Das zu Ende gehende 20. Jahrhundert hatte als Folge von Nationalsozialismus, Kommunismus und vielen Rassenkämpfen unzählige Martyrer hervorgebracht. Diese Frauen und Männer, die für ihren Glauben litten und starben, nicht zu vergessen, war ein Anliegen von Papst Johannes Paul II. In seinem Apostolischen Schreiben „Tertio millennio adveniente“ von November 1994 in Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr 2000 trat er energisch dafür ein, das Gedächtnis der Martyrer für die Zukunft zu bewahren. So rief er in seinem Schreiben die katholischen Bischofskonferenzen und Kongregationen auf, bis zum Jahr 2000 ein Martyrologium des 20. Jahrhunderts vorzulegen.
Die Deutsche Bischofskonferenz betraute hiermit Prälat Prof. Dr. Helmut Moll, seit 1998 Beauftragter für Selig- und Heiligsprechungsverfahren im Erzbistum Köln. Unter Einbindung von Diözesanbeauftragten und Mitwirkung zahlreicher Fachgelehrter entstand das zweibändige Hauptwerk mit dem Titel „Zeugen für Christus. Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts“, das in erster Auflage bereits 1999 vorgelegt werden konnte und sich als Teil des Gesamtprojekts der Märtyrergeschichte des 20. Jahrhunderts versteht. Das Werk wurde laufend ergänzt und hatte innerhalb kürzester Zeit, bis 2015, bereits die sechste Auflage erreicht.
Seit 2019 liegt die siebte Auflage vor. Rund 160 Autoren aus dem In- und Ausland haben Lebensbilder von 900 katholischen Martyrern und Martyrerinnen erarbeitet und in vier Kategorien vorgestellt: Gewaltopfer des Nationalsozialismus, des Kommunismus, der Reinheitsmartyrien und Gewaltopfer in den Missionsgebieten (siehe auch www.deutsches-martyrologi-um.de).
Das vorliegende Werk als deutsches Martyrologium umfasst ausschließlich deutsche Christinnen und Christen, was auch Deutsche in Gebieten außerhalb Deutschlands bedeutet. So ist ebenso Südosteuropa leidvoll vertreten. Der zweite Hauptteil unter dem Titel „Blutzeugen aus der Zeit des Kommunismus (ab 1917)“ befasst sich mit Russ-landdeutschen,dem Sudetenland, Albanien und der Slowakei und das sechste Kapitel „Donauschwaben“ präsentiert Angehörige aus jener Gruppe von Deutschen, die seit dem Ende des Ersten Weltkrieges auf Ungarn, Rumänien und Jugoslawien aufgeteilt waren. Viele von ihnen waren gegen das Ende des Zweiten Weltkrieges den Truppen der Sowjetunion und ihren Verbündeten schutzlos ausgeliefert, erlitten Plünderungen und Vergewaltigungen, wurden zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt, wo ein Teil von ihnen in den Arbeitslagern starben, oder sie wurden in ihrer Heimat als politisch unzuverlässige Elemente erschossen.
Das Kapitel folgt der Unterteilung in Östliches Banat, Banat, Batschka, Baranya-Syrmien-Slawonien-Kroatien, Bosnien und ein Unterkapitel ist den Trappisten in Bosnien und Herzegowina gewidmet, die zu Blutzeugen wurden.
Für den Donauschwäbischen Raum (einschließlich drei Vertretern aus der 3. Kategorie, Reinheitsmartyrien) werden an die 50 Zeugen vorgestellt.
Dies mag wenig erscheinen angesichts dessen, dass von Oktober 1944 bis Juni 1945 durch Rachemorde und Säuberungsaktionen 9500 donauschwäbische Männer und Frauen sowie zwischen Dezember 1944 und März 1948 51.000 donauschwäbische Kinder, Frauen und betagte Personen in den Lagern ums Leben kamen. Aber Dokumente und mündliche Zeugnisse, die für diese Zeit Martyrien ausweisen würden, sind nicht leicht zu finden, und ist es schwierig, aus den Berichten der Augenzeugen die kirchlichen Kriterien, die ein Martyrium kennzeichnen, eindeutig herzuleiten.
Ein Blick in den Abschnitt zum östlichen Banat offenbart zwar nur vier Namen, vermittelt aber trotzdem einen Überblick über die Brutalität und Konsequenz der kommunistischen Verfolgung. Seliger Bischof Dr. Johann Scheffler, Erzdechant Johann Kräuter und Pater Paulus Weinschrott starben nach jahrelanger Haft im Gefängnis; Bischof Augustin Pacha wurde als todkranker Mann entlassen, um bald darauf (November 1954) zu sterben. Es werden nicht nur die zum Teil grotesken Anschuldigungen beschrieben, die zur Inhaftierung führten, und die menschenunwürdigen Haftbedingungen, sondern auch die Konsequenz, mit der selbst den Toten der Respekt versagt wurde - Bischof Scheffler fand sein Grab auf dem Gefängnisfriedhof von Jilava, eingewickelt in einen Papiersack.
Da es sich um ein deutsches und katholisches Martyrologium handelt, fehlen naturgemäß die Angehörigen anderer Völker, ebenso wie z.B. evangelische Opfer aus Siebenbürgen, wodurch mancher Abschnitt zu Südosteuropa zu schmal zu sein scheint. Um hier vergleichen zu können, müssen, sofern vorhanden, die anderen Martyrologien herangezogen werden. Erwähnt sei, dass auf Begegnungen mit Prälat Moll in Temeswar und Suceava hin das Martyrologium „Martiri pentru Hristos din România în perioada regimului comunist“ (Bukarest 2007, ISBN: 978-973-616-092-9) erstellt wurde, das methodisch auf dem deutschen Martyrologium aufbaut.
Der (bereits reduzierte) Preis von 99 Euro ist für ein solches Werk nicht zu hoch angesetzt, mag aber eine Hemmschwelle für einen nicht wissenschaftlichen Leser sein. Es sei hier auch auf das von Prälat Moll erstellte Einführungsbuch „Die katholischen deutschen Martyrer des 20. Jahrhunderts. Ein Verzeichnis“ (Paderborn u.a. 1999) verwiesen, das alle Banater Glaubenszeugen namentlich aufführt und seit Juli 2005 in vierter Auflage vorliegt (durchges. 2005, ISBN 978-3-506-75777-7, 100 Seiten; 15,90 EUR): es enthält in tabellarischer Form Kurzdaten zu über 700 Glaubenszeugen, ein Porträtfoto der mit einer Kanonisation Verbundenen sowie ein ausführliches Personen- und Ortsregister.
Prälat Moll legt hier ein beachtliches Werk vor, nicht nur hinsichtlich der wissenschaftlichen Genauigkeit und sorgfältigen Recherche, wobei die detaillierten Inhaltsverzeichnisse, der differenzierte Index im II. Band aus mehreren Personenregistern, die theologische Einführung, Geleitwort und Vorworte zu den früheren Auflagen im I. Band, die Verzeichnisse der Diözesanbeauftragten und Autoren, Quellen und Literatur, das Ortsregister, Abkürzungen und Zeichen, nicht zuletzt das Verzeichnis der Abbildungen die Handhabung des umfangreichen Werkes benutzerfreundlich gestalten. Die beiden Bände bezeugen zwar mit jeder Biografie die Grausamkeit, zu der Regime und Menschen fähig sind, aber auch die Hoffnung aus der Treue, mit der Menschen ihrem Ideal verbunden blieben, und die uns aufruft, zu unserer je eigenen Verantwortung zu stehen.
Es bleibt, Prälat Moll und seinen Mitarbeitern für dieses aufschlussreiche Nachschlagewerk zu danken und den Bänden gute Verbreitung zu wünschen – gegen das Vergessen! (hs)