es im Grunde, meine Aufgabe.

Was heißt eigentlich Betreuung einer Produktion? 
Betreuung bedeutet, dass ich sozusagen immer da bin, wenn man mich braucht. Ich bin dabei und sehe, wie sich die Inszenierung entwickelt und versuche dabei, auf der textlichen Seite zu unterstützen. 

Also du arbeitest eng in Verbindung mit dem Regisseur? 
Genau, mit dem Regisseur oder der Regisseurin, auch mit den Schauspielern, falls es Diskussionen, Textunklarheiten oder Interpretationsfragen gibt. Dazu sage ich auch manchmal meine Meinung. Wenn etwas schwierig ist, dann arbeiten wir zusammen und finden immer einen Ausweg und denken darüber nach, wie es dann am besten he-rübergebracht wird. Die Lösungen, die man findet, sind immer sehr kreativ und überraschen mich immer wieder. 

Wie kann man heutzutage klassische Stücke im Theater anpassen, damit sie weiterhin spannend bleiben? 
Das ist eine sehr gute Frage. Es gibt da sehr viele unterschiedliche Meinungen dazu. Ich kann aber aus meiner Erfahrung als Dramaturgin berichten. Wir haben im Dezember letzten Jahres „Eine Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens inszeniert und das war auch eine Debatte, wie wir das machen sollen. Ich finde, das hat nun sehr gut geklappt. Wir haben Komisches hinzugefügt oder die Sachen einfach aus einer komischen Perspektive präsentiert. Da spielen Bühnenbild, Requisite und Kostüme auch eine Rolle. Bei den Geistern aus dem Stück, z.B., war es so, sie hatten ja Lichter in den Kostümen und das war sicher vor 200 Jahren nicht so. Ich glaube, es hängt auch vom individuellen Stück ab, ob das Stück für eine modernisierte Inszenierung geeignet ist oder nicht.

Du hast gerade die „Weihnachtsgeschichte“ angesprochen. Was waren deine Aufgaben bei der Inszenierung? Gab es dabei besondere Herausforderungen?
Es war tatsächlich eine Herausforderung am Anfang, weil die „Weihnachtsgeschichte“ ein Prosa-Text ist und wir mehrere Inszenierungen zur Verfügung hatten. So mussten wir uns für eine Fassung entscheiden und mussten auch mitbedenken, dass es eine Kindervorstellung sein soll, d.h., dass der Text nicht so schwierig ist bzw. dass die Vorstellung womöglich nicht so lang wird. Schwierig war es auch, den Originaltext aus der englischen Sprache ins Deutsche zu übertragen, denn zwischen Übersetzung und Bühnentext, Orginalversion und der Version, die wir hatten, gab es nicht immer Entsprechungen. Das haben wir immer wieder miteinander besprochen: Wie machen wir das jetzt? Was ist jetzt der Sinn dieses Satzes oder der Sinn dieser Szene? Auch der Blick auf die Figuren war dann davon abhängig: Sehen wir das jetzt wie im Original an oder wie in unserer Bühnenfassung? All diese Diskussionen fand ich aber im ganzen Prozess wichtig und sehr spannend, weil wir dann immer in Kontakt waren und immer darüber reden mussten, was wir wirklich rüberbringen wollen.

