Geschichten aus dem Banat, von dies- und jenseits der Grenze, bilden das Material des neuen Projekts „UZDINUZ“, das Teil von „Cămine în mișcare - Moving Fireplaces” (Kamine-Heimstätten in Bewegung) ist – einem umfangreichen Projekt, das das Phänomen der Migration als Realität in der Vergangenheit und Gegenwart des Banats und Europas erforscht und vom „Prin Banat“-Verein in Temeswar/Timișoara durchgeführt wird.
Die Temeswarer Schauspielerin Christine Cizmaș sammelte vergangenen Sommer kleine Lebensgeschichten in den Ortschaften Uzdin und Kowatschitza/Covăcița im serbischen Banat. Zuerst schrieb sie diese auf, dann wurden einige als Audiomaterial neu interpretiert. Die im Jahr 2022 gesammelten Geschichten sind das Vermächtnis früherer Generationen und Teil eines vielfältigen kulturellen Mosaiks. Durch kreative Ausdrucksformen bringt das Projekt die Traditionen und kulturelle Identität dieser Region zusammen und schafft es, Teil des immateriellen Kulturerbes zu werden. Als eine Quelle der Erinnerung, des kollektiven Gedächtnisses und des Wissens, stärkt das Projekt einerseits unser Zugehörigkeitsgefühl zu einer gemeinsamen Vergangenheit, andererseits repräsentieren diese kleinen Geschichten Teile eines noch nicht so lange zurückliegenden Lebens und wecken Erinnerungen – so lautet die Beschreibung des „UZDINUZ“-Projekts.
Seit dem 22. April kann man sich die Audiomaterialien anhören bzw. erzählte Lebensgeschichten lesen. Unter camineinmiscare.ro/uzdinuz/ sind acht Audioberichte und 25 geschriebene Berichte verfügbar.
Wie alles begann
Alles begann im alten Bahnhof von Kowatschitza, dort, wo kein Zug mehr anhält. Hundegebell, Wind, Sonnenschein und reife Kirschen – dies alles sorgte für Inspiration bei der Schauspielerin Christine Cizmaș, zog sie wie ein Magnet an und führte sie zu den Leuten in der Gegend. Als waschechte Banaterin mit gemischten Wurzeln wahrer Banater – ein bisschen Rumänisch, ein bisschen Deutsch und Serbisch – hat sie den Auftrag des „Prin Banat“-Vereins mit Spannung angenommen. Sie sollte sich auf die Spuren der Rumänen im historischen Banat begeben. Ein Banat, das vor mehr als hundert Jahren, als neue Grenzen gezogen wurden, Tausende von Rumänen auf dem heutigen Gebiet Serbiens und Ungarns hinterlassen hat. Gleich mehrere rumänische Gebiete sind somit im neuen Land entstanden. Als serbische Staatsbürger pflegen sie in der Wojwodina weiterhin mit großer Ehrerbietung die rumänische Sprache und Kultur, auch wenn sie hier seit Generationen leben, keine rumänische Staatsbürgerschaft haben und die meisten von ihnen sogar niemals in Rumänien zu Besuch waren. Christine entdeckte Menschen, deren Geschichten schmerzhaft sind und die vielleicht zum ersten Mal öffentlich erzählt werden.
Rumänen im serbischen Banat
Das Projekt lässt die Zuhörer in die Welt der Rumänen in der Wojwodina eintauchen. Mit allen Elementen, die das Umfeld gestalten, gibt die Schauspielerin jenen Menschen eine Stimme, denen sie auf ihrer Entdeckungsreise begegnet, darunter Andrea, Petru und Mărioara Muncan, Mărioara Sîrbu, Ana Bojer, Trifu Șoșdean, Daniel Magdu, Pavel David Secoșan, Mircea Lupu, Sofia und Todor Ionașcu. Für die Musik des Audiomaterials sorgten Ovidiu Mihăiță (Schlagzeug und Gesang), für Bass und versteckte Stimme: Norbert Lovasz (und seine Mutter); für Mixing, Gitarre, Effekte, Musik und Studioproduktion zeichnet Cristian Popescu (Solfaur).
Uzdin ist ein Ort, wo ein Stück Rumänien in Serbien lebendig bleibt: „Die Einwohner hier singen, tanzen, malen, schreiben Gedichte auf Rumänisch und in Banater Mundart, organisieren Mundartfestivals, haben eine Theatergruppe. Asociația Bunicuțele (der Großmütterverein) oder die Schule für naive Kunst in Uzdin sind u. a. Orte, wo die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Die Menschen, mit denen ich gesprochen habe, haben vielleicht nur noch einige Jahre zu leben. Deshalb ist es umso wichtiger, ihre Geschichten zum Ausdruck zu bringen“, sagt Christine Cizmaș, die stark von ihrem Erlebnis jenseits der rumänischen Grenze beeindruckt wurde, so dass einige Elemente davon auf den Werbeplakaten des Projekts, deren grafische Gestaltung von der naiven Kunst der Malerin Sofia Ionascu in Uzdin inspiriert wurden, zu sehen sind.
Vielfalt und Interkulturalität gefördert
„UZDINUZ“ wurde für das „Cămine în mișcare“-Projekt des „Prin Banat“-Vereins erstellt. Das umfangreiche Projekt ist Teil des nationalen Kulturprogramms „Temeswar - Kulturhauptstadt Europas 2023” und wird von der Stadt Temeswar über das Projektezentrum finanziert. Partner dieser Initiative ist die rumänische Gemeinschaft in Serbien. Mit den acht Podcasts und 25 Texten ist aber UZDINUZ noch nicht zu Ende. „Als nächstes werden wir den Podcast mit allen Folgen auf die bekannten Streaming-Plattformen Spotify, Apple Podcasts usw. hochladen. Eine neunte UZDINUZ-Folge kommt als Bonus und ist eine Überraschung”, sagt Alexandra Palconi-Sitov, die Vorsitzende des „Prin Banat”-Vereins und Initiatorin des Projekts.
„´Cămine în mișcare´ entlarvt Stereotypen in zeitgenössischen Geschichten und Kreationen, um die Vorteile von Vielfalt und Interkulturalität hervorzuheben. Wahre, vergessene oder nicht erzählte Geschichten vergangener Tragödien in der Region, von Überlebenden der Deportationen in den Bărăgan, von Menschen, die vor dem kommunistischen Regime und dem Jugoslawien-Krieg geflohen sind, werden in Analogie zu den gegenwärtigen Flüchtlings- oder Wirtschaftsmigrantenbewegungen dargestellt. Sie werden in verschiedene Kunstformen übersetzt und der Öffentlichkeit vorgestellt“, erzählt Alexandra Palconi-Sitov zum Hintergrund des umfangreichen Projekts.
Im Jahr 2023 umfasst das Projekt Theateraufführungen, Dokumentarfilmvorführungen, die Vorstellung von Hörbüchern, Ausstellungen naiver Kunst und eine Reihe von zehn künstlerischen Residenzen, deren Ergebnisse im Rahmen des „Cămine în mișcare“-Festivals präsentiert werden, das zwischen September und Oktober in Temeswar und anderen Städten der historischen Region des Banats stattfindet. Im Mittelpunkt aller Veranstaltungen im Herbst stehen die Geschichten über Migration, Krieg, Vertreibung, Revolution und Erinnerung, die im Rahmen des Projekts 2022 in Rumänien, Serbien, Ungarn und der Ukraine gesammelt wurden. „Der Kamin ist ein Symbol für den Komfort, die Sicherheit und die Wärme eines Hauses. Doch Phänomene in der Vergangenheit und Gegenwart des Banats, wie Zwangsumsiedlungen, politische Konflikte und Arbeitslosigkeit, verdrängen die Heimstätten. Fremdenfeindliches Verhalten und Intoleranz, die in Europa in besorgniserregender Weise zunehmen, werden bekämpft, indem die Geschichten derer, die auf der Flucht sind, erzählt werden“, sagt die Projektinitiatorin.
Zentrale Stimme für „Randgebiete”
Eine andere Komponente des großangelegten Projekts „Cămine în mișcare“ ist „Centriphery“ – ein europäisches Projekt, das den Bürgerinnen und Bürgern der sogenannten „Peripherien“ eine zentrale Stimme bei der Erforschung und Umgestaltung lokaler Narrative und Mythen verleiht und sie ermutigt, an der Neugestaltung lokaler Identitäten und europäischer Narrative mitzuwirken. Unter der Leitung des Festivals der Regionen (Österreich) lief dieses groß angelegte europäische Projekt von 2018 bis 2022 und brachte acht Partner aus Ländern wie Bulgarien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Kroatien, die Niederlande, Portugal und Rumänien zusammen. Teil davon war der Temeswarer Verein, der 2021 die Theatervorstellung „Tinerețe fără bătrânețe și viață fără de moarte“ („Jugend ohne Alter und Leben ohne Tod”) mit Riesenpuppen und Live-Musik produziert hatte. Inspiriert von der gleichnamigen Erzählung von Petre Ispirescu aus dem Jahr 1862, erzählt die Show eine Geschichte über rumänische folkloristische Übernatürlichkeit, mythologische Philosophie, Unsterblichkeit, Glück, Leben und Tod. Die Theatervorstellung wird im Sommer zwischen dem 25. und dem 30. Juli erneut in Temeswar auf dem Freiheitsplatz aufgeführt. Tickets sind auf der Verkaufsplattform iabilet.ro erhältlich. Der Preis für eine Eintrittskarte beträgt 50 Lei. Kinder zwischen 4 und 12 Jahren zahlen den halben Preis. Die Show ist Kindern ab 4 Jahren empfohlen.