Am ersten nachösterlichen Mittwoch nach katholischem und protestantischem Kalender bzw. am orthodoxen Karmittwoch fand im Bukarester Athenäum ein Sinfoniekonzert mit dem Orchester der Philharmonie „George Enescu“ statt, das zur Abwechslung einmal von einem seiner eigenen Mitglieder geleitet wurde. Adrian Petrescu, seit 1990 erster Oboist des rumänischen Spitzenorchesters, schwang an diesem Abend den Taktstock, nicht zum ersten Mal freilich, wovon seine zahlreichen Engagements als Gastdirigent in Rumänien, Deutschland und ganz Europa bis in die Türkei (Istanbul, Ankara) beredtes Zeugnis ablegen.
Auf dem Programm des Konzertabends standen Werke von Johann Gottfried Händel und Wolfgang Amadeus Mozart. Solistin an der Walcker-Orgel des Bukarester Athenäums war Ursula Philippi, die von 1985 bis 2014 als Kantorin der Evangelischen Kirchengemeinde A.B. Hermannstadt/Sibiu an der Hermannstädter Stadtpfarrkirche ihren Dienst versah und die dortige Sauer-Orgel, die größte Orgel Siebenbürgens, regelmäßig zum Klingen brachte. Neben ihrer Tätigkeit als Orgelprofessorin und Orgelsolistin mit Konzertreisen durch ganz Europa und Asien bis nach Japan, neben ihren Aktivitäten als Jurorin, Musikjournalistin und Herausgeberin unbekannter Musik aus Siebenbürgen, widmet sich Ursula Philippi vor allem der Rettung und Restaurierung von Orgeln in Siebenbürgen, die in ihrem wertvollen Bestand akut gefährdet sind.
Der Konzertabend im Bukarester Athenäum wurde vom Orchester der Philharmonie „George Enescu“ unter der Leitung von Adrian Petrescu mit zwei Suiten aus der Wassermusik von Georg Friedrich Händel eröffnet, die der Komponist für eine Lustfahrt des aus der deutschen Residenzstadt Hannover gebürtigen britischen Königs Georg I. auf der Themse komponiert hatte, wobei dem britischen Monarchen die Wassermusik, die er am 17.7.1717 während jener Bootsfahrt hörte, so sehr gefiel, dass er einzelne Teile des in sich vielfach untergliederten Werkes damals mehrfach wiederholen ließ. Adrian Petrescu führte das Orchester gewandt durch das vielfältig in sich differenzierte Werk, das mit seinem beständigen Wechsel von Tanzsätzen nach dem Prinzip „variatio delectat“ für abwechslungsreiche Unterhaltung und mannigfaltigen Hörgenuss sorgt. Nicht von ungefähr gehört Händels Wassermusik, neben seiner über dreißig Jahre später komponierten Feuerwerksmusik, zu seinen beliebtesten Werken und zu den Glanzstücken der Gelegenheitsmusik überhaupt. Großen Wert legte Adrian Petrescu bei seiner Interpretation der Händelschen Wassermusik auf den Dialog, so etwa auf das lebendige musikalische Zwiegespräch zwischen den Instrumentengruppen der Bläser und der Streicher, die unter seinem Dirigat sehr einfühlsam und sensibel aufeinander reagierten.
