„Art Safari“, das temporäre Museum und der größte Kunstveranstalter in Osteuropa, gastiert erneut im Dacia-România-Palast in der Bukarester Altstadt, Str. Lipscani Nr. 18-20, und hat eine neue Kunstsaison eröffnet. Die 14. Ausgabe von „Art Safari“ verspricht unter seinem jetzigen Thema, die „Schätze und Geheimnisse“ der rumänischen Kunst anhand von sechs Ausstellungen in besonderer Szenografie zu enthüllen sowie ein verborgenes Kunstmuseum zu präsentieren.
Das Phänomen des Sammelns hat vor allem eine bildende Funktion der Aufbewahrung und Rettung des kulturellen Erbes, des Aufbaus eines spezifischen Weltbilds, aber auch eine wirtschaftliche bis hin zur politischen Komponente.
Ein Akt als Neujahrsgeschenk
Als wahrer Kunstliebhaber hat Dr. Gheorghe Vintilă (1898-1978) 340 Werke aus Leidenschaft für Kunst und Hochachtung für die Tätigkeit der Künstler, mit denen er sich befreundete, gesammelt. Er gestand, ein Faible insbesondere für Nicolae Tonitzas Werke gehabt zu haben. Besessen von einem frisch zur Versteigerung angebotenen Akt des Meisters Tonitza, hat er einmal das für seine Silvesterparty bestimmte Geld dafür ausgegeben und noch etwas dazu von seinen eingeladenen Freunden für den Ankauf des Gemäldes geborgt. Seine verständnisvollen Freunde retteten das Silvesteressen, indem sie alles Nötige mitbrachten, damit sie sich gemeinsam über die Enthüllung des neuen Sammlungsstücks freuen konnten.
Zwei Drittel seiner Sammlung spendete der Arzt seinem Heimatort, der Dobrudschaer Gemeinde Topalu, die damit ein nach seinen Eltern, den Grundschullehrern Dinu und Sevasta Vintil² benanntes Kunstmuseum einrichtete.
Die Ausstellung „Das geheime Museum“ ist in Partnerschaft mit dem Kunstmuseum in Konstanza, dem gleichnamigen Kreisrat und dem Bürgermeisteramt Topalu zustande gekommen und wird von Lelia Rus Pîrvan kuratiert. Besucher werden hinter den szenografisch eingerichteten Vorhängen nicht nur Werke der wichtigsten rumänischen Künstler, sondern auch einige Anekdoten des Sammlers entdecken.
Sammlerin und Sammlung
Eine weitere Ausstellung, welche den Kunstsammler in den Mittelpunkt stellt, ist jene mit den Sammelstücken der Kulturredakteurin, Kunstkritikerin, -kuratorin und -sammlerin Ruxandra Garofeanu (1944-2021) und geliehenen Werken der wichtigsten postmodernen rumänischen Künstlerinnen und Künstler, die in den Ateliers in der hauptstädtischen Ermil-Pangratti-Straße geschaffen haben.
Seit den 60er Jahren haben die in der Pangratti-Straße befindlichen 33 Kunstateliers des Künstlerverbandes Bukarest (UAP) im Laufe der Zeit etwa einhundert Künstler und ihre Werke beherbergt. Davon ist fast die Hälfte bei „Art Safari“ in einer vielfältigen, eklektischen Ausstellung vertreten, in der die Werke im Dialog miteinander stehen und ihre stilistische sowie emotionale Verwandtschaft betont wird.
Den Ausgangspunkt und Kern der Ausstellung, die von Simona Vilău betreut wird, bildet die diskrete Kunstsammlung von Ruxandra Garofeanu, die seit 1966 als Kulturredakteurin im Fernsehen und seit 1972 auch im Radio auftrat. Sie war stets im Einsatz für die Förderung der Kunst und hat nach der Wende 1989 die Kulturstiftung „Art Society“ gegründet. Ihre kuratorische Tätigkeit war bis zum Ende ihres Lebens eng mit dem Ausstellungsprogramm der Galerie „Dialog“ verbunden, in der rumänische Künstler aus dem Ausland ihre Werke präsentieren.
