Vom kleinen Schmuck-Unikat zum handgestrickten Kinderpulli

Temeswarer Kunsthandwerk, Kooperative und die Sichtbarkeit im Kulturhauptstadtjahr

Jene, die sich Gedanken über ein ruhigeres Leben, einen geringeren und gerechteren Verbrauch und die Auswirkungen des täglichen Lebens auf die Umwelt machen, haben bei Ecoop Fabric die Möglichkeit, sich Gleichgesinnten anzuschließen – das sind zumindest für Anca Mircu die Gründe, dabei zu sein. | Foto: privat

Wer einmal in den Bann dieser Keramik gezogen wird, der bleibt lange vor dem Stand oder im Künstleratelier von Ceramiceanu stehen. | Foto: Astrid Weisz

Adina Wasicsek: Eine Landschaft als Brosche | Foto: privat

Auch bei der Verpackung wird auf Nachhaltigkeit gesetzt: Kaum Plastik – Fläschchen und Gläschen zum Nachfüllen und Karton auch bei Deo oder Lippenstift. | Foto: Astrid Weisz

Der Weihnachtsmarkt, der Ostermarkt oder die Messe zu den ungarischen Kulturtagen, sie alle bergen das Potenzial, schöne Handarbeiten aus Rumänien zu finden, manchmal auch von lokalen Künstlern – nicht zu vergessen die Verkaufsstände zum Nikolaus und zum 1. März. An der Ecke am Trajansplatz in Temeswar/Timișoara gab es in diesem Jahr einen Raum, der für ökologische, nachhaltige Handarbeit stand: Ecoop. 

Die jungen Leute aus Temeswar, die sich da zusammengefunden haben, versuchen durch den Zusammenschluss sichtbarer zu werden. Unter ihnen findet man vorwiegend Frauen, aber auch Männer sorgen dafür, dass die gelegentlich organisierten Verkaufsmessen zum Erfolg werden und steuern beispielsweise die Kaffee-Station oder die Bieranlage bei, beides mit Selbstgebrautem oder aus Kaffeebohnen, die aus nachhaltigem und ökologischem Anbau stammen. Die europäische Kulturhauptstadt hat versucht, auch durch gelegentliche Pop-Up-Shops sogar in den Räumen des Projektezentrums oder beim FABER-Kulturzentrum, auch dieses sehr kreative Potenzial der Stadt zu beleuchten und strahlen zu lassen. Ecoop Fabric am Trajansplatz zeichnet sich dabei jedoch auch dadurch aus, dass lediglich (Hobby)-Künstler aus der Stadt oder dem Kreis mitmachen dürfen. Bei der Messe bekommt man dann einen Bon, auf dem jeweils notiert wird, was man von wem kauft und zahlt alles an einer Kasse. Weit vom Anspruch auf Vollzähligkeit entfernt sollen im Folgenden ein paar dieser Künstler vorgestellt werden.

Der Schmuck

Wenn es etwas bei Kunsthandarbeiten zu finden gibt, dann auf jeden Fall Schmuck, und zwar solchen, den nicht jede Frau oder jeder Mann trägt, denn fast alles ist ein Unikat. Adina Wasicseck hat vor zirka zehn Jahren begonnen, mit den Kindern für Freunde und Verwandte Geschenke in Handarbeit herzustellen. Inzwischen hat sie für sich die Wolle als Material zur Herstellung von kleinem Spielzeug, Taschen, Katzenschlafsäckchen, Ketten, Armreifen und Broschen entdeckt. Die Reisekauffrau absolviert ein zweites Studium der Textilkunst und widmet sich in ihrer Freizeit dem Herstellen von schönen Sachen aus Schurwolle. Damit beschäftigt sie zum einen ihre Hände, versucht aber auch, für das Material in seiner vielseitigen Anwendbarkeit Werbung zu machen. Die Wolle beschafft sie sich aus Siebenbürgen und freut sich nach mehreren Auszeichnungen für ihre Textilkunst bei Ecoop, mehr über dieses Kunsthandwerk erzählen zu können. 

Für Laura Ungureanu ist Ceramiceanu seit 2017 ihr Brand. Wie es dem Namen leicht anzumerken ist, steht ihre Kunst für Keramik. Daraus macht sie hauptsächlich Porzellan-Schmuck und Deko, doch keine Serien, denn die Käufer suchen und schätzen Unikate. Seit 2012 probiert sie sich in Keramik aus und hat inzwischen auch einen Masterabschluss in dekorativer Keramik. Ceramiceanu ist ihr Job, ihre einzige Einkommensquelle als Vollblut-Künstlerin. Ihr Atelier am Domplatz kann besucht werden, sonst sind sie und ihre kleinen Kunstwerke online und auf Messen anzutreffen. Im Trend seien ihre Brâncuși-Broschen, die mit Einwilligung der Brâncuși-Kommission aus Paris und Bukarest gefertigt werden, ein Vorteil dieses Kulturhauptstadt-Großevents. Die Kundschaft sei immer mehr an unikalem Kunsthandwerk interessiert und auch der Anteil der Touristen und Herren sei in diesem Jahr darin größer, die ihr teils auch Anstöße zu neuen Kunstwerken geben. Bei Ecoop schätzt sie die gegenseitige Unterstützung, den Austausch in einer relativ kleinen Künstlerclique. Und natürlich sind dabei auch Katalin Pop oder Alina Grapa zu nennen, die mit ihren Linoldrucken und handgearbeiteten, selbstgemalten und entworfenen Glückwunschkarten, Lesezeichen oder Notizblöcken, Bildern mit und ohne Rahmen für Geschenkideen der persönlichen Art stehen und am liebsten darüber erzählen, wie die Werke überhaupt zustande kommen.

Das Spielzeug

Am nächsten Tisch sitzt Elisabeta Revai/Levai, die damit beschäftigt ist, an die Stofftierchen von Jumping Paintbrush – ihr Markenzeichen – Preise zu kleben. Die bunten Katzen, Dinos, Elefanten und Kürbischen aus buntem Stoff reihen sich an- und hintereinander. Die Idee kam der jungen Mutter, als sie es vorzog, ihr Kind in einem sogenannten Wrap-Tragetuch anstelle des Kinderwagens zu tragen. Dabei lernte sie zunächst von anderen, wie das umwelt- und kinderfreundliche Färben dieser Tücher funktioniert. Weil sich Mütter oft Accessoires oder Andenken an ihre Babytragezeit wünschten, kam sie auf die Idee, „Zubehör“ aus den Tragetüchern zu machen. Der erste Kunde: das Söhnchen, das einen Dino bekam. Die studierte Architektin hat den Stoff selbst mit Zeichnungen versehen, bemalt und gefärbt, das Studium half ihr beim Entwerfen der Schnittmuster. Stoffresten oder ausgeleierten Tüchern verhilft sie zu neuem Leben und tut auch der Umwelt gut.

Die Kleidung

Ebenfalls auf einem Hocker sitzt eine junge Frau und häkelt. Neben ihr ein Ständer mit Pullovern, Kragen, Mützen, Ohrringen und Schmuck, auch Babykleidung. Unten stehen gehäkelte, dicke Kürbisse. Mit KnitKnot entkommt Anca Mircu ihrem Büroalltag als Übersetzerin und Copywriterin und lebt ihre Kreativität aus. Die Nachhaltigkeit ihrer Handarbeiten ist zum einen durch das Material gegeben,  hauptsächlich Wolle und Baumwolle, die sie als Restposten oft direkt beim Hersteller beschafft, damit sie nicht entsorgt werden. Zum anderen sei jedes ihrer in den letzten zehn Jahren hergestellten Werke immer noch in Gebrauch. Stricken sei für sie jedoch ein Hobby, um die Hände zu beschäftigen.

An einem anderen Ständer ist mit großen gelben Buchstaben OCRU zu lesen. Manchem Temeswarer, der an nachhaltiger Kleidung und fairem Preis für Handarbeit interessiert ist, kein neuer Name. Bei OCRU setzt Carina Iasmina Bălan auf Slow-Fashion und naturfreundliche Produktion. „Wir glauben an langfristige Beziehungen und stehen daher für die Qualität unserer Kleidung ein“ lautet das Motto des kleinen Ateliers. Hergestellt wird die Kleidung aus Stoffen, die nicht mehr gebraucht werden. Während des gesamten Produktionsprozesses soll so wenig Abfall wie möglich entstehen und die meisten Kleidungsstücke lassen sich auf verschiedene Arten tragen, so dass man verschiedene Stile miteinander kombinieren kann. Ethisch sei man durch die lokale Herkunft der Materialien und Handarbeit, die an fast jedem Wochenende auf einer Messe in Temeswar, Klausenburg/Cluj-Napoca, Bukarest oder auf dichisar.ro, einer Webseite für rumänische Kunsthandwerker, zu finden ist.

Die Kosmetik

Naturkosmetik ist nichts Neues, doch umso schöner zu wissen, dass sie vor Ort, in der Fabrikstadt oder nahe Temeswar, aus lokalen Pflanzen und anderen organischen Grundstoffen hergestellt wird. Irina Tomici steht hinter dem Brand „De la Irina“. Die Idee der studierten Designerin, Seifen, Cremes, Lippenstift, Deos, Zahnputzpulver, feste Shampoos, Parfums und vieles mehr aus organischen Zutaten ohne Wasser und ohne synthetische Konservierungsmittel zu mischen, rührt von dem eigenen Bedarf und dem Wunsch nach einer saubereren Umwelt her, mit Verbrauch von regenerierbaren Ressourcen. 2010 machte sie erste Versuche. Die Gesundheit sei dabei im Vordergrund, die Nachhaltigkeit jedoch auch, sodass man ermutigt wird, Produkte vielseitig anzuwenden: das Gesichtsöl kann genauso gut auf den Haarspitzen angewendet werden. Nebst Naturölen kommen Pflanzen – „Unkraut“ nennt sie sie lächelnd – aus ihrem Landhausgarten zum Einsatz. Es ist nicht zu übersehen, dass die umtriebige und begeisterte Irina, die stundenlang über ihre Produkte oder das Konzept erzählen könnte, mit zu den Begründern von Ecoop Fabric gehört. Ausgewählt wurden die Teilnehmer auf der Basis, dass die Herkunft ihrer Materialien aus wiederverwertbarem Material, Restposten oder sogar Textilmüll, sowie aus Naturprodukten besteht, beziehungsweise die Produkte ökologisch abbaubar und auf Nachhaltigkeit, wie Kreislaufwirtschaft und ethischer Arbeit, basieren. 


Ecoop Fabric

Wie ein Permakultur-Garten soll die Gemeinschaft der Kooperative Ecoop Fabric nachhaltig und harmonisch zusammenarbeiten. Der gemeinsame Erfolg basiert auf der gegenseitigen Unterstützung und Beteiligung. Abos wie Klee, Löwenzahn und Rosmarin wirken wie die verschiedenen Schichten eines Permakultur-Gartens, die zum Wachstum der Initiative beitragen. Als Mitglied hat man Zugang zu den Ressourcen und dem Fachwissen anderer Mitglieder, sowie zu ihren Veranstaltungen und Aktivitäten, die helfen, dieses Wissen zur Umsetzung in Kunst und Handwerk zu vermitteln. Auch wenn die Gemeinschaft ökologisch gesinnter Künstler und Hersteller noch klein ist – wie auch jener, die sich diese nachhaltigen Produkte leisten können – verbindet die Idee eines gemeinsamen Wegs in eine gesündere Zukunft.