Dieses Charakteristikum des Dialogs war auch kennzeichnend für das zweite Werk des Konzertabends, Johann Gottfried Händels Konzert für Orgel und Orchester in B-Dur op. 7 Nr. 1 (HWV 306), das dieser im Februar 1740 zu Papier brachte und das bereits zehn Tage nach Vollendung der Komposition in London uraufgeführt wurde. Vor allem der groß angelegte erste Satz des viersätzigen Werkes (in der neuen Händel-Ausgabe besteht es aus fünf Sätzen), der außerdem durch sein obligates Pedal besticht, ist in besonderer Weise dialogisch angelegt, wobei die Orgel hier von Anfang an die Führung übernimmt und als treibende Kraft wirkt, während das Orchester im Sinne eben dieses Dialogs musikalisch reagiert und antwortet. Ursula Philippi schöpfte dabei den Klangreichtum der 1939 erbauten und 2008 renovierten Walcker-Orgel im Bukarester Athenäum voll aus, indem sie ihr stupendes organistisches Können vor allem auch in der Differenziertheit ihrer Registrierung aufblitzen ließ. Der Dialog zwischen Soloinstrument und Orchester, der kompositorisch bereits angelegt ist, wurde dadurch noch reicher, vielfältiger und strahlender. Ohne Pause reihten sich die einzelnen Sätze des Orgelkonzerts unmittelbar aneinander, sodass die Spannung des Händelschen Werkes während der ganzen Aufführung, bei der man die virtuose Manual- und Pedalbehandlung der Solistin vollauf genießen konnte, erhalten blieb, von den Anfangssätzen bis zum Schlusssatz, dem ein wunderbares instrumentales Rezitativ vorausgeht.
Um sich für den anhaltenden und verdienten Applaus zu bedanken – Solistin und Dirigent bekamen jeweils eine Rose überreicht, wobei den gleich darauf eingehändigten großen Blumenstrauß merkwürdigerweise der Herr erhielt –, setzte sich Ursula Philippi noch einmal an den Spieltisch und zelebrierte, dabei in B-Dur bleibend, den Schlusssatz „allegro maestoso“ der vierten der insgesamt sechs Orgelsonaten op. 65 (MWV 59) von Felix Mendelssohn Bartholdy. Mit majestätischen Akkorden ließ Ursula Philippi bei dieser Zugabe die beeindruckende Klangfülle der Walcker-Orgel noch erhabener erstrahlen, gerade mit dem Werk jenes deutschen Komponisten, der sich in der deutschen Musikgeschichte nicht nur um die Renaissance der Werke von Bach und Händel verdient gemacht hat, sondern überdies um die Reinthronisierung der Königin der Instrumente ein ganzes Säkulum nach dem Ende des musikalischen Barock.
Nach der Pause stand dann zum Abschluss des Konzertes die letzte Sinfonie Wolfgang Amadeus Mozarts auf dem Programm, jene Sinfonie in C-Dur, die in der alten Mozart-Ausgabe die Nummer 41 trägt, im Köchelverzeichnis unter der Nummer 551 geführt wird und die erstmals Anfang des 19. Jahrhunderts den Beinamen Jupitersinfonie verliehen bekam. Gelegentlich wird Mozarts 41. Sinfonie auch mit dem Beinamen „Sinfonie mit der Schlussfuge“ belegt, der auf den Schlusssatz der Jupitersinfonie anspielt, in dem die barocke Kunst der Fuge mit den Mitteln der klassischen Sonatenhauptsatzform im galanten und zugleich monumentalen Stil gleichsam überboten wird. Insofern knüpfte die Jupitersinfonie auch thematisch an die vor der Pause dargebotenen barocken Werke an, und das „soli deo gloria“ der Barockkomponisten wurde hier durch das klassische Bekenntnis zu einer antiken Gottheit ergänzt, welches der österreichische Dirigent und Musikwissenschaftler Kurt Pahlen mit Bezug auf Mozarts 41. Sinfonie folgendermaßen in Worte fasste: „Hier ist Jupiter Gebieter über Welt und Welten, Schöpfer der absoluten Schönheit, Symbol von Gleichmaß und Vollendung.“
Adrian Petrescu und das Orchester der Philharmonie „George Enescu“ brachten den sinfonischen Reichtum dieses Mozartschen Hauptwerkes dabei voll zur Geltung, nicht nur durch ihr vom Dirigenten befördertes sensibles Zusammenspiel, sondern auch durch dessen Einsicht in die Struktur des Werkes wie durch die perfekte Beherrschung und gekonnte Ausführung der einzelnen Stimmparts seitens der philharmonischen Instrumentalisten.