Hermannstadt – Die dampfbetriebene Schmalspurbahn auf der Strecke von Hermannstadt/Sibiu nach Agnetheln/Agnita durch das untere Harbachtal/Valea Hârtibaciului hat im 20. Jahrhundert Erzähl-stoff für zahllose Anekdoten entstehen lassen und ist mittlerweile selbst zur Legende geworden. Bis zu vier Stunden dauerte vormals die einfache Fahrt von Hermannstadt nach Agnetheln oder zurück. Leider sind die Zeiten solch gemütlichen Pendelns längst verraucht. Die in rumänischer Sprache als „Mocăniță“ bekannte Harbachtal-Schmalspurbahn fährt heute nur noch zu seltenen Anlässen die sechs Kilometer lange Passage zwischen den Dörfern Cornățel und Holzmengen/Hosman auf und ab. Die restlichen Kilometer entlang des Harbaches sind unbefahrbar, weil von der Natur gänzlich verwachsen oder gar vom Wasserlauf weggeschwemmt. Doch der regionale Verein „Prietenii Mocăniței“ ist nicht bereit, sich vor dem Ende der Zeit geschlagen zu geben.
Mittwoch, am 17. Februar, hat der Vereinsvorsitzende Mihai Blotor eine Stunde lang bei Verkehrsminister Cătălin Drulă (USR-PLUS) vorsprechen dürfen. Die Fahrt zum Arbeitstreffen nach Bukarest hat er gemeinsam mit Adrian Echert, Mitglied des Kreisrates Hermannstadt und Vorsitzender der Kreisfiliale des