Hermannstadt - Der Barock kam in Siebenbürgen mit Verspätung an und hielt sich als Kunstrichtung länger als in anderen Gegenden Europas. Von den Städten aus verbreitete sich diese Kunstform auch im ländlichen Raum. Seine Ausprägung in einst sächsischen Dörfern zeigt die jüngste Ausstellung des Museums für Sächsische Volkskunde „Emil Sigerus“ mit dem Titel „Ländlicher Barock in Siebenbürgen“, die am Dienstag im Schatzkästlein auf dem Kleinen Ring/Piaţa Mică eröffnet wurde.
Die Ausstellung basiert auf einem Forschungsprojekt, dass in den vergangenen Monaten in ausgewählten südsiebenbürgischen Dörfern unter Leitung von Camelia Ştefan durchgeführt wurde. „Die Ausstellung versucht durch seine ethnografische Dimension zu überraschen, durch die Fazetten des ländlichen Barocks“, meinte Ştefan. Spuren des Barock gebe es nicht nur in den siebenbürgischen Städten, sondern man kann sie vielerorts auch in der bäuerlichen Architektur, Möbeln, Keramik oder Trachtenschmuck sowie in den Kirchen der sächsischen Dörfer finden.
Die ersten barocken Elemente im ländlichen Raum in Siebenbürgen finden sich denn auch im Kirchenraum. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts zeichnete sich eine radikale Veränderung der evangelischen Altäre ab, die in dieser Zeit mit reichen Verzierungen versehen werden, oft von ortsansässigen Künstlern, die den jeweiligen Werken eine ganz eigene künstlerische Färbung geben. Denn, nur wenige wohlhabende Gemeinde konnten sich bekannte, auswärtige Handwerksmeister leisten. In diesselbe Phase fällt auch die Hochblüte des siebenbürgischen Orgelbaus.
Spätestens mit der Eingliederung des Fürstentums Siebenbürgen in das Habsburger-Reich Ende des 17. Jahrhunderts fand der Barockstil in Siebenbürgen weite Verbreitung. Es dauerte dann aber noch bis ins 19. Jahrhundert, bis sich barocke Stilelemente im Alltagsleben der bäuerlichen – meist sächsischen – Bevölkerung etablierten. Wohnhäuser erhielten Verzierungen aus Stuckornamenten nach städtischem Vorbild, beispielsweise mit Blumenmotive, Girlanden, Lebensbaummotiven oder Ohrmuschelwerk.
Die Ausstellung gibt einen fokussierten Einblick in diese Welt anhand von bemalten Truhen, Epithaphen, Schränken, Geschirr, Trachten und Trachtenschmuck sowie Fotografien. Neben Exponaten aus dem Bestand des Sigerus-Museums findet der Besucher wertvolle Stücke aus dem Brukenthal-Museum sowie dem Landeskirchlichen Museum im Kultur- und Begegnungszentrum „Friedrich Teutsch“. Das Projekt sei mit der Einrichtung der Ausstellung noch nicht beendet, sagte Ştefan. Am 25. September plane man ein Rundtischgespräch zum ländlichen Barock mit Experten aus dem In- und Ausland. Bei dieser Gelegenheit soll auch der Katalog der bis zum 25. November geöffneten Ausstellung vorgestellt werden.