Die Kronstädter Künstlerin Margarete Depner (1885 - 1970) ist dem kunstliebenden Publikum keine Unbekannte. Zwei wichtige Bücher wurden über die Künstlerin Depner in den letzten Jahren publiziert. Lisa Fischer beleuchtet in ihrem 2011 erschienenen Buch vorrangig die Malerin Margarete Depner. Ihr Buch wird als Referenz bei der Versteigerung der Depner-Bilder im Wiener Auktionshaus Dorotheum 2018/19 angegeben. Ergänzend wählt das Opus Magnum von Rohtraut Wittstock und Joachim Wittstock die Bildhauerin Margarete Depner als Fokus ihres 2014 erschienenen Buches. Frucht einer lebenslangen Beschäftigung mit dem Leben und dem Werk der Kronstädter Bildhauerin wurde dieses Buch in der Presse mit viel Anerkennung bedacht.
In einem neuen Kontext wird eines der Hauptwerke Margarete Depners – „Die Sinkende“ – im Stuttgarter Kunstmuseum gezeigt.
Spätestens seit der Causa Gurlitt 2012 mussten die Museen Deutschlands feststellen, dass sie nicht alle Fragen bezüglich der Herkunft ihrer Kunstschätze beantworten können. Es erfolgte daher die peinliche Befragung aller Museumsakten. Die große Geburtsstunde der Provenienzforschung war gekommen. Man blätterte intensiver in den Kaufverträgen, ging Hinweisen nach und fand Erstaunliches. Im Kunstmuseum Stuttgart machte man aus der Not eine Tugend und zeigt in einer aktuellen vieldiskutierten Ausstellung den Stand der Nachforschungen. Für die am 1. Februar 2020 eröffnete Ausstellung wählte man den Titel „Der Traum vom Museum ´schwäbischer´ Kunst“. Es wird die komplexe Entwicklungsgeschichte der städtischen Kunstsammlung erzählt. Besondere Berücksichtigung erfahren dabei die vermeintlich „kunstlosen Jahre“ des Nationalsozialismus, die – wie neue Erkenntnisse belegen – aufs Engste mit der Gründung des Kunstmuseums Stuttgart verbunden sind. In acht Räumen sind zahlreiche Kunstwerke ausgestellt, die das unbekannte Geschichtskapitel der Institution und ihrer Akteure erläutern. Auffällig oft wird ein besonderes Kunstwerk in der Presse, so man über diese Ausstellung schreibt, bildlich dargestellt. Es ist „Die Sinkende“ von Margarete Depner. Es ist wohl das repräsentativste Kunstobjekt dieser Ausstellung und wurde von der Presse entsprechend wahrgenommen. Eine ungewöhnliche Geschichte verbindet diese Marmorplastik mit dem Kunstmuseum Stuttgart. Wenn sie sprechen könnte, sie, „Die Sinkende“, könnte sie uns gar manches erzählen.Dass sie eine Zwillingsschwester aus Gips in Kronstadt hat, und dass dieses Gipsmodell 1933, kurz nach dem Erschaffen durch Margarete Depner, in einer Ausstellung zusammen mit anderen Plastiken, darunter „Die Trauernde“ und „Die Kauernde“ ausgestellt worden war. Während der Vernissage, ein wichtiger Moment in ihrem Leben, blieb die Künstlerin zu Hause und las Verse von Friedrich Schiller.Ja, so war sie, die Tochter aus begütertem Hause, die ihre Ausbildung in Weimar abgeschlossen hat, nachher den berühmten Dr. Depner aus Kronstadt geheiratet, drei Kinder, Haushalt, Engagement in ihrer Vaterstadt und dabei und nebenbei malte. Immer wieder Auslandsreisen, nach Berlin, München, nach Paris, um ihre Technik zu perfektionieren. Denn sie wendete sich auch der Bildhauerei zu. Über sie, die Bildhauerin Margarete Depner, schreiben die Lexika, verdanke die siebenbürgische Kunst die Neubelebung der Plastik.Sie war eine außergewöhnliche Frau. Ihr hat der Dichter Adolf Meschendörfer das Gedicht „Der Bildhauerin Margarete Depner“ 1947 gewidmet. Der Maler Hans Eder hat für den Treppenaufgang ihres Hauses, eigens für diesen Ort, ein Bild gemalt. Der Komponist Paul Richter widmete ihr 1937 ein Streichquartett mit den Worten „Der Künstlerin und Förderin der Kunst Frau Margarete Depner verehrungsvoll zugeeignet“.Sie, die Finanzkräftige, hatte auch einen Traum vom Museum. Als Mäzenin erwarb sie von ihren Kronstädter Künstlerfreunden Bilder, sammelte im Allgemeinen zeitgenössische Kunst, um ihren Traum vom Museum in Kronstadt zu verwirklichen. Es war ihr nicht vergönnt, da die Zeiten sich grundsätzlich verändert hatten.In ihrem Besitz befinden sich in dieser Zeit Arbeiten von Käthe Kollwitz und Ernst Barlach. In ihrem Tagebuch notiert sie Gedanken über die hohe Kunst des Modellierens bei Auguste Rodin, über das Sehen der alten Meister, oder 1942 über den Sinn der Kunst; dabei stellte sie die rhetorische Frage: „Ist Schönheit der Sinn der Kunst, oder ist Kunst der Sinn, das Ziel der Schönheit?