Vor einiger Zeit hatte die amerikanisch-rumänische Koproduktion „Far from here / Departe de tine“, bei der der australische Filmemacher James Pillion Regie geführt hatte, ihre rumänische Premiere. Das von Indie Productions (Bukarest, Rumänien) und Lunatic Films (Los Angeles, California) gemeinsam produzierte Spielfilmdebüt von James Pillion, der zuvor mit Kurzfilmen und Musikvideoclips an die Öffentlichkeit getreten war, unternimmt den Versuch, zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein können, im Medium des Films zusammenzubringen: Amerika und Rumänien mit Hollywood und Bukarest als Drehorten.
Ein gewisser Verfremdungseffekt ergibt sich daraus, dass der Film, mit Ausnahme des Darstellers des männlichen Protagonisten Grant (Jonathan Ahmadi), durchweg mit rumänischen Schauspielerinnen und Schauspielern besetzt ist. Maia Morgenstern beispielsweise, die als Stepford-Frau der amerikanischen Mittelklasse Jonathans Mutter Dona verkörpert, fühlt sich in diesem Rollenklischee sichtlich unwohl, zumal ihr im Rahmen dieser Rollenvorgabe jegliche Dramatik untersagt ist. Deswegen gestattet ihr das von vier Drehbuchautoren (Jonathan Ahmadi, Jesús del Cerro, James Pillion, J.M.R. Luna) verfasste Filmskript auch gegen Ende des Streifens einen Herzinfarkt mit anschließendem Krankenhausaufenthalt, wo sie ihr dramatisches Pathos – à la Geo Saizescus „Iubire elenă“ aus dem Jahre 2012 – voll und ganz ausleben darf. Da hat es Gelu Niţu als ihr Ehemann und Vater Jonathans schon einfacher, der sich wie in Schockstarre durch den fremdsprachigen Rollentext laviert.
Der Film erzählt die Geschichte des frisch verheirateten amerikanisch-rumänischen Ehepaars Cole – Maria Dinulescu als Sofia mit ihrem Gatten Grant –, das sich mit den typischen Fragen Jungverheirateter herumschlagen muss: Geldsorgen, Streben nach Selbstverwirklichung, Kinderwunsch, Karriereabsichten. Dazu kommt dann noch als besondere Würze die Frage des Aufenthaltsortes des binationalen Paares hinzu. Deshalb ist der amerikanische Filmtitel „Far from here“, zu Deutsch „Fern von hier“, auch besser und angemessener als die rumänische Version „Departe de tine“, zu Deutsch „Fern von dir“, die das Lokaladverb im Filmtitel, man weiß nicht warum, einfach durch ein Personalpronomen ersetzt. Ein weiteres Beispiel für die Willkür der Übersetzer von fremdsprachigen Filmtiteln ins Rumänische!
Zu Beginn des Films scheint sich das Zünglein an der Waage des Karriereglücks zur männlichen Seite des amerikanisch-rumänischen Ehepaares hin zu neigen. Grant, ein junger und hoffnungsvoller Schriftsteller, hat bereits einen Roman veröffentlicht und soeben einen Vorschuss für seinen zweiten Roman zugesagt bekommen. Mit diesem finanziellen Polster in der Hinterhand will er sich nun auch seinen Kinderwunsch mit der in Amerika bislang erfolglos Arbeit suchenden und deshalb auch recht deprimierten Sofia erfüllen. Und in diesen Glücksmoment für Grant platzt ein finanziell höchst lukratives Jobangebot für Sofia herein, allerdings fern von Los Angeles, nämlich in Bukarest. Nach anfänglichen Querelen entscheiden sich Grant und Sofia, gemeinsam nach Bukarest umzuziehen, für die vorher vereinbarte Dauer eines einzigen Jahres.
In Bukarest schlägt nun aber die Waage des Karriereglücks nach der anderen Seite hin aus. Sofia wird in ihrem Job als Projektleiterin in einer Bukarester Bau- und Immobilienfirma, deren Chef Victor von Andi Vasluianu verkörpert wird, immer erfolgreicher, während Grant an zunehmender Schreibhemmung leidet und seine Tage und vor allem Nächte hauptsächlich vor dem Laptop zubringt, wo er durch Skype-Gespräche mit den Mitgliedern seiner Familie und mittels Übertragungen von Spielen des American Football den Kontakt zu seiner Heimat, die fern von hier ist, hält und dabei ausgiebig sein Heimweh pflegt. Es scheint, als wolle die Stadt Bukarest Grants Schmerz noch verstärken: die rumänische Kapitale präsentiert sich in Pillions Film vor allem regnerisch, proletarisch und überfüllt; die kalifornische Sonne, die Weite der Landschaft und die amerikanischen Limousinen aus Grants kapitalistischer Heimat scheinen unwiederbringlich verschwunden.
Zum Bruch zwischen den beiden Jungverheirateten, die sich in Bukarest zunehmend auseinander gelebt haben, kommt es, als Sofia weder mit nach Los Angeles fliegt, nachdem Grants Mutter dort ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, noch auch, als die Frist des gemeinsam verabredeten Jahres im Ausland um ist und nun die endgültige Rückkehr nach Amerika ansteht. Für Grant wird die einsame Rückkehr nach Hause zum Desaster: die Mutter stirbt, die Familie leidet unsäglich, sein finanzieller Vorschuss wird, da er seinen Roman nicht fristgerecht beendet hat, vom Verlag zurückgefordert, und außerdem quält er sich mit heftigem Trennungsschmerz. Umgekehrt ist Sofia, trotz ihres Aufstiegs auf der Karriereleiter, in Bukarest nach Grants Abreise genauso unglücklich, und zu allem Überfluss auch noch schwanger.
Kurz vor Schluss des mit Längen behafteten Films – man denke etwa an die nicht enden wollenden Kuss- und Streitszenen oder auch an die häufigen, quasi mechanisch wirkenden Schnitte zwischen Sofias Arbeitsplatz in der Baufirma und Grants Faulbett in der Strada Ienăchiţă Văcărescu – weiß man nicht, wie das alles noch enden soll. Mit einer Abtreibung, zu deren Behuf sich Sofia in die gynäkologische Abteilung eines Bukarester Krankenhauses begeben hat? Mit einer Scheidung des gemischtnationalen Ehepaares? Oder ganz anders? Da hilft schlussendlich nur noch der sexistische Deus ex machina: Sofia lässt ihren Bukarester Job sausen, fliegt zu ihrem „iubi“ (Schatz), der seinen Bukarester Leidensbart mittlerweile wieder abrasiert hat, und überrascht ihn mit einer versöhnenden Umarmung im Ehebett und der ihm ins Ohr gehauchten Nachricht „Ich werde Mutter!“
Das vor Klischees strotzende Drehbuch gibt den Schauspielern kaum Gelegenheit, sich angemessen zu entfalten. Am besten schlagen sich noch Maria Dinulescu, die im vergangenen Jahr bereits in Catrinel Dănăiaţăs Spielfilm „Dublu“ überzeugt hatte, und Ana Pasti als Sofias Arbeitskollegin Adriana. Am gelungensten in „Departe de tine“ sind vielleicht die stummen, mit Musik unterlegten Szenen, in denen – wie in Videoclips – die Dynamik, die den Filmbildern insgesamt abgeht, durch musikalischen Drive ersetzt wird, auch wenn dadurch die Längen des Films, sein Schematismus und seine Schwerfälligkeit, mit der er sich auf sein Ende zuschleppt, um so schmerzlicher vor Augen geführt werden.