Hermannstadt - „Braucht jemand meine Erzeugnisse?“, lautete die „große Frage“, die Hans Peter Türk (1940) sich nach Abschluss seiner Ausbildung am Konservatorium Klausenburg stellte. Mehr als ein halbes Jahrhundert zurück liegt dieser Augenblick an der nicht weniger großen Musikhochschule, die im heutigen Klausenburg Gheorghe-Dima-Musikakademie heißt. Genau jene höhere Bildungseinrichtung, wo Komponist und Musikwissenschaftler Hans Peter Türk seinen Lebensunterhalt verdient hat. Und weil er gleich anschließend an das Studium noch nicht wusste, ob seine Stücke unter den Freunden und Menschen im kommunistischen Rumänien praktische Anwendung finden würden, berief er sich zunächst auf Gott und komponierte eine Kantate auf den Vers 11 des Psalms 86: „Weise mir, Herr, deinen Weg.“ Ein in Erinnerung an seinen Lehrer Viktor Bickerich komponiertes Opus für Sopran-Solo, Orgel und Streichorchester, das selbstredend bis zur Zeiten-Wende 1989/1990 in der Schublade ausharren musste. Hans Peter Türk aber vermochte auch in den zwei Jahrzehnten davor Karriere zu machen.
Er hat es hinreichend bewiesen und sich die Honterusmedaille des Demokratischen Forums der Deutschen in Siebenbürgen (DFDS) und der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR), die ihm Montagnachmittag, am 26. Juli, in Hermannstadt/Sibiu verliehen wurde, künstlerisch redlich verdient. Forums-Vorsitzender Martin Bottesch und Bischof Reinhart Guib händigten ihm Medaille und Urkunde aus. Den Blumenstrauß dazu überreichte Andrea Rost. Ursula und Kurt Philippi als treue Weggefährten und Auftraggeber über Jahrzehnte waren im Spiegelsaal des DFDH gestalterisch ganz vorne mit zur Stelle und vollendeten die Feierstunde rednerisch und spielerisch zugleich.
Auf ihre Pulte legten sie zu Beginn eine „Miniatur für Cello und Klavier“ von Paul Richter, dem Hans Peter Türk früh nacheiferte. „Bald nach Abschluss meines Studiums in Klausenburg forderte Harald Krasser mich auf, eine Monografie über Paul Richter zu verfassen. Nach sechs Jahren Ausbildung in rumänischer Sprache jedoch zweifelte ich, ob es mir gelingen würde, eine Monografie über Paul Richter in ordentlichem Deutsch zu schreiben.“ Hans Peter Türk hat sich überreden lassen und 1975, zum hundertsten Geburtstag seines Vorbildes, das gewünschte Buch im Kriterion-Verlag veröffentlicht.
Wie manches andere Werk aus der Hand des ausgezeichneten Tonsetzers unter den lebenden Siebenbürger Sachsen hat auch die 2007 am Stichtag in Hermannstadt von der Meißner Kantorei 1961 und dem Hermannstädter Bachchor unter Gast Christfried Brödel (Dresden) uraufgeführte „Siebenbürgische Passionsmusik für den Karfreitag nach dem Evangelisten Matthäus für großen und kleinen Chor, Solostimmen, Orgel und Harmonium“ von Hans Peter Türk nicht sofort aus dem Stand weg alle Ohren mitreißen können, die sich für die romantische Gründonnerstag-Passion von Kronstädter Rudolf Lassel begeistern. Hans Peter Türk dagegen wollte immer schon „unser sächsisches Traditionsbewusstsein, das irgendwie in jedem von uns steckt, an die zeitgenössische Musik heranführen.“ Als seine „Siebenbürgische Passionsmusik“ zwei Jahre nach ihrer Uraufführung auch in der Kreuzkirche am Dresdner Altmarkt zu hören war und von der Meißner Kantorei 1961 auf CD eingespielt wurde (Label Dabringhaus und Grimm), gab Hans Peter Türk sich auf die Frage, ob es denn möglich sei, nach Johann Sebastian Bach noch eine Passion zu komponieren, wiederum selbst eine Antwort: „Auch der Dorfpfarrer predigt das Evangelium.“ Für den neuen Träger der Honterusmedaille des DFDS und der EKR steht die Pflicht zu bestimmter Verantwortung höher als die Freiheit zur Beliebigkeit.