“In diesem Sinne verfolgte sie zielstrebig ihr Ideal der Schönheit, geschult an der klassischen griechischen Kunst, ohne die Tendenzen der Zeit, die auf das Heroisierende gerichtet waren, anzunehmen. Obwohl sie in Berlin mehrere Wochen im Atelier des österreichischen Bildhauers Josef Thorak, dem populärsten Bildhauer im „Dritten Reich“, arbeitete, blieb ihr seine Gigantomanie fern. Ihr sicherer Spürsinn für klassische Ausgeglichenheit und Maß bewahrte sie vor falschen Entscheidungen in Richtung Monumental-plastik. Sicherlich war „Die Sinkende“ eine singuläre Erscheinung auf der Wanderausstellung „Deutsche Künstler aus Rumänien“, die 1942 in Stuttgart, der Stadt, die mittlerweile durch die Bemühungen des Oberbürgermeisters Karl Strölin den Ehrentitel der NS-Zeit „Stadt der Auslandsdeutschen“ führen durfte, Station machte. Da in Deutschland mit Beginn des Zweiten Weltkrieges, im Herbst 1939, die großen Museen geschlossen wurden, waren für das kunstliebende Publikum die Wanderausstellungen eine gute Gelegenheit, überhaupt Kunstwerke zu sehen. So kann man diese Zeit nur bedingt als „kunstlose Zeit“ bezeichnen. Im Katalog der aktuellen Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart wird berichtet, dass „im Jahr 1942 die Städtische Galerie die Marmorplastik ankaufte. (...) Depners weiblicher Akt ‘Die Sinkende’ gefiel Oberbürgermeister Dr. Karl Strölin, und dieser fällte die Entscheidung zur Erwerbung.“ Könnte sie sprechen, sie, die schweigende Sinkende, würde sie uns sicherlich verraten, wo sie sich während der Kriegswirren aufgehalten hat, oder auch in der Zeit unmittelbar nach dem Krieg. Fakt ist, dass sie als Leihgabe seit 1983 auf Schloss Horneck im Lesesaal der Bibliothek die Sinnierenden erfreut.Wiederum als einzigartige Erscheinung, mitten in einem lichtdurchfluteten Saal aufgestellt, leider ohne den von der Bildhauerin Margarete Depner zugedachten schwarzen Sockel, ist sie ein angenehmer Blickfang für die Besucher, die jetzt in der Corona-Zeit Kunst ganz intensiv wahrnehmen. Sie ist in guter Gesellschaft; an den benachbarten Wänden hängen Bilder von Oskar Schlemmer und Erich Heckel. So ist ihr, der großen Dame der siebenbürgischen Bildhauerei, Margarete Depner, und ihrer anmutigen, sich den Blicken des Betrachters hingebenden Sinkenden, eine internationale Ehrung erwiesen.Mit Wehmut hat Dr. Ingrid Schiel „Die Sinkende“ auf Schloß Horneck verabschiedet, denn sie soll nach dieser Ausstellung im Kunstmuseum Stuttgart verbleiben. Somit kehrt diese zauberhafte Plastik 2020 nach vielen Jahren in eine Einrichtung der Stadt Stuttgart zurück und wird wohl im Kunstmuseum neben den Malern Otto Dix und Willi Baumeister ihren verdienten Platz einnehmen.
2020 sind für Margarete Depner auch biografisch-kommemorative Anlässe zu solcher Würdigung gegeben: 135 Jahre seit der Geburt, 50 Jahre seit dem Tod dieser ungewöhnlichen Frau.
Lisa Fischer: „Wiederentdeckt. Margarete Depner (1885-1970). Meisterin des Porträts der Siebenbürgischen Klassischen Moderne“, Wien Köln Weimar (Böhlau Verlag) 2011, 143 Seiten, 43 Farbabbildungen, ISBN 978-3-205-78618-4.
„Margarete Depner. Eine Bildhauerin in Siebenbürgen.“ Vorgestellt von Joachim Wittstock und Rohtraut Wittstock. Mit Photographien von Oskar Gerhard Netoliczka und anderen, hora Verlag, Hermannstadt, 2014, 340 Seiten, ISBN 978-606-8399-06-5.
Katalog der Ausstellung: Kai Artinger: Das Kunstmuseum Stuttgart im Nationalsozialismus. Der Traum vom Museum „Schwäbischer“ Kunst. Hrsg. von Ulrike Groos (Direktorin des Kunstmuseums Stuttgart). Köln: Wienand Verlag 2020, 304 S.
„Der Traum vom Museum ´schwäbischer´ Kunst“ im Kunstmuseum Stuttgart ist bis 1. November 2020 zu besichtigen.