Richard Wagners große romantische Oper „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg“ feierte am 26. April in der Nationaloper Bukarest Premiere. Mit dem Klausenburger Operntenor Marius Vlad Budoiu in der Titelrolle wurde das musikdramatische Werk im Rahmen einer vierstündigen Aufführung konzertant dargeboten, mit dem Orchester, dem Chor (Einstudierung: Stelian Olariu) und dem Kinderchor (Einstudierung: Smaranda Morgovan) der Nationaloper Bukarest sowie mit verschiedenen Gesangssolisten unter der Gesamtleitung von Cristian Mandeal am Dirigentenpult.
Nach drei Bukarester Premieren im 20. Jahrhundert, am 7. Januar 1900, am 16. Oktober 1929 und am 27. November 1970, ist dies die erste Bukarester „Tannhäuser“-Inszenierung im 21. Jahrhundert und die vierte überhaupt. Dass die Premierenvorstellung bei Weitem nicht ausverkauft war, zeigt, dass die Wagnersche Musik in Rumänien noch Terrain gewinnen muss, wenn der schwache Besuch nicht etwa nahe legt, dass das rumänische Publikum kein Vertrauen in die Qualität seiner Wagner-Sänger hat, gemäß dem Diktum des russischen Bassbaritons Jewgeni Nikitin: „Du kannst dich nicht Wagner-Sänger nennen, bevor du nicht im Festspielhaus den Mund aufgemacht hast“.
Vielleicht war der schwache Besuch am Premierenabend auch der Tatsache geschuldet, dass Wagners „Tannhäuser“ in dieser Spielzeit in Bukarest nicht mit reicher Opernkulisse und szenischem Spiel, sondern bloß konzertant dargeboten wird. Die Furcht, dass die Aufführung des musikdramatischen Werks aus diesem Grund allzu statisch ausfallen könnte, blieb jedoch unbegründet, denn das Licht- und Videodesign von Adriana Urmuzescu sowie ihre szenischen Arrangements sorgten durchaus für Farbe und Abwechslung.
Noch vor Beginn der Opernaufführung wurden die Zuhörer optisch mit einem Porträt Richard Wagners konfrontiert, projiziert auf einen schwarzen Bühnenvorhang, der die Vorderbühne mit den Notenpulten für die Solisten von der Hinterbühne trennte. Zu Beginn der Ouvertüre erschien dann die berühmte Tannhäuser-Miniatur aus der Manessischen Liederhandschrift, die den Minnesänger in der Tracht eines Deutschordensritters zeigt, gerahmt von aufsteigenden Ahorn- und Eichenranken wie von schwarz-goldenem Helm und Schild.
Die farbigen Videoprojektionen befanden sich, insbesondere während der Ouvertüre, in beständiger Bewegung. Das Tannhäuser-Porträt wurde allmählich von gotischem Rankenwerk eingeschlossen, ruhig dahin fließende Videoanimationen begleiteten dann das musikalische Reue-Motiv, gewannen an Dynamik und Wildheit zu verschiedenen Motiven aus der Welt des Venusbergs, formierten sich zu einem höllischen Höhlenritt, einer traumatischen Tunnelfahrt, kamen schließlich wieder zur Ruhe im musikalischen Motiv des Pilgerzuges.
Auch in den darauf folgenden Akten begleiteten Bilder das musikalische Geschehen: Ein rötliches Spinnennetz versinnbildlichte im ersten Akt der Oper Tannhäusers Gefangensein im Venusberg, im zweiten Akt verdeutlichten Harfensymbole den Wettstreit der Minnesänger auf der Wartburg, schließlich machte eine unmögliche geometrische Figur im Stile der Grafiken M. C. Eschers im dritten und letzten Akt die Unmöglichkeit der Versöhnung von Venus- und Mariendienst, von fleischlicher und geistlicher Liebe sinnfällig.
Gut gelungen war auch das Spiel von Vorder- und Hinterbühne, von frontal agierenden Solisten und im Rückraum befindlichen Chorsängern. Dass allerdings der Chor zuweilen sitzend singen musste, ist ein Sakrileg, das sich, wenn man etwa an den Pilgerchor in der dritten Szene des ersten Aufzugs denkt, auch bitter rächte. Vor allem in dieser Szene tritt der Kontrast von heidnisch-diesseitiger Lebensfreude zum Naturklang der Schalmei einerseits und christlich-jenseitiger Erlösungshoffnung zu liturgischen Melodien andererseits deutlich zutage, der des vollen Körpereinsatzes gerade seitens der Sänger im Pilgerchor bedarf, insbesondere angesichts der Gesangspassagen im Piano.
Überhaupt waren, was den Chor, aber auch einen Teil der Solisten angeht, die im Forte oder Fortissimo gesungenen Stellen durchaus zufriedenstellend, während es in den lyrischen, auf Ausdruck und Stimmkraft (nicht Lautstärke!) basierenden Passagen insbesondere bei den Interpreten der Minnesänger Wolfram, Walther, Biterolf, Heinrich und Reinmar doch deutlich haperte.
Marius Vlad Budoiu als Tannhäuser befreite sich zusehends von den im ersten Akt noch hörbaren Anfangsschwierigkeiten im Zwiegesang mit der passablen Antonela Bârnat als Venus und lief im zweiten und dritten Akt, vor allem in den Duetten mit der glänzenden Iulia Isaev als Elisabeth, zur stimmlichen Hochform auf. Horia Sandu als Landgraf Hermann trug seinen Part gemessen, aber zuweilen undeutlich vor, während Andreea Sali in der Rolle des jungen Hirten einen frischen Akzent setzte.
Cristian Mandeal leitete das musikalische Geschehen umsichtig und mit viel Sinn für Dramatik, sodass die großen Auftritte allesamt hervorragend gelangen, insbesondere der fulminante, gewaltige, apotheotische Schlussauftritt der Oper. In den lyrischen, eher ruhigen und verhaltenen Passagen, die gleichwohl innere Spannung und Dramatik atmen, waren aber durchaus Defizite erkennbar, wenn nicht in der Idee der musikalischen Aufführung, so doch in deren Ausführung. Insgesamt also eine hörenswerte, wenngleich wenig spektakuläre Darbietung der Oper „Tannhäuser“, die durch ein Publikum, das mehr Aufmerksamkeit und Hingabe zeigt, gewiss noch hätte beflügelt werden können.