Kronstadt/Braşov hatte schon immer eine enge Verbindung zur Fotografie und Fotokunst, eine Tradition, die von dem Museum „Casa Mureşenilor“ am Marktplatz Nr. 25 wiederholt gebührend gewürdigt wurde. So auch in einer bis Mai 2015 geöffneten Ausstellung, deren Gestalter Ovidiu-Constantin Savu uns eine Sonderführung durch die Ausstellung gewährte.
Das Vorhaben, historische Stadtaufnahmen zusammen mit technischen Aufnahmegeräten für Bilder auszustellen, ist etwa zwei Jahre alt. Die Umsetzung erfolgte jedoch erst gegen Jahresende 2014, als aus dem Eigenbestand und nur mit der großzügigen Hilfe mehrere Sammler aus Kronstadt und dem Kreis genügend Material gesammelt werden konnte, um die Verbindung herzustellen zwischen dem Liebhaberfoto für das Familienalbum und Bildern, die historische Bedeutung haben.
Ovidiu-Constantin Savu, Leiter der Geschichtsabteilung des Museums und Gestalter der Ausstellung, erklärte uns vor den Fotos aus der Sammlung der Mure{anu-Familie: „Etwa 200 Fotos haben wir ausgewählt, vorwiegend aus der Familiensammlung, da ihre Bekanntschaften und Beziehungen sie mit Persönlichkeiten in Verbindung gebracht haben, deren Bedeutung für das kulturelle, soziale und politische Leben der Zeit in Kronstadt und Siebenbürgen außerordentlich war. Die Fotos halten Ereignisse und Personen fest, deren persönliche Geschichte ein Teil unserer Gesamtgeschichte ist.“
Jedes Bild erzählt eine Geschichte für sich. Hier einige davon: „Eine Aufnahme aus dem Turm des Rathauses in Richtung Schwarze Kirche zeigt uns einen Sommertag, dem Schatten nach zu urteilen kurz nach Mittag, mit einer Baustelle, die eine genaue Datierung ermöglicht. Besonders interessant ist auch ein Teil des Rahmenberges, auf welchem Bauten zu sehen sind, die sehr wenigen bekannt sein dürften, aus einer Zeit, in welcher es keine mittelalterlichen Weberzünfte mehr gab, die Trockengestelle jedoch noch vorhanden waren und benutzt wurden. Ein anderes Foto entstand auf dem Eisplatz neben der Weberbastei, genauere Einzelheiten über dessen Entstehungsgeschichte kennen wir noch nicht.
Es zeigt den Kronstädter Eislaufverein, einige Damen und mehrere Herren in uniform-ähnlicher Kleidung auf der Fläche des heutigen Olimpia-Platzes. Im Hintergrund hängt aber eine Nachbildung eines Luftschiffes (mit der Aufschrift DLZ 127, das größte von Graf Zeppelin gebaute Modell!). Ein anderer Moment unserer Stadtgeschichte, der hier in einem Foto überlebt hat.“
Fotografen wie Leopold Adler (1848-1924) oder Carl Muschaleck (1857–1904 ) haben auf ihren Fotoplatten Leute, Bauten und Landschaften aus ganz Siebenbürgen verewigt und einige ihrer bekanntesten Aufnahmen finden sich auch in dieser Ausstellung wieder: „Von Carl Muschalek ist uns eine Aufnahme geblieben, und zwar von der Innenseite des Schwarzgässer Tors. Wir haben davon eine Vergrößerung von der handkollorierten Version der als Postkarte vervielfältigten Aufnahme. Es ist eine sehr schöne Aufnahme, die wir von einem Sammler erhalten haben.“
Ein besonderer Übergang vom Familienfoto zu historischen Belegen befindet sich in der Sammlung der Familie Scurtu, deren Geschichte typisch für die ganze Fogarascher Gegend in der Zeit vor und kurz nach dem Ersten Weltkrieg ist: „Diese Fotochronik zeigt uns vier Geschwister, die 1918 nach Amerika auswanderten, um der wirtschaftlichen Not zu entkommen. Die vier jungen Männer, eigentlich waren einige noch fast Knaben, arbeiteten sich empor, um das Geld für Boden, eine Wirtschaft, eine Existenzgründung zu sammeln. Bis 1936 kehrten drei von ihnen zurück und verwirklichten ihren Traum, so wie wir es aus der Bilderserie sehen. Einer blieb in den USA, wo sich ein „amerikanischer“ Zweig bildete, der aber immer in Verbindung mit den hiesigen Verwandten geblieben ist.“
Technische Besonderheiten sind auch gut illustriert, darunter ein Stereoskop der Familie Mure{anu zusammen mit mehreren Bildern. „Das Gerät ist aus Holz mit Metallverbindungen, natürlich Glaslinsen und einem Spiegel. Die Aufnahmen, die mit einer ganz besonderen Fotokamera gemacht wurden, zeigen das Motiv leicht raumversetzt. Durch gleichzeitiges Betrachten durch das Gerät wird die Aufnahme lebendig, heute nennen wird das 3D und haben es in Filmen. Familie Mure{anu hatte eben dieses Gerät und sehr viele Bilder. In die Ausstellung haben wir auch die heutige Version übernommen, und zwar die zweifarbigen Brillen, die man im Kino für 3D-Filme bekommt“, erklärt uns unser Führer schmunzelnd.
Zwei Vitrinen sind übrigens nur den technischen Aufnahmegeräten gewidmet, ein wahrer Streifzug durch die Welt der Fotoapparate: „Da haben wir Kameras mit ausziehbarem Balg und breitem Zelluloid-Film, 35 mm Kameras vom Typ der einst so verbreiteten SMENA bis zu der letzten NIKON mit Film. Einen Zeitauslöser mit mechanischem Uhrwerk, Blitzgeräte aber auch ein modernes Gerät, ein Handy mit Fotoapparat, bei dem der echte Fotograf natürlich die Nase rümpfen wird. Ja, der Weg von den ersten Kameras mit Platten zu den elektronischen Bilddateien von heute ist lang und abenteuerlich.“
Einer Besonderheit, die einen Bogen über die Zeit wirft, ist eine ganze Saalwand gewidmet: Plakativ gibt es eine Vergrößerung aus einem Modejournal um die Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der Clou besteht aus zwei eingebauten Spiegeln im Bereich von Köpfen auf dem Plakat: „Stellen sich zwei Museumsbesucher auf die Markierungen am Boden, so erscheinen ihre Köpfe als Spiegelungen im Bild und wir können ihnen, wenn sie es wünschen, auf unserem Drucker auf der Stelle auch das Foto ausdrucken. Zeugen für die Zukunft, so wie an der Gegenwand Zeugen aus der Vergangenheit sind – eine Familiengeschichte.“
Ovidiu-Constantin Savu beendet die Führung vor einem Monitor, auf dem in Endlosschlaufe etwa 200 Aufnahmen laufen, die Stadtgeschichte widerspiegeln: „Natürlich haben wir für diese Ausstellung unseren Museumsbestand herangezogen, doch wir haben auch viele Gönner, die uns mit Aufnahmen, Objekten oder Sachberatung unterstützt haben. Fotos und Fotozubehör haben wir von Sammlern wie Edmund Vass, Paul Pavel, Stelian Grăjdan, Cristian Mitan oder Dumitru Scurtu ausgeliehen bekommen. Beratung gewährte uns auch bei dieser Ausstellung Gernot Nussbächer dessen genaues Wissen immer gefragt ist.“