Während einer Dienstreise mit der Bahn in die damalige DDR – Gera sollte das Reiseziel sein –, ist der gut Ungarisch sprechende Temeswarer Journalist Eduard Schneider vor fast genau 25 Jahren (Sonntag, der 23. April 1989, müsste es gewesen sein) in Budapest in den „falschen“ Zug Richtung München umgestiegen und dann hier absichtlich endgültig ausgestiegen. Es war ein schwerer, hart abgerungener Entschluss der Familie (Frau Hanne und zwei Schulkinder) und den Redaktionskollegen gegenüber (zwei Chefredakteure waren bereits von Auslandsreisen nicht zurückgekehrt). Denn Schneider war von der Wesensart keiner, der Abenteuer einging.
Er war sehr bedacht und besonnen, ruhig, ein sehr ausgewogener, ausgleichender, hilfsbereiter, fördernder und höflicher Mensch, im Beruf und privat. Ein Familienmensch. Und seiner Arbeit als Publizist eng verbunden. Sie war ihm ein Anliegen weit über Achtstunden-Tage, Wochenend-Dienst und unzählige Abendveranstaltungen (ohne Zuschlag oder Ausgleichszahlungen für Überstunden). Hinzu kam, dass Literatur für ihn immer auch Hobby war und blieb. Seine Diplomarbeit hat er über den damals noch relativ jungen und weniger bekannten Siebenbürger Dichter Oskar Pastior geschrieben, sein Zeitungsdebüt im August 1968 galt dem Gedichtband „Grenzstreifen“ Dieter Schlesaks.
Zur Biografie finden sich die ausführlichsten und zuverlässigsten Angaben in „Biographisches Lexikon des Banater Deutschtums“ von Dr. Anton Peter Petri aus dem Jahre 1992 (Spalte 1734). Der Schlossersohn Eduard Alexander Schneider wurde in Temeswar-Elisabethstadt geboren, besuchte hier die Volksschule, von 1958 die Lenau-Schule mit Abitur im Juni 1962, und anschließend die Universität seiner Heimatstadt. Das Studium der Germanistik und Rumänistik schloss er mit Diplom 1967 erfolgreich ab.
Schneider zählte als junger Redakteur (25) – anderthalb Jahre nach dem Abschluss des Studiums war er von der Semlaker deutschen Allgemeinschule im Kreis Arad ins Team gekommen – zu den Neu- und Umgestaltern der im Vergleich zur vorausgegangenen Parteizeitung „Wahrheit“ weitgehend tatsächlich anderen „Neuen Banater Zeitung“ um den neuen Chefredakteur (ab Herbst 1969) Nikolaus Berwanger. Von Anfang an war er in der Kulturredaktion der NBZ tätig, nach der legalen Ausreise des Abteilungsleiter dieses Ressorts (Willi Junesch, Siebenbürger, danach drei Jahrzehnte Chefredakteur einer auflagenstarken Tageszeitung in Deutschland) im Jahre 1977 wird Schneider gewissenhafter und geschätzter Leiter der Abteilung bis zu seinem Wegbleiben 1989. Ein Jahrzehnt lang gehörte der Ressortleiter dem Redaktionskollegium der Zeitung an.
Der Journalist und Literaturkritiker Eduard Schneider zählte 20 Jahre lang (Anfang September 1969 – Ende April 1989) als Kulturredakteur bzw. Leiter der Kulturabteilung zu den bedeutendsten und, um einen heutigen Begriff zu benutzen, nachhaltig und unbeirrt wirkenden Sachwaltern banatdeutschen Kulturerbes. Zahlreiche literaturhistorische und literaturkritische Beiträge wie auch Theaterchroniken und Übersetzungen stammen aus seiner Zeit als Journalist.
Diese Einschätzung gilt auch für sein gesamtes Wirken über zwei Jahrzehnte hindurch in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Verzeichnis seiner vielfältigen diesbezüglichen Arbeiten von bibliografischem und Forschungswert kann hier aus Raumgründen nicht geboten werden, auch weil es ein solches noch nicht gibt. Der Literaturkritiker und spätere langjährige Arbeitskollege und Freund beim Südostdeutschen Kulturwerk/ikgs, Dr. Peter Motzan, schrieb im Dezember 1982 im „Neuen Weg“ einführend und einschätzend zu dem einzigen Band eigener Texte von Schneider unter vielen anderen zutreffend: „Eduard Schneider (Jahrgang 1944), der rührige Kulturredakteur der ‘Neuen Banater Zeitung’ und nimmermüde Sachwalter banatschwäbischer Teilhaberschaft am Gesamtgut rumäniendeutschen Schrifttums…“.
Dieser Einschätzung stimmen dankbar und in Verbundenheit auch heute noch die meisten jüngeren Banater Autoren zu, die damals in Rumänien erfolgreich waren und es heute in der Bundesrepublik Deutschland sind. Schneider war einer der wichtigsten und uneigennützigen Förderer der damals jungen Autoren wie gleichermaßen der Vertreter der älteren Generation Schreibender, die noch lange nach dem Krieg mit andersartigen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten. Er war selbst Autor und Mitautor zahlreicher Studien, so Herausgeber einer frühen und wichtigen Anthologie junger Banater Lyriker unter dem treffenden Titel „Wortmeldungen“ (Temeswar 1972), einem Theodor Storm-Band („Der Doppelgänger“) und seinem eigenen Band mit „lyrischen Texten“, veröffentlicht in Temeswar im Jahr 1982 („Dass am Abend der Himmel so rot war…“).
Nach seinem Verbleib in der Bundesrepublik kam Schneider bald nach der politischen Wende in Rumänien zum Südostdeutschen Kulturwerk München (1992) als wissenschaftlicher Projektmitarbeiter bzw. als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Nur ein großes Projekt sei hier angeführt: die Mikroverfilmung der bedeutendsten rumäniendeutschen Publikationen in Zusammenarbeit mit der Universität Babe{-Bólyai in Klausenburg. Es war auch in München eine arbeitsreiche und fruchtbare Zeit, mit vielen Höhen und Tiefen, aber ebenso mit vielen Genugtuungen und besonderer Wertschätzung. Von seinen neueren Veröffentlichungen können nur einige genannt werden, so das exemplarische Werk „Literatur in der Temesvarer Zeitung (1918-1949)“ (München 2003, 479 S., mit Textproben in einer beigelegten CD) und von seinen Maßstäbe setzenden, in Sammelbänden erschienenen Studien: „Literatur und Literaturreflexion in der rumäniendeutschen Presse der Nachkriegszeit. Die ‘Neue Banater Zeitung’ (Temeswar) und ihr Beitrag zur Förderung der literarischen Nachwuchsgeneration (1969-1975)“, erschienen in München 2007 (80 Buchseiten!), oder „Ost-westliche Impressionen und Berichte. Zu den journalistischen Beiträgen von Franz Xaver Kappus über Temeswar und Berlin“ (Essen 2007), aber auch der von ihm konzipierte und herausgegebene Ausstellungskatalog (mit Dr. Stefan Sienerth) über Nikolaus Lenau als „unstäter Mensch auf Erden“ (1993). In einer schwierigen und Umbruchzeit hatte Schneider zuletzt noch ehrenamtlich beim Südostdeutschen Kulturwerk e. V. in München die Geschäftsführung übernommen bis zur Auflösung des Vereins vor wenigen Jahren.
Mit Jahresende 2013 bzw. dem Erscheinen von Heft 4/2013 Anfang dieses Jahres der vom Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas e.V. (ikgs) an der Ludwig-Maximilians-Universität München herausgegebenen Zeitschrift „Spiegelungen“ haben drei ihrer langjährigen Gestalter ihre Tätigkeit beendet, Eduard Schneider M.A. als verantwortlicher Redakteur sowie Univ.-Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Anton Schwob und Univ.-Prof. h.c. Dr. Peter Motzan als Herausgeber. Damit ging eine Ära in der Geschichte des Instituts und der Institutszeitschrift zu Ende, ein Anlass zu Dank auch auf diesem Weg an Eduard Schneider, der am 10. Mai in München 70 wurde. Auf weitere Mitarbeit hoffen sowohl ikgs als auch die Herausgeber der Zeitschrift und ihre Leserschaft. Gewiss wird der Rentner nach der Feier nicht ganz aufhören, sich um die Belange unseres Kulturerbes zu kümmern, mehr wird er sicher nun mit seiner Ehefrau Hanne seinen Ruhestand in Neu-Perlach bei München genießen und als lieber Opa für die drei Enkelkinder da sein. Auf noch viele, gute Jahre!