In einer Welt der Streaminganbieter mit Serien und Filmen, die rund um die Uhr abrufbar sind, wie glaubst du, können Geschichten im Theater weiterhin spannend für Zuschauer sein? 
Ich würde sagen, ich finde das Theater als Medium komplett anders als jetzt Netflix oder einfaches Fernsehen, weil man wirklich im Moment da ist. Alles geschieht vor deinen Augen und du hast alles da von dem, was du siehst, was du hörst, was du teilweise riechst usw. Das ist eine ganz andere Erfahrung. Eine Vorstellung ist immer anders, auch wenn das Stück dasselbe ist. Im Theater ist jede Vorstellung einfach einzigartig. Es ist viel spannender als irgendwie im Film oder so, wo man mehrmals filmen kann, wenn irgendwas falsch läuft. Im Theater bin ich immer als Zuschauerin sehr gespannt, was jetzt kommt. Manchmal passieren Sachen auf der Bühne, wo man sich fragt: Okay, musste das jetzt passieren oder nicht? Und genau, wenn man die Vorstellungen schon kennt, dann weiß man, wenn irgendwas einfach passiert ist. Und es ist immer wieder spannend zu sehen, wie damit umgegangen wird. Aber es ist einfach auch eine ganz andere Art von Kollektiverfahrung, wenn das ganze Publikum da im Saal ist. 

Worauf freust du dich besonders bei den kommenden Inszenierungen?
Wir haben frisch mit der Inszenierung „Präsidentinnen“ von Werner Schwab angefangen. Es ist ein sehr tiefgründiger, interessanter Text und ich freue mich sehr drauf, diese Produktion zu betreuen. Vor allem sprachlich ist es nun eine Herausforderung, denn Werner Schwab war Österreicher und wir müssen uns einerseits damit beschäftigen. Andererseits ist der Text an sich eine Herausforderung, wie gesagt, sehr tiefgründig. Ich war teilweise auch bei der Übersetzung beteiligt, denn wir haben bei den Vorstellungen ja diese Übertitel. Gemeinsam mit der Regisseurin Iris Kovac haben wir uns unterschiedliche Übersetzungsvarianten angeschaut. Das ist ein weiterer sehr wichtiger Aspekt, weil sich auf Rumänisch alles komplett anders anhört als auf Deutsch. Diese Sprachunterschiede waren für mich teilweise sehr witzig. 

Vielen Dank für das Gespräch!

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Raisa-Sophia Vieru macht bei der Jugendwelle seit Herbst 2024 mit. Mit 16 Jahren geht sie in die 10. Klasse an der „Nikolaus Lenau“-Schule in Temeswar. Raisa ist besonders interessiert an Kultur und Medien und macht gerne Interviews und Umfragen, wobei sie immer bereit ist, Geschichten und Erfahrungen anderer Leute zu entdecken.
Daria Olărescu ist 16 Jahre alt und macht bei der Jugendwelle seit Oktober 2024 mit. Sie geht in die 10. Klasse an der „Nikolaus Lenau“-Schule in Temeswar. Besonders gerne recherchiert sie zum Thema Kultur. Daria interessiert sich für Literatur, Sport, Kunst, Filmproduktion, Fotografie und Wissenschaft und möchte bald auch mal einen Experten aus einem dieser Bereiche interviewen.
 

„Die Jugendwelle“ ist ein journalistisches Jugendprojekt, bei dem junge Leute zwischen 15 und 25 Jahren eine halbstündige Radiosendung gestalten, die zweimal im Monat im Rahmen von „Radio Temeswar - Ihre Sendung in deutscher Sprache“ zwischen 13 und 14 Uhr  ausgestrahlt wird. „Die Jugendwelle“ widmet sich Themen aus Kultur, Politik und Freizeit – und begleitet Jugendliche durch das Schuljahr – in Temeswar, aber auch auch landesweit. Die Jugendwelle-Redaktion wird betreut durch den ifa-Kulturmanager Philip Klein und wird unterstützt vom ifa – Institut für Auslandsbeziehungen, gefördert mit Mitteln des Auswärtigen Amts. Die Jugendredaktion freut sich immer über neue Mitmacher und Themenvorschläge. Die Jugendsendung ist ein Projekt des Medienvereins FunkForum, der auch Fortbildungen für Radio-interessierte Jugendliche anbietet. Bei Instagram unter @jugendwelle finden sich weitere Informationen, auch zu den neusten Ausgaben der Jugendwelle. Die Redaktion lässt sich erreichen unter jugendwelletemeswar@gmail.com oder klein@ifa.de.