Diese Woche finden in Temeswar die Tage des deutschen Schwarz-Weiß-Films statt. Einige der wichtigsten deutschen Filme aller Zeiten werden in der Eugen-Todoran-Zentralbibliothek aufgeführt. Die Veranstalter wollen dadurch die Filmkultur fördern. Die in Temeswar fehlt.
Mit Edvard Griegs „In der Halle des Bergkönigs“ bricht Fritz Lang das Schweigen des deutschen Stummfilms. Schaudernd verfolgt das Lied die Zuschauer, genau wie der geisteskranke Serienmörder Hans Beckert seine Opfer. Angst treibt den Triebtäter. Die gleiche Angst, die schnell ganz Berlin überfällt, in Langs Thriller „M“. Als Meilenstein der deutschen Filmgeschichte wird Langs erster Tonfilm gefeiert. Ein großer Kriminalfilm, der gleichzeitig eine Gesellschaftsstudie über Deutschland in der Zwischenkriegszeit liefert, bevor die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Selbst 81 Jahre später bleiben die moralischen und ethischen Fragen, die der Film stellt, hochaktuell. Als wäre „M“ erst gestern erschienen.
Trotz seiner filmgeschichtlichen Bedeutung tut sich Langs Film heute schwer, die breite Masse zu begeistern. Gegen aktuelle Hollywood-Kassenschlager kommt „M“ nicht an. In Temeswar werden die großen Klassiker übersehen. Bedeutende Kunstfilme werden gar nicht gezeigt. Dafür fehlt der notwendige Kinosaal. Das Cinema City Kinoplex ist inzwischen die einzige Option für Kinogänger. Auf Filme von Ingmar Bergman, Andrei Tarkovski oder Jean Renoir wartet man vergeblich. Da sah es vor 1990 anders aus, meint Marian Rădulescu. Dem Filmexperten fehlt es an Filmvorführungen mit Anspruch. Seiner Meinung schließen sich viele Cinephile an. Auch die Blogger Lucian Mircu und Richard Ilie wollen in Temeswar mehr sehen, als bloß den letzten Michael-Bay-Streifen, der auf große Explosionen und dumme Dialoge setzt. Darum gründeten sie den Verein „Marele Ecran“ (dt. „große Leinwand“). Ihr Ziel: Die Einrichtung einer Kinemathek und eines adäquaten Vorführraums für die bedeutendsten Filme aller Zeiten. Der Verein befindet sich seit vier Jahren in einer konstanten Entwicklungsphase. Schritt für Schritt tastet man sich langsam an das Ziel heran. Denn zuerst müsse man, so Mircu, für die Idee ordentlich werben und die richtigen Leute davon überzeugen.
Als Argument geben die Filmenthusiasten diverse Veranstaltungen an, die in Zusammenarbeit mit oder unabhängig von ihnen in der Stadt an der Bega organisiert werden. Alle großen Filmfestivals der Stadt haben ein Problem: Sie verfügen nicht über den notwendigen Veranstaltungsort.
„ZFANG!“ entspricht ganz dem Vorhaben der Filmexperten von „Marele Ecran“. Die Tage des deutschen Schwarz-Weiß-Films entstanden auf Eigeninitiative von Peter und Andreea Erli, Lucian Mircu und Marian Rădulescu. „Es ist unser Abschiedsgeschenk“, meint das Ehepaar Erli. Der DAAD-Lektor und seine Frau hatten vor drei Jahren das Studentenfilmfestival „Cine Cultura“ wiederbelebt. Die dritte Auflage füllte im März die Aula Magna der West-Universität an jedem Vorführungsabend. Sieben Tage lang liefen neun europäische Filme. „ZFANG!“ ist bescheidener: An nur vier Tagen werden vier Filme gezeigt. „Es ist was anderes als Cine Cultura“, sagt Peter Erli. „Diesmal richten wir uns nicht an ein Massenpublikum“, ergänzt Andreea. Die Filmvorführungen sind den Cinephilen der Stadt gewidmet, die eine schwere Kost wie „M“ auch verdauen können. Entgegen des unglücklichen Klangs des Akronyms „ZFANG!“, woraus der Deutsche schnell das Wort „Zwang“ heraus versteht, soll die Veranstaltung für Kenner ein Genuss sein.
