Ohne Zweifel ist die „Temesvarer Zeitung“ (TZ) als wichtigste und langlebigste Banater deutschsprachige Tageszeitung einzuschätzen. Das belegen auch die zwei Bücher, die sich mit der Bedeutung des Blattes beschäftigen und die als grundlegende Nachschlagewerke dazu gelten (von Dr. Alexander Krischan über die „Temesvarer Zeitung“ als Geschichtsquelle bzw. Eduard Schneider zur Literatur in dieser Zeitung). Diese bürgerlich-liberale überkonfessionelle und überparteiliche, aber immer patriotische Tageszeitung, die aus einem Amtsblatt hervorgegangen ist, überlebte beide Weltkriege und konnte auch nach wenigen Jahren ihr erstes ernsthaftes Konkurrenzblatt („Neue Temesvarer Zeitung“) 1912 vereinnahmen. Sie erschien fast ein Jahrhundert lang: von Januar 1852 bis April 1949 (als erste Temeswarer und Banater Tageszeitung).
Weitgehend unbeachtet blieben von der Forschung bisher die großen Banater deutschnationalen Tageszeitungen, über die es keine Studien oder Monografien gibt. Dabei konnte die wichtigste unter ihnen, die „Banater Deutsche Zeitung“, beachtliche Erfolge aufzeigen und breite Bevölkerungsschichten erreichen. Zählt man die Jahrgänge der Vorgänger und des Nachfolge-Blattes zusammen, kommt man trotz kriegsbedingter kurzer Unterbrechungen auch auf nahezu 100 Jahrgänge.
Die vor 95 Jahren (April 1925) gegründete „Banater Deutsche Zeitung“ mit Redaktion und Verwaltung in der damaligen Temeswarer Eminescu-Straße Nr. 1 (bzw. im Deutschen Haus) war der unmittelbare Nachfolger und Fortführer der Banater „Schwäbischen Volkspresse“. Trotz mehrerer Konkurrenzblätter hielten und erklärten sich beide als „Zentralorgane“ für alle Banater Deutschen. Ernsthafte Konkurrenten waren über die ganze Periode die „Temesvarer Zeitung“, die „Arader Zeitung“ (1920-1944, unter Druckereibesitzer, Chefredakteur und Gründer Nikolaus Bitto, 1894-1962) sowie das zu wenig beachtete „Banater Tagblatt“ (bis 1944). Die Berglanddeutschen hatten in der Zwischenkriegszeit keine Tageszeitung, die als Konkurrent von Bedeutung war.
Sowohl die konservative „Volkspresse“, die unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg aus der patriotischen „Südungarischen Reform“ hervorgegangen war (ab 18. Februar 1919), wie auch die „Banater Deutsche Zeitung“ galten als Sprachrohr der „Schwäbischen Volksgemeinschaft“, sodass es vielfach über die letztgenannte Publikation überbetont hieß, sie wäre schon lange vor der Zwangs-Gleichschaltung 1941 durch die Volksgruppenführung politisch weitgehend gleichgeschaltet gewesen als „Selbsthilfe-Organ“. Die langjährigen Hauptakteure der „Banater Deutschen Zeitung“ ab der Gründung im Frühjahr 1925, die viele der heute älteren Generation noch gekannt haben – siehe die Namen zum Foto von vor 90 Jahren –, wurden leider zu Lebzeiten diesbezüglich nicht befragt. Einige unter ihnen, wie Robert Reiter (Franz Liebhard, 1899-1989), machten auch noch bei der Nachfolge-Tageszeitung mit, bei der gleichgeschalteten „Südostdeutschen Tageszeitung“, Ausgabe Banat (ab März 1941). Der zweisprachige Band zum 80. Geburtstag Liebhards von Nikolaus Berwanger über „Ein Schriftstellerleben“ war damals nicht der günstige Moment zu solchen Hinterfragungen.
Weil sie sich nicht gleichschalten ließen, wurden die wichtigen Tagesblätter „Temesvarer Zeitung“ und „Arader Zeitung“ im Frühjahr 1941 behördlich eingestellt. Am 23. August 1944 erschien dann als Nummer 201 die letzte Ausgabe der nationalsozialistischen Banater „Südostdeutschen Tageszeitung“. Chefredakteur Robert Reiter wurde am 15. Januar 1945 für drei Jahre in die Sowjetunion zur Zwangsarbeit verschleppt, Nikolaus Haupt, der zwischenzeitlich zwei andere Zeitungen in Temeswar gegründet und bis 1944 geführt hatte (die wichtigste bzw. bekannteste war „Neueste Nachrichten“), wurde mehrfach verhört und in Untersuchungshaft genommen und entkam einem politische Prozess nur dank des Einsatzes eines jüdischen Freundes aus Arad. Er erhielt jedoch Schreib- und Berufsverbot und arbeitete bis zum Eintritt in den Ruhestand als unqualifizierter Arbeiter in einer Temeswarer Fabrik. Einige Jahre war auch der Hatzfelder Publizist und Dichter Peter Jung hauptamtlicher Redakteur. Zu den Hauptamtlichen der Anfangszeit zählte der stadtbekannte Schöpfer der Gestalt des „Josefstädter Franzl“, Heinrich Büchelbauer, ein gelernter Schriftsetzer, der 1925 in die Gründer-Redaktion eintrat, dann ab Mai 1932 bis zu seinem plötzlichen Tod 1933 bei der Konkurrenz „Temesvarer Zeitung“ tätig war. Büchelbauer stammte aus Großkikinda, wo er am 4. Mai 1877 geboren wurde. Einen ersten Schlaganfall erlitt der Witwer im Redaktionsbüro der „Temesvarer Zeitung“ 1932, ein Jahr später setzte ein zweiter seinem Leben ein Ende.
