Vergangene Woche fanden im Großen Saal des Rumänischen Rundfunks zwei Konzerte statt, die im Rahmen eines auf fünf Jahre angelegten musikalischen Austauschprojekts unter dem englischen Titel „Vienna meets Romania“ (Wien begegnet Rumänien) veranstaltet wurden. Dieses interessante Großprojekt hat sich zum Ziel gesetzt, Musiker aus Wien und aus Rumänien zu gemeinsamen Workshops, Arbeitsvorhaben, Konzerten und Vorspielen zusammenzuführen, wobei neben Bukarest besonders auch Temeswar/Timișoara, das im Jahr 2021 Europäische Kulturhauptstadt sein wird, eine wichtige Rolle spielt.
Bei den beiden Konzerten am Donnerstag und Freitag vergangener Woche im Mihail-Jora-Saal des Rumänischen Rundfunks war der Konzertmeister der Wiener Philharmoniker, Volkhard Steude, als Solist in Bukarest zu Gast. Am Freitag interpretierte er gemeinsam mit der im rumänischen Konstanza/Constanța geborenen Pianistin Cătălina Butcaru und dem Nationalen Rundfunkorchester unter der Leitung von Cristian Lupeș Felix Mendelssohn-Bartholdys Doppelkonzert in d-Moll für Violine, Klavier und Streicher (MWV 04), und am vorangegangenen Donnerstag gab Volkhard Steude, ebenfalls zusammen mit Cătălina Butcaru, auf derselben Bühne einen Duoabend mit Violinsonaten aus dem 19. Jahrhundert.
Das Programm des mäßig besuchten Konzertes im Großen Saal des Rumänischen Rundfunks folgte einem musikalischen „Itinerarium von Klängen voller Melancholie, Leidenschaft, Geheimnis und Träumerei“, wie die Pianistin Cătălina Butcaru in einem Interview die Auswahl der gespielten Stücke begründete. Eröffnet wurde das Programm des Konzerts mit der zehnten und letzten Sonate für Violine und Klavier in G-Dur (op. 96) von Ludwig van Beethoven. Das 1812 uraufgeführte Werk, zeitgleich mit Beet-hovens siebter und achter Sinfonie entstanden, atmet selbst sinfonischen Charakter und besticht durch seinen lebhaften, zum Teil abrupten Wechsel der Stimmungen und Gefühle, des Rhythmus wie der Dynamik. Bereits bei diesem ersten Stück konnte man die Sensibilität der beiden Musiker und ihr perfektes Zusammenspiel bewundern, etwa in den expressiv-lyrischen Passagen oder auch in den jagenden Synkopenstellen des viersätzigen Werkes.
Als wollten sie die romantische Dramatik des zweiten Satzes Adagio espressivo der gerade verklungenen Beet-hovenschen Violinsonate noch weiter steigern, setzten die beiden Künstler ihr Programm mit der ersten Violinsonate in a-Moll (op. 105) von Robert Schumann fort, deren Eröffnungssatz durch die Bezeichnung „Mit leidenschaftlichem Ausdruck“ Intensität, Passion, Enthusiasmus und Gefühlsüberschwang geradezu beschwört. Auf die musikalische Spannung des Anfangs, das impulsive Crescendo der Violine und die voller Erregung und Unruhe dargebotenen Arpeggien des Pianos folgte dann der zweite, „Allegretto“ betitelte, Satz voll pastoraler Einfachheit, der dann in den „Lebhaft“ überschriebenen Finalsatz mündete, welcher in seinem raschem Dahinfließen fast an ein Moto Perpetuo gemahnte.
Nach der Pause gelangte dann das berühmte „Počme“ (op. 25) von Ernest Chausson zur Aufführung, eine 1896 entstandene sinfonische Dichtung für Violine und Orchester, die von Volkhard Steude und Cătălina Butcaru in der Fassung für Violine und Klavier dargeboten wurde. Das dem belgischen Komponisten und Violinisten Eugčne Ysa˙e gewidmete Werk, welches mit der charakterisierenden Tempobezeichnung „Lento e misterioso“ anhebt und mit einem „Tranquillo“ endet und dazwischen mehrere Stadien rascherer Tempi (Animato, Molto Animato, Animato, Poco lento, Poco meno lento, Tempo I) durchläuft, verbindet ruhig dahin fließende, melancholische und in sich gekehrte Passagen mit Phasen leidenschaftlicher Ausbrüche, auf- und abschwellender Klangbewegungen, steigender und fallender Spannungsbögen, die insgesamt einen rhapsodischen Charakter erzeugen, der gleichwohl durch hochromantische Gefühlsintensität und harmonischen Abwechslungsreichtum kontinuierlich zusammengehalten wird. Hier konnte Volkhard Steude seine kammermusikalische Sensibilität und den Klangreichtum seiner ihm von der Österreichischen Nationalbank zur Verfügung gestellten 304 Jahre alten Stradivari-Geige (ex Smith-Querson) voll entfalten, von glasklar kristallinen Tönen in den höchsten Lagen der E-Saite bis zu rauchig heiseren Klängen auf der G-Saite. Fast eine kleine Extravaganz des in Leipzig geborenen Geigers, wenngleich sie von höchster Meisterschaft zeugte, das Chaussonsche „Počme“ mit einem Aufstrich verklingen zu lassen!
Als letztes Stück des Konzertabends folgte dann wieder ein Werk aus der Feder eines deutschen Komponisten: Johannes Brahms’ dritte Sonate für Violine und Klavier in d-Moll (op. 108). Das dem Freund und Musikerkollegen Hans von Bülow, also einem Pianisten, nicht einem Geiger, gewidmete Werk führt die beiden Saiteninstrumente Klavier und Violine in einem permanenten Dialog zusammen. Dieser konzertante Wettstreit zwischen zwei einander ebenbürtigen Instrumenten, wobei dem virtuosen Klavierpart weitgehend sogar das Prius zukommt, beerbt einerseits die musikalische Gattung des Grand Duo bzw. der Grande Sonate, zeugt zugleich aber von der Sinfonisierung der Sonatenform, wie sie der große Sinfoniker Brahms auch in seinen sonstigen kammermusikalischen Werken pflegte. Die unruhigen und düsteren Ecksätze „Allegro“ und „Presto agitato“ umschließen das lyrische Intermezzo des dritten Satzes „Un poco presto e con sentimento“ sowie den getragenen, „Adagio“ überschriebenen, zweiten Satz, den eigentlichen Ruhepol des viersätzigen Werkes. Hier konnte insbesondere die Pianistin Cătălina Butcaru ihre stupende Virtuosität entfalten und die Kongenialität ihres Beitrags zur musikalischen Partnerschaft mit dem Konzertmeister der Wiener Philharmoniker und ehemaligen Primgeiger des Steude-Quartetts, das von 2002 bis 2015 in Wien und weltweit auftrat, unter Beweis stellen.
Als Dank für den anhaltenden Beifall brachten Volkhard Steude und Cătălina Butcaru dem Publikum als Zugabe das Werk eines in Wien gestorbenen österreichischen Komponisten dar: den dritten, sehr langsamen „Adagietto“-Satz aus Gustav Mahlers Fünfter Sinfonie in einem Arrangement für Violine und Klavier. In den schwebenden, gleichsam entrückten und am Ende im Pianissimo verhauchenden Tönen konnte man noch einmal die orchestrale Vielfalt der von diesem Musikerduo hervorgebrachten Klänge genießen und danach im Geiste mit nach Hause nehmen.