Hermannstadt - Daniel Alexandru Dincă hat wohl derzeit den Arbeitsplatz mit der schönsten Aussicht in Hermannstadt. In rund 50 Meter Höhe repariert Dincă seit drei Monaten das Dach am Turm der evangelischen Stadtpfarrkirche. Gesichert nur durch zwei Seile suchen er und zwei weitere Kollegen systematisch nach beschädigten Ziegeln, Drahtbefestigungen und Dachlatten.
Um zu Dincă zu gelangen, muss man durch eine mit Baugerüsten vollgestellte Kirche laufen. Staub hat sich auf Böden und Inventar gelegt. Unterwegs kreuzt Kantorin Ursula Philippi den Weg. Sie kommt regelmäßig in die Kirche, um die Sauer-Orgel und die von Johannes Hahn jun. gebaute Orgel in der südlichen Seitenempore zu spielen. Wer einen kleinen Blick in das Kircheninnere erhaschen und nebenbei der Kirchenmusik lauschen möchte, kann dies aus der Sakristei der Stadtpfarrkirche tun. Unter dem Motto „Blick durchs Schlüsselloch“ bietet das Schloss der Sakristeitür einen wenn auch winzigen Einblick in das Baugeschehen.
Seit anderthalb Jahren dauern die Arbeiten am Hermannstädter Wahrzeichen nun schon an. Die Sanierung des Dachstuhls der evangelischen Stadtpfarrkirche ist das derzeit größte oberirdische Bauvorhaben in der Stadt. Während über Ferula, Schiff und Chor der gesamte Dachstuhl repariert wird, müssen am Turm nur einzelne beschädigte Ziegeln ausgetauscht werden. Per Telefon bestellt Dinc² bei den Kollegen auf dem Huetplatz/Piaţa Huet Ziegeln in der gewünschten Farbe – das historische Muster soll schließlich erhalten bleiben. „Ich glaube, zwei- bis dreitausend Ziegel haben wir bis jetzt ausgetauscht“, schätzt der Alpinist. In den nächsten Wochen folgen Arbeiten an den vier Seitentürmchen. Diese Arbeiten werden sich laut Dincă schwieriger gestalten als am Hauptturm, da Zugang und Sicherungsmöglichkeiten erschwert sind.
Den Baufortschritt beziffert Victor Drăgan auf 60 Prozent, wertmäßig habe man 40 Prozent der für das Projekt veranschlagten rund 6 Millionen Lei ausgegeben. „Mittlerweile kommen wir sehr gut voran“, meint der Bauleiter von Seiten der Stadtpfarrgemeinde, „das Qualitätsniveau der Arbeiten wurde sehr gesteigert, nachdem die Baufirma Sinecon neue Handwerker gebracht hat“. Im Zuge der Bauarbeiten habe man weitere Schäden an der Holzkonstruktion des Dachstuhls entdeckt, da während der Voruntersuchungen nicht alle Holzteile zugänglich waren. Der Aufwand ist laut Drăgan etwa doppelt so hoch wie anfänglich geschätzt. Dennoch werde man bis April 2014 die Arbeiten abschließen können.
Die Gemeinde bereitet schon jetzt ein Nachfolgeprojekt vor für die Sanierung von Fassade und Innenraum der Stadtpfarrkirche. Eine technische Konzeption habe man der Agentur für Regionalentwicklung in der Region Zentrum zukommen lassen. Man wolle sich rechtzeitig vorbereiten für die kommende EU-Förderperiode, so Drăgan. Ein entsprechendes Projekt arbeitet der Hermannstädter Architekt Mihai Ţucă aus. Er schätzt das Projekt auf ein Volumen von 7 Millionen Euro. Falls man die entsprechende Finanzierung erhalte, werde die Kirche bis 2016 völlig andere Bedingungen für Gläubige und Touristen bieten.