Zu Unrecht vergessen ist der sechste auf dem Foto (ganz rechts): Albert Jancsus. Über seine journalistischen Anfänge ist mir wenig bekannt, denn er war Quereinsteiger. 1907 in Orawitza in einer deutschböhmischen Familie geboren, kam er nach Temeswar, wo er bei der Wollindustrie den Meister gemacht und eine Schwäbin aus Schag (geborene Augustin) geheiratet hatte. Eine Zeit wirkte er beim Verlag Morawetz mit, brachte unter anderen selbst in Temeswar einige Jahrgänge des zweimal monatlich redigierten „Blatt der Frau“ heraus (erschien von 1934 bis Anfang 1945). Nach dem Krieg versteckte sein Kollege Ernst Schuller ihn längere Zeit vor den Sowjets. Danach war er als unqualifizierter Arbeiter in der Bierfabrik angestellt, bei der Leder-Fabrik schaffte er es dann in die Buchhaltung, sodass er dem Sohn Walter ein Ingenieur-Studium ermöglichen konnte. Infolge eines schweren Asthma- und Lungenleidens musste Albert in Krankenrente gehen, er verstarb 1968. Auf dem letzten Weg zum Elisabethstädter Friedhof begleiteten ihn auch die zwei früheren Journalistenkollegen Aristid Lovas (TZ) und Robert Reiter.
Nicht nur vom Inhalt und der Verbreitung her ist die „Banater Deutsche Zeitung“ zu den bedeutendsten Presseerzeugnissen der Banater Deutschen zu zählen, sondern auch wegen des Einsatzes für die Interessen der Gemeinschaft und der Minderheiten im Land, heute zudem als wichtige Quelle zur Geschichte des historischen Raumes und zum Kultur- und Alltagsleben im Banat. Bei dieser banatdeutschen Zeitung gab es im „schwäbischen Blätterwald“ erwiesener Weise die erste fest angestellte Frau als Kulturredakteurin, die Lyrikerin und Schriftstellerin Annie Schmidt-Endres (Lenauheimerin, 1903-1977). Die monatliche Beilage „Frauenblatt“ wurde von Margarethe Quint (Hatzfelderin, 1898-1977) redigiert. Einige der späten Jahrgänge können digital im Internet gelesen werden, z. B. November 1936 bis Dezember 1939 aus dem Bestand der Justus-Liebig-Bibliothek. Ifa Stuttgart verfügt über eine fast vollständige Sammlung der Print-Ausgabe dieser Zeitung.
Die großformatige „Banater Deutsche Zeitung“ hatte meist 8, oft 16 Seiten, war reich illustriert und kostete über lange Zeit 3 Lei oder 70 Lei im Monatsabonnement. Sie erschien täglich außer an Sonn- und offiziellen Feiertagen. Chefredakteur (Hauptschriftleiter) war die längste Zeit Robert Reiter, Verantwortlicher Schriftleiter mehrere Jahre Ernst Schuller, Siebenbürger Sachse (geboren 1892 in Tekendorf bei Bistritz – gestorben 1953 in Temeswar), auch Mitarbeiter der „Neuesten Nachrichten“ unter Nikolaus Haupt, und nach dem Zweiten Weltkrieg der „Temesvarer Zeitung“ und der sozialdemokratischen „Freiheit“. Die letzten Lebensjahre stand er als Stallknecht auf der Lohnliste der Freidorfer Zuckerfabrik, schrieb mir die Tochter Dorothea Schuller 1994 aus Temeswar.
Eigentümer der „Banater Deutschen Zeitung“ war der Verlag der Schwäbischen Aktiengesellschaft mit Geschäftsführer und Verwaltungsleiter Dr. Peter Geiss. Anfangs erschien die Zeitung ohne Jahrgangsangabe. Ab dem 20. Jahrgang (Eigenzählung) 1938 musste im Zeitungskopf, wie bei anderen Minderheitenzeitungen, der Ausgabeort auch rumänisch geführt werden (Timișoara-Temesvar), in den letzten Erscheinungsjahren durfte nur die rumänische Ortsbezeichnung erscheinen.