Kein geringerer als der bedeutende Philosoph, Historiker und Sprachforscher Gottfried Wilhelm Leibniz ist es gewesen, der Ende des 17. Jahrhunderts den Wunsch geäußert hatte, eine Sammlung siebenbürgisch-sächsischer Wörter zu erhalten. Diese Sammlung sollte ein Hilfsmittel zur Lösung wichtiger geschichtlicher Fragen sein, die zu jener Zeit die geschichtliche Forschung bewegten. Dazu gehörte die Frage, woher die deutschen Siedler Siebenbürgens stammen, welches ihre eigentliche Urheimat ist. Diese suchte man mit Hilfe der Sprachforschung zu lösen.
Der Wunsch des Sprachforschers geht jedoch erst in der zweiten Hälfte des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Erfüllung, ein Zeitraum, in dem zu-nächst handschriftliche Wortschatzsammlungen entstehen. Den Beginn der gedruckten siebenbürgisch-sächsischen Wörterbuchproben und -vorarbeiten finden wir aber erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, auf südsiebenbürgischem Gebiet vertreten durch die Namen Johann Karl Schuller, Josef Haltrich und Johann Wolff; auf nordsiebenbürgischem Gebiet durch Georg Bertleff, Friedrich Kramer, Georg Keintzel und Gustav Kisch. Letztlich ist es der Sprachforscher Johann Wolff (1844 –1893), der alles, was bisher in Druckschriften veröffentlicht oder handschriftlich gesammelt worden war, auf einzelne Zettel exzerpiert und in 26 Mappen ordnet, die 10.000 Zettel enthalten. Dieses wertvolle Erbe an Wörterbuchmatrial wurde nach Wolffs frühem Tode vom Verein für siebenbürgische Landeskunde dem Volkskundler und Sprachforscher Adolf Schullerus (1864–1928) übergeben, der dann 35 Jahre lang die Wörterbucharbeit als treibende Kraft, führender Geist und fruchtbarster Ausarbeiter maßgebend bestimmt.
Vom „Siebenbürgisch-Sächsischen Wörterbuch“, das einen im Untergehen begriffenen Dialekt dokumentiert, der viele altertümliche Sprachzüge bewahrt hat, die von den Mundarten im deutschen Sprachraum nicht mehr belegt werden können, sind bisher folgende Bände anzuführen: Zwischen 1924 und 1926 die beiden ersten Bände (A–C) und D–F) und vom fünften Band (alte Folge) zwischen 1929 und 1931 zwei Lieferungen (R–Salarist). Nach einer Unterbrechung von vierzig Jahren wurden zwischen 1971 und 1975 der dritte Band (G), der vierte Band (H–J), der fünfte Band (K) vorgelegt. Nach einer längeren Pause wurde 1993 der sechste Band (L) publiziert. Der siebente Band (M) ist 1998, der achte Band (N–P) 2002, der neunte Band Q–R) 2006 und der zehnte Band (S–Schenkwein) 2014 erschienen.
Der vorliegende 11. Band des Wörterbuchs, der die Wortstrecke (Schentzel–Schnappzagelchen) erfasst (auf dem Umschlag und der Buchpappel konnte aus Platzmangel die Titelei nur abgekürzt gebracht werden), ist im Rahmen des Hermannstädter Forschungsinstituts für Geisteswissenschaften, das der Rumänischen Akademie Bukarest unterstellt ist, bearbeitet worden. Dessen Direktor ist seit Herbst 2018 Prof. Dr. Rudolf Gräf. Wie die bisher erschienenen Bände will auch dieser Band den Sprachschatz der Siebenbürger Sachsen vom lautlichen, grammatikalischen und bedeutungsmäßigen Standpunkt aus erfassen und nach wissenschaftlichen Grundsätzen wiedergeben.
Das Siebenbürgisch-Sächsische, dem rund 243 Mundarten angehören, ist ein westmitteldeutscher Dialekt, der zu den fränkischen Mundarten des Mittelrheingebietes gehört. Die meisten lautlichen und sprachlichen Eigenschaften hat dieser Dialekt mit jenen Mundarten gemeinsam, die zwischen Köln und Trier gesprochen werden, sowie mit dem Luxemburgischen. Dazu kommen spätere ostmitteldeutsche und oberdeutsche Sprachelemente hinzu sowie Lehnwortgut aus den Nachbarsprachen, dem Rumänischen und dem Ungarischen. Diese sprachliche Komponenz der siebenbürgisch-sächsischen Mundarten lässt sich in jedem der angeführten Bände erkennen.
Auch in diesem Band erhält der Leser Informationen über das bäuerliche Alltagsleben und den bäuerlichen Alltagswortschatz. Die mundartliche Volks- und Kunstdichtung wird berücksichtigt, Redensarten, Sprichwörter, Vergleiche, Heilsegen, Zaubersprüche, Rätsel, Kinderspiele werden in anschaulichen Belegen gebracht. Fachausdrücke des siebenbürgisch-sächsischen Handwerks, Spottbezeichnungen, Pflanzennamen (oft verbunden mit Ausführungen zu Volksmedizin und Aberglauben), toponomastische Bezeichnungen (Orts- und Flurnamen) sowie aus dem Rumänischen und Ungarischen und anderen Sprachen übernommene Entlehnungen bereichern den Mundartwortschatz.
Berücksichtigt wurden weiterhin urkundliche Belege aus historischen Quellen und Archiven in deutscher Sprache von der Mitte des 13. Jahrhunderts bis Mitte des 19. Jahrhunderts, die unter dem Gesichtspunkt ihrer Bedeutung für den mundartlichen Einfluss auf die deutsche Schriftsprache in Siebenbürgen oder für die Geschichte der deutschen Sprache als wichtig erschienen. Neben dem im Laufe von über hundert Jahren von qualifizierten bzw. freiwilligen Sammlern zusammengetragenen Zettelarchiv nehmen auch die mundartlichen Erhebungen, die zwischen 1958 und 1970 von den damaligen Bearbeitern des Wörterbuchs (die Namen sind dem Vorwort des Wörterbuchs zu entnehmen) in den meisten Teilen des Mundartgebiets durchgeführt wurden, einen bedeutenden Platz ein. Der gesamte Wortschatz des vorliegenden Werkes ist aber auch mit neuen Stichwörtern sowie Mundartbelegen für den Zeitraum 2000 bis einschließlich 2019 ergänzt worden. Es ist hier leider nicht möglich, alle Gewährspersonen, die sich zur Verfügung gestellt und auch für Rückfragen bezüglich mundartlicher Lautungen bestimmter Stichwörter Auskunft gegeben haben, namentlich anzuführen. Für die erbrachte Geduld und ihren Einsatz möchte ich ihnen herzlich danken.
Bemüht, den Band wei-terhin benutzerfreundlich zu gestalten, wird den seit 1998 erschienenen Bänden entsprechend die Begleitinformation dem eigentlichen Wörterbuchteil vorangestellt. Sie umfasst die überarbeiteten, mit neuen Beispielen versehenen Hinweise zur Anlage und Benutzung des Wörterbuchs, die Erläuterungen zur verwendeten Lautschrift, das Abkürzungs- und Literaturverzeichnis mit einigen Ergänzungen sowie das Ortsnamenverzeichnis. Eine Übersichtskarte aller Gemeinden mit einst sächsischer Bevölkerung liegt als Anhang vor. Dieses Nachschlagewerk richtet sich vor allem an Dialektologen, Sprachwissenschaftler, als auch an Volkskundler, Soziologen, Historiker und an alle an dieser deutschen Sprachinselmundart Interessierte.