Ihre Sammelstücke werden durch viele andere Werke in Kooperation mit ihren Künstlerfreunden, deren Familien und anderen Sammlern ergänzt. Die Ausstellung ist als Hommage an die Sammlerin gedacht und zielt darauf ab, eine ganze Reihe von etablierten Kunstschaffenden als Gilde wieder in Erinnerung zu rufen.
Geschichte Rumäniens in 100 Porträts
Eine von Cornel Ilie kuratierte und von Diana Nicolae entworfene Ausstellung schildert die „Geschichte Rumäniens in 100 Porträts“ von der Antike bis in die Gegenwart anhand von gemalten, fotografierten oder ausgemeißelten Por-träts sowie persönlichen Werken, Gegenständen und Kleidungsstücken von einhundert Persönlichkeiten der rumänischen Politik, Kultur, Forschung und des Sports. Die Porträts stammen sowohl von den Zeitgenossen der Persönlichkeiten, als auch von den prominentesten Porträtisten des 19. Jahrhunderts, darunter Ion Negulici, Constantin Daniel Rosenthal, Mișu Popp, Constantin Lecca, Gheorghe Tattarescu, Epaminonda Bucevschi, Carol Popp de Szathmári, Theodor Aman und Nicolae Grigorescu, mit dem einzigen anwesenden Selbstporträt.
Der letzte Dakerkönig, Decebalus, ist durch Auszüge aus dem Film „Die Daker“ (1967), in der Regie von Sergiu Nicolaescu, die stets in der Ausstellung laufen, vertreten.
Für die im 19. Jahrhundert entstandenen Bildnisse der mittelalterlichen Woiwoden galten Votivmalereien in den erhaltenen Kirchen, die sie gestiftet hatten, als Vorlagen. Eine Rarität dabei ist ein Holzschnitt, der den Fürsten Vlad den Pfähler darstellt und von Bartholomäus Gothan im 15. Jahrhundert, in Lübeck, realisiert wurde. Es ist eines von drei bekannten Exemplaren und das einzige hierzulande.
Eine schöne Ergänzung der Ausstellung bilden die Porträts verschiedener Woiwoden aus den historischen Erzählungen (1.-3. Folge) von Dumitru Almaș mit meisterhaften Illustrationen von Valentin Tănase.
Allen Königen, Königinnen, Prinzen und Prinzessinnen Rumäniens gilt besondere Aufmerksamkeit seitens der rumänischen und ausländischen Porträtisten und ihnen ist ein eigener Ausstellungsraum reserviert. Eine Besonderheit dabei muss wohl die Freilichtmalerei von Nicolae Grigorescu sein, der von der rumänischen Regierung mit der Darstellung des Unabhängigkeitskriegs (1877-1878) beauftragt wurde. Dieses fängt – überraschenderweise in Schwarz-Weißtönen und nicht farbig wie üblich – einen Augenblick ein, in dem Fürst Karl I. die türkischen Kriegsgefangenen inspizierte.
In weiteren Räumen, gewidmet den Persönlichkeiten des 19. und 20. Jahrhunderts, der Zwischen- und der Nachkriegszeit, kommt man Politikerfiguren nahe, die Großrumänien gegründet haben, der Heldin des Ersten Weltkriegs Ecaterina Teodoroiu, vertreten durch ihre Uniform und den Geldschein, auf dem ihr Porträt abgedruckt ist, den wichtigsten rumänischen Schriftstellern, den Vorreitern des rumänischen Theaters und der Oper, Tony Bulandra, beziehungsweise Hariclea Darclée, dem Komponisten George Enescu, dem Dirigenten Sergiu Celibidache, der Sängerin Maria Tănase und ihrem größten Fan, dem Bildhauer Constantin Brâncuși.
