Seit im Jahr 1727 Johannes Christoph Ferdinand Graf Mallenthein in Groß-Siegharts im niederösterreichischen Waldviertel den Bau der wundervollen Barockkirche in Auftrag gegeben und der berühmte Maler Carlo Carlone die darin befindlichen Deckenfresken geschaffen hatte, bestand der Wunsch nach einer dazugehörigen Orgel. Die Königin der Instrumente begleitet ja ein Leben lang die Gläubigen, beglückt oder tröstet sie in Freud und Leid und bereichert an den Sonntagen den Kirchengesang. Manchmal erfreut auch das Konzert eines begnadeten Organisten die Menschen.
Dem Wunsch nach einer eigenen Orgel konnte der Graf nicht mehr gerecht werden, weil er bankrott ging. Erst 1913 ließ eine Orgel der Kremser Orgelbaufirma Capek in der Kirche ihre Stimme ertönen. Noch bis ins 20. Jahrhundert übernahm gewöhnlich der Dorfschullehrer die sonntägliche Orgelmusik im Gottesdienst, dieses Ehrenamt gehörte zu seinen Aufgaben. Das ist jetzt nicht mehr so: Organisten werden angestellt – aber landauf, landab sind sie Mangelware, und so manche Kirchgemeinde muss ohne Orgelbegleitung auskommen. In Groß-Siegharts schlug Anna Weidenauer fast vierzig Jahre lang die Orgel, sommers wie winters. Dabei sind ihr, wie sie sagte, auf der unbeheizten Orgelempore manchmal fast die Finger und Zehen abgefroren. Pfarrer Josef Pichler sah mit zunehmender Sorge ihrer Pensionierung entgegen, die sie ohnedies lange Jahre hinausschob.
Fortuna hilft weiter
Es war wirklich ein Zufall, dass Pfarrer Pichler bei einer Wallfahrt nach Lourdes von der neuen Erfindung des Ingenieurs Klaus Holzapfel aus Deutsch-land hörte. Holzapfel, selbst Organist, sah, wie die Orgelmusiker im Land immer knapper wurden. Kirchenmusik über Lautsprecher abzuspielen war für ihn jedoch unbefriedigend. Das Problem ließ ihm keine Ruhe, und so machte er sich daran, Abhilfe zu schaffen. Nach vierjähriger Konstruktionsarbeit mit Tüfteln und Probieren war sie geboren, die Organola. Sie ist eigentlich ein auf die Tastatur der vorhandenen Orgel aufgesetztes elektromechanisches Zusatzgerät, das mittels kleiner Füßchen die in der Melodie vorgegebenen Tasten drückt. Der Recorder liest die Daten ab Speicherkarte und schickt sie über ein Kabel an die Organola, die dann tut, was ihr befohlen – wodurch das Instrument, die eigene, gewohnte Orgel, gespielt wird. Die Organola muss für jede Orgel extra gebaut werden und die genaue Breite der Tastatur haben.
Der musikalische Spielplan kann bei Bedarf lange vorher zusammengestellt werden und ist danach mittels Fernbedienung leicht zu starten. Anders als beim Orgelspiel braucht hier niemand unmittelbar anwesend zu sein, das Starten der Musik funktioniert auch aus mittlerer Distanz, etwa von der Sakristei aus. Es musste also nur noch jemand gefunden werden, der bereit war, sich sowohl mit dem Musikprogramm als auch mit der Technik zu beschäftigen.
Aus der Organistin wird eine „Organolistin“
Für die Programmierung und Bedienung der Groß-Sieghartser Organola, übri-gens der ersten in Niederösterreich, fand sich Trixi Buxbaum. Als gelernte Bankkauffrau ist sie mit Computern durchaus vertraut – und als regelmäßige Kirchgängerin auch mit dem Kirchengesang. So konnte Buxbaum die Aufgabe übernehmen und nach Anna Weidenauer für einen nahtlosen Übergang in der Orgelbegleitung sorgen. Sie kann daheim auf ihrem PC für einen Gottesdienst selbst die Lieder zusammenstellen – die Musikstücke, die von namhaften Organisten eingespielt wurden, lassen sich dann auf eine kleine Speicherkarte laden.
Es kann schneller oder langsamer gespielt werden, je nachdem, wie die Kirchenbesucher gerne singen. Lauter kann nicht eingestellt werden, und zusätzlich die Pedale zu spielen geht nicht (es wird aber ohnedies vierstimmig gespielt). Zu den vorgegebenen Registern können noch zusätzlich Register händisch gezogen werden. Für dieses etwas teurere Modell hat sich, zur großen Freude von Diakon Otmar Ableidinger der Pfarrgemeinderat einstimmig ausgesprochen.
An Orgelstücken steht das gesamte „Gotteslob“, das Kirchengesangsbuch, zur Verfügung. Und falls Trixi Buxbaum einmal nicht weiß, was gespielt werden soll, kann sie auf die minutiös genauen Eintragungen der Mesnerin Berta Litschauer zurückgreifen, die jahrelang die am Sonntag von Anna Weidenauer gespielten Lieder aufgeschrieben hat. Zudem schickt Ing. Holzapfel auch immer wieder neu eingespielte Lieder.
Die Anschaffung einer Organola beläuft sich zwar auf einige Tausender, aber ein jahrelang bezahlter Organist kommt ja auch nicht gerade billig. Die Organola ist ein Wunderwerk – wenngleich ein guter Musiker mit seinen Interpretationen, spontanen Improvisationen, Tremolos und kunstvollen Trillern unerreicht bleiben muss. Aber dafür gibt es ja noch immer Organisten, die bei Konzerten solche Highlights schaffen. Und die Organola kann relativ unkompliziert abgenommen werden, um einem Organisten freie Hand zu lassen.
Mit der stilvollen Begleitung des Kirchengesangs durch die Organola hätte jedenfalls auch ein Johannes Christoph Ferdinand Graf Mallenthein seine helle Freude...