Die Aula der Eugen-Todoran-Zentralbibliothek wurde nicht gefüllt. Die Publikumszahl blieb überschaubar. „Mehr sollte es auch nicht sein“, findet Mircu. Doch gerade hier liegt das Problem. „So lange die breite Masse kein Interesse zeigt, wird auch die Stadtverwaltung nichts unternehmen“, wurde der Leiter von TVR Timişoara, Lucian Ionică, zitiert. Darum muss weiterhin die Aula der Zentralbibliothek als Kompromisslösung dienen. Ton- und Bildqualität werden dabei geopfert. Die Tage des deutschsprachigen Schwarz-Weiß-Films wurden vom Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) gefördert. Auch das Unternehmen Continental unterstützt die Veranstaltung finanziell. Durch die Zusammenarbeit mit Kulturinstituten erhofft sich der Verein „Marele Ecran“ die notwendigen Filmrechte zu erhalten, um eine Kinemathek einrichten zu können.
„ZFANG!“ bringt einige der wichtigsten deutschen Schwarz-Weiß-Filme nach Temeswar. Neben „M“ auch Friedrich Wilhelm Murnaus Fantasy-Drama „Faust“, Wim Wenders „Der Himmel über Berlin“ und der erste animierte Langfilm „Die Abenteuer des Prinzen Achmed“. Die offizielle Eröffnung der Filmtage fand am Sonntag in der Banater Philharmonie statt. Die bekannte Musikgruppe „Trio Contraste“ vertonte live F.W. Murnaus Stummfilm „Tabu“. Der besondere Abend wurde nicht von den vier Organisatoren von „ZFANG!“ veranstaltet. Darum dürfte als inoffizielle Eröffnung die Filmvorführung von Montag gelten. Mit „M“ wurde dafür der passende Film ausgesucht. „Wenn man mit Leuten zusammenarbeitet, denen es um die Filme geht und die eine Ahnung davon haben, dann ist das eine einmalige Erfahrung“, meint Peter Erli über die Mitveranstalter von „Marele Ecran“. Ursprünglich sollten die Filmtage dem deutschen expressionistischen Film gelten. Auch der Stummfilm sollte, ausgehend von dem Oscar-prämierten Film „The Artist“ im Zentrum stehen. Am Ende entstand ein gemischtes Programm aus unterschiedlichen Genres und aus unterschiedlichen Filmepochen. Was sie alle miteinander verbindet ist die Sprache und der Schwarz-Weiß-Charakter der Filme.
An eine mögliche zweite Auflage wurde noch nicht gedacht. Überhaupt sehen die Veranstalter „ZFANG!“ nicht als zweites „Cine Cultura“ an oder als eine Festveranstaltung, die Einzug in das kulturelle Geschehen der Stadt finden soll. Der DAAD-Lektor Peter Erli reist im Sommer zurück nach Deutschland zusammen mit seiner Familie. Sollte es im nächsten Jahr eine Fortsetzung geben, so würde sie allein auf den Schultern von Mircu und Rădulescu ruhen.
Unbestreitbar bleibt, wie immens wichtig Veranstaltungen wie „ZFANG!“ für Temeswar sind, finden die Organisatoren. „Es schickt sich nicht, dass wir den Anspruch erheben, Kulturhauptstadt Europas zu werden, ohne die Filmkunst angemessen zu würdigen“, sagt Mircu. „ Ich bin selber Vater und möchte, dass meine Tochter auch mit Filmen aufwächst, die anspruchsvoll und wirklich gut sind.“
Die Tage des deutschen Schwarz-Weiß-Films werden mit dem animierten Langfilm „Die Abenteuer des Prinzen Ahmed“ von Lotte Reiniger ihren Abschluss finden.