Bei dem noch nicht seit Langem ausgeklungenen „Europäischen Theaterfestival Temeswar / Festival der rumänischen Dramenkunst“ FEST-FDR ist es viel um die Problematik der Jugendlichen gegangen: „Die grüne Katze“ und „Papierflugzeuge“ , Texte von Elise Wilk, Regie Bobi Pricop beziehungsweise Ion Ardeal Ieremia, sind ebenso Beispiele wie „Say it now!“ von Mihaela Michailov und Marcelino Martin Valiente, der auch Regie führte, oder „Antisozial“ in der Regie von Bogdan Georgescu.
Bei jeder Vorstellung waren im Saal auch Teenager anwesend, was ganz der Absicht der Regisseure entsprach. Auch wenn die Themen aus der Welt der Jugendlichen entnommen sind und in vielen Fällen auch auf ganz konkrete Ereignisse aus deren Alltag zurückgreifen, waren die Aufführungen in gleichem Maße erlebnisreich und vor allem auch lehrreich für Eltern, Großeltern und Erzieher. Um eine ihnen manchmal verschlossene Welt der Jugendlichen zu eröffnen und Signale zu erhalten, manchmal Alarmsignale.
Vor allem das eine: Wenn die Welt der Erwachsenen sich taub stellt oder nicht kommunizieren lernt, dann kann alles nur schief laufen. Das ist seit Generationen so und kommt vielleicht in einer besonders aggressiven gegenwärtigen Welt der Jugendlichen noch mehr zum Vorschein. Mit „Say it now!“ hat das Nationaltheater Temeswar in Zusammenarbeit mit der norwegischen Theaterkompanie „B. Valiente“ aufgrund von wahren Begebenheiten mit Schülern eine Produktion geschaffen, die aufrüttelnd ist.
Sami ist der Liebling seiner Eltern, kommt in die beste Schule der Stadt, doch da will Sami plötzlich nicht mehr sprechen. Er erwähnt wie beiläufig eine Mauer. Dass er faselt, das ist seinem Lehrer wie auch den Eltern klar, aber eigentlich geht es um ein Spiel, um eine Gang und dass sich Sami unbeabsichtigt und unbedacht in etwas hineinziehen hat lassen: Brutalität, Aggressivität einem Kollegen gegenüber – das führte dann zu einem immer tieferen Sinken in Stille und Kommunikationslosigkeit. Die Freude fehlt ihm. Die Freude am Leben. Die Eltern sind verzweifelt, sie handeln, wie die meisten Eltern wohl handeln würden, die Mutter weint, der Vater droht. Sami kommt in eine Anstalt.
Und dann ist es der Fall des Mädchens mit der grünen Katze auf dem T-Shirt. Eigentlich war es anfangs eine weiße Katze, aber die Mutter hatte Biancas T-Shirt versehentlich mit den grünen Strümpfen der Schwester gewaschen, da hatte sich der Aufdruck gefärbt. Und jetzt starrt dieser Typ sie im Club an. Starrt die grüne Katze an und sie, die Sechzehnjährige, willigt ein, ihm zu folgen, mit seinem Wagen hinauszufahren, die Stadt von oben sich anzusehen. Dass es kein gutes Ende nehmen kann, das haben die Monologe der Jugendlichen schon angesagt: „Ich werde nie zwanzig!“.
Mit Elise Wilks Stück „Die grüne Katze“ ist das Theater „Luceafărul“ aus Jassy aufgetreten. Regisseur Bobi Pricop schlug dafür ein „silent disco“-Konzept vor, eine Kopfhörerparty, aber auf das Theater übertragen – und irgendwie zog das den Zuschauer und -hörer noch mehr in die Problematik der Jugendlichen auf der Club-Bühne hinein. Es folgten die „Papierflugzeuge“, ebenfalls von Elise Wilk, eine Produktion des hiesigen Theaterhauses in der Regie von Ion Ardeal Ieremia.
Nicht zuletzt: „Antisozial“, eine Aufführung, die auf einem wahren Fall beruht und deren Text von den Schauspielern geschrieben wurde. Eine Produktion des Radu-Stanca-Theaters Hermannstadt, das bereits im Herbst damit Rumänien bereist hat. Mit äußerst gegenwärtiger Thematik: Einige Jugendliche gründen eine Gruppe auf einem der sozialen Netzwerke, Lehrer mischen sich da ein. Wo bleibt die Privatsphäre? Ein aufrüttelnder Theaterherbst ist mit dem Doppelfestival FEST-FDR angekündigt worden.