Wer nicht nur Fotos, sondern auch aufmerksam aufbewahrte Anzüge, einen Reisekoffer, den Spazierstock und die kubistische Rauchpfeife von Brâncuși nebst seiner bronzenen Büste, geschaffen von Ion Irimescu, bewundern möchte, sollte den letzten Teil dieser abwechslungsreichen Ausstellung nicht verpassen. Darin sind noch Geräte, persönliche Gegenstände oder gegebenenfalls kleinformatige Maquetten der Erfindungen und Innovationen der Vorreiter des rumänischen und weltweiten Flugwesens, Aurel Vlaicu, Traian Vuia und Henri Coandă, der Naturforscher und Entdecker Emil Racoviță und Grigore Antipa, des Vaters der rumänischen Soziologie, Dimitrie Gusti, der Ärztin und Altersforscherin, Ana Aslan, sowie der von Dumitru Prunariu während seines Raumflugs 1981 getragene Raumanzug zu sehen.
Die Ausstellung endet mit einem separaten Spiegelraum, der die Trophäen der Gymnastikweltmeisterin Nadia Comăneci zur Geltung bringt und einer Ruhmeshalle des rumänischen Sports.
Der Porträtist des Adels
Eusta]iu Stoenescu wurde 1884 in Craiova, in der Familie des Boyaren und konservativen Abgeordneten Grigore Stoenescu geboren. Seine Mutter, Matilda, war bretonischer Herkunft und diente dem französischen Maler A. V. Léopold Durand-Durangel als Modell für ein Porträt. Von diesem erlernte Eustațiu die Liebe zur Malerei.
Er besuchte die private Kunsthochschule „Académie Julian“ in der Klasse des Malers Jean-Paul Laurens und die „École Nationale Supérieure des Beaux-Arts“ in Paris. Stoenescu hat sich sich jährlich an den Ausstellungen Gesellschaft „Künstlerische Jugend“ in Rumänien mit eigenen Werken sowie an 18 Ausgaben des jährlichen Öffentlichen Kunstsalons in Paris und der Kunstbiennale in Venedig beteiligt. Für seine künstlerischen Verdienste wurde der Maler mit dem französischen Orden der Ehrenlegion im Ritterrang ausgezeichnet. Auf der Weltausstellung in Paris erlangte er den Grand Prix und auf der 21. Kunstbiennale in Venedig wurde sein Werk „Das schwarze Huhn“ von der italienischen Regierung erworben.
Persönliche Ausstellungen hat er in seinem Heimatland, in Frankreich und den USA eröffnet.
In Rumänien gründete Eusta]iu Stoenescu zusammen mit den Malern Nicolae Dărăscu, Iosif Iser, Gheorghe Petrașcu, Ștefan Popescu und Camil Ressu den Kunstverein „Arta“. Zudem wirkte er als Dozent an der Hochschule für Schöne Künste (der heutigen Kunstuniversität) in Bukarest und hatte dabei auch das Rektorenamt inne. Nach der Machtübernahme der Sozialisten 1947 verließ er Rumänien und starb ein Jahrzehnt später in New York.
Dieser Künstler mit einer besonders produktiven internationalen Karriere ist bekannt insbesondere als Porträtist des rumänischen Adels und geriet deshalb während des Kommunismus in Vergessenheit. Er hat die Bildnisse befreundeter Künstler, Bekannter, politischer Persönlichkeiten einschließlich des Königs Ferdinand und des Prinzen Nicholas geschaffen, aber zu den beeindruckendsten mögen seine Frauen- und Kinderporträts gehören, vor allem jene seiner Familie.
Im Rahmen der vorhandenen Ausstellung, in Kooperation mit der Botschaft der USA in Bukarest, dem Nationalen Kunstmuseum und dem Bukarester Stadtmuseum, hat Bühnenbildner Cosmin Florea der Innenszene „Frühstück“ sogar eine besondere Szenografie gewidmet und das Gemälde durch ein im Ausstellungsraum gebautes Familienzimmer mit einer Audioinstallation buchstäblich „belebt“. Den Besuchern wird somit durch ein offenes Fenster ein Einblick in das private Alltagsleben der Frau und des Sohnes des Künstlers bei einer zärtlichen Frühstückszene ermöglicht. Die Zärtlichkeit der Sujets überträgt der Maler auch auf seine Blumenbilder und weist dabei eine Vorliebe für Sträuße aufgeblühter Baumäste auf.
Etwas seltsamere, doch sehr gelungene Bilder von Eusta]iu Stoenescu sind das Porträt eines weißen Bichons, der Hündin mit dem Kosenamen „Fata Mamii“ (Mamas Mädchen) und ein Stillleben mit zwei Hühnern und einem Tonkrug, wobei die Vögel lebendig sind, sie scheinen ruhig nebeneinander sitzend geduldig auf den Maler zu warten. Sehenswert sind auch seine Landschaftsmalereien, die Stadt- und Dorfbilder aus Oltenien, Venedig und der Bretagne.
„Eusta]iu Stoenescus chromatische Raffinesse, die Eleganz seiner Sujets und die diskreten Grautöne des Hintergrunds seiner Gemälde heben die Kostbarkeit einiger Details seines Bildaufbaus hervor und kennzeichnen sein Werk“, schreibt Ausstellungskuratorin Angelica Iacob. Sein Fokus gilt der Atmosphäre, die er in seinen Bildern wiedergeben will, daher hat Stoenescu Formen durch Farbe aufgebaut, unbedeutende Details beseitigt und sich des Effekts der Nichtvollendung bedient. „In seinen Gemälden vibrieren spontane Farbstriche, die durch fließende Oberflächen hervorgehoben und wunderbar chromatisch harmonisiert werden”.
All diese Ausstellungen können bis zum 28. Juli besucht werden. Weitere zwei, kürzer befristete Ausstellungen runden die Frühling-Sommer-Kunstsaison von „Art Safari“ ab.
Spaziergang durch die Palastgärten
Bis zum 14. April können sich Besucher durch „Die Palastgärten“ führen lassen, sich der Ästhetik der Blumen und des Frühlingslichts durch Werke der größten Meister der rumänischen Kunst, darunter Theodor Aman, Nicolae Tonitza, Nicolae Grigorescu, [tefan Luchian, Samuel Mützner usw. erfreuen. Die Überraschungen dabei sind zwei von Königin Maria signierte Aquarelle. Diese Ausstellung bietet auch ein sensorisches Erlebnis der Blumendüfte und -texturen.
Alma Redlinger, zum 100. Geburtstag
Anlässlich des Geburtstages der rumänischen Avantgardekünstlerin jüdischer Herkunft, Alma Redlinger, der sich vor einem Monat zum 100. Mal jährte, wurde die Ausstellung „Jahrhundertfeier Alma Redlinger“ über das Creart-Zentrum des hauptstädtischen Oberbürgermeisteramtes mithilfe der Nachkommen der Künstlerin bei „Art Safari“ ins Leben gerufen. Gestaltet wurde die Ausstellung von deren Kuratoren, dem Enkelkind der 2017 verstorbenen Künstlerin, [tefan Simion und seiner Frau Irina Meli]a, beide Architekten. Diese kann bis zum 26. Mai besucht werden.
Eine starke Zeichnung mit gebrochenen Flächen und festen Linien kennzeichnet Kunstkritikerin Maria-Magdalena Crișan zufolge Almas Kompositionen. „Die Künstlerin kontrolliert die Oberfläche des Gemäldes bis ins letzte Detail, achtet auf die Ausdrucksvielfalt, auf die Komposition der Objekte und ist darauf bedacht, den Zustand, das Gefühl eines Augenblicks wiederzugeben. Ihre Lieblingsthemen kommen aus der vertrauten Umgebung: die Werkstatt, die Menschen in der Nähe, Familie oder Freunde. In einigen Kompositionen beschreibt sie Ecken oder weite Bilder der Werkstatt oder den Ausblick aus ihrem Fenster, in anderen beschränkt sie sich auf wenige Gegenstände oder Bücher, aber alles wird so betrachtet, dass die menschliche Präsenz vorhanden ist“.
Es lohnt sich, die Werke so vieler Meister der Kunst zusammen zu sehen. „Art Safari“ kann donnerstags bis sonntags, von 12 bis 21 Uhr, besucht werden. Tickets sind beim Eingang oder unter www.artsafari.ro verfügbar.