Temeswar - Die „Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW)“, Landesgruppe Bayern unternahm vorvergangene Woche eine Exkursion nach Westrumänien und Ungarn. Die Forstwirte interessierten sich für eine wirklich nachhaltige und finanziell erfolgreiche Waldwirtschaft. Dazu seien einige Voraussetzungen notwendig: naturnahe und natürliche Baumartenzusammensetzung, Zulassen natürlicher Abläufe, hohe Biodiversität, ungenutzte Flächen und anderes mehr. Durch den Klimawandel sterben in Bayern lokal und teilweise regional Baumarten, wie Fichte (Picea abies), Waldkiefer (Pinus sylvestris) wie auch Rotbuchen (Fagus sylvatica). Da es in Rumänien und Ungarn wärme- und trockenheitstolerante Baumarten, namentlich Zerreiche (Quercus cerris), Ungarische Eiche (Q. frainetto) und die Weißtanne (Abies alba) gibt, wollten die bayrischen Förster diese in ihrem naturnahen Umfeld und in ihrem Zusammenspiel mit der Rot- und Hainbuche (Fagus sylvatica bzw. Carpinus betulus) betrachten. „Die Reise nach Rumänien und Ungarn sollte uns bessere Kenntnisse verschaffen und besseres Verständnis für die Bewirtschaftung der Wälder mit diesen Baumarten erlauben,“ sagt Prof. Dr. Manfred Schölch, 1. Vorsitzender ANW Bayern.
Kontakte nach Rumänien bestünden schon lange. Insbesondere seit den 1990er Jahren begegneten sich zahlreiche Forstleute beider Länder, was 1996 sogar zu einem gemeinsamen Protokoll zwischen der ANW Bayern und dem Forstamt Reschitza von Romsilva führten. Die seinerzeit angestrebte Zusammenarbeit ist mit dem jüngsten Besuch belebt worden. Den Rumänienbesuch bereitete Dr. Florian Borlea maßgeblich vor, der Dr. Schölch des Öfteren zusammen mit deutschen Studierenden im Urwald des Semenic-Gebirges geführt hat. Diesmal wurden Wälder im Banater Bergland und im Retezat aufgesucht, so die Forstämter Lunca Timișului, Fatschet/Făget und Lugosch/Lugoj im Kreis Temesch, der Naturwald im Reservat Runcu-Groși beim Forstamt Bârzava im Kreis Arad und zum Schluss der Nationalpark Retezat im Kreis Hunedoara (Forstamt Pui).
Das Fazit der knapp einwöchigen Reise fiel auch dank der genossenen Gastfreundschaft positiv aus: „Wir sind überwältigt von der Herzlichkeit, der wir bei jedem Besuch begegneten. Wir wissen, dass wir mit unserem Anliegen einige Arbeit für die lokalen Forstleute verursachten, die ihrerseits viel zu tun haben. Gleichwohl blickten wir stets in freundliche Gesichter, konnten angeregt diskutieren und viel lachen“, heißt es in einem Nachbericht. Fachlich sei hingegen ein zweigeteilter Eindruck entstanden: Die die Gruppe interessierenden Baumarten und die damit aufgebauten Waldbestände seien offensichtlich resilient genug, um dem Klimawandel zu widerstehen. Man sei zuversichtlich und gelassen heimgereist, zumal man zukünftig auf den Erwerb rumänischen und ungarischen Saatgutes setzen könne, um die bayrischen Waldbestände anzureichern und zu stabilisieren. „Interessiert konnten wir in Ungarn beobachten, dass, aufbauend auf wissenschaftlicher Grundlage, die Dauerwaldwirtschaft angestrebt wird. Detaillierter als bei uns zuhause werden erfasste Daten modelliert und in plausible, anzustrebende Zielvorgaben bei reichlich waldbaulicher Freiheit formuliert. Weniger leicht ist es uns gelungen, die wohl traditionelle Art der Waldwirtschaft in einigen rumänischen Waldbeständen nachzuvollziehen. Wir gewannen den Eindruck, dass oftmals die natürliche Dynamik in den besichtigten Laubwäldern nur teilweise oder unvollständig ablaufen kann, weil recht frühzeitig mit der Verjüngung begonnen und rasch abgeschlossen wird. In der Folge können wertvolle Einzelbäume nicht ganz ausreifen und Risiken durch starke Öffnungen des Kronendaches verschlechtern die Leistungskraft. Wir vermuten, dass das finanzielle Potenzial der besichtigten Waldbestände nicht vollständig ausgenutzt wurde und leicht mögliche Gewinne nicht entstehen können. Zudem hätten wir mehr Biotopbäume und totes Holz, sowie stärkere Durchforstungen erwartet, die sich positiv auf Vitalität und Qualität der Bäume auswirken könnten. Demgegenüber sahen wir sehr, sehr intensive, flächige – und damit teure – Jungwuchspflegen, deren Sinn wir nur teilweise nachvollziehen können. Wir gewannen den Eindruck, dass auch einige Forstleute vor Ort sich eine in dieser Hinsicht freiere Waldbehandlung, orientiert am Notwendigen, wünschen würden. Leider scheinen die strikt einzuhaltenden Direktiven der Forstplanung keinen Spielraum zu lassen“, merkt Prof. Dr. Manfred Schölch kritisch an. Gerade die ANW versuche, wo immer es sinnvoll ist, natürlicherweise ohnehin laufende Prozesse zu lenken oder nur zu begleiten, aber sie nicht gänzlich selbst zu gestalten.
„Ungeachtet dieser fachlichen Anmerkungen überwiegt der positive und mutmachende Eindruck bei Weitem, dass die gesehenen rumänischen wie auch ungarischen Wälder einer Zukunft entgegenwachsen, die in guten Händen liegt“, schließt Dr. Schölch. Auf rumänischen Gegenbesuch in Bayern freue man sich schon jetzt.
Die Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW)ist seit 1950 ein Zusammenschluss von Waldbesitzern, Forstleuten, Wissenschaftlern und Waldinteressierten in der Bundesrepublik Deutschland. Ihre Mitglieder setzen sich praxisorientiert ein für eine besonders verantwortungsbewusste, im umfassenden Sinne nachhaltige und multifunktionale, naturverträgliche Form der Waldwirtschaft. Die Bundes-ANW ist Mitglied des europäischen Dachverbandes Pro Silva Europa und im Deutschen Forstwirtschaftsrat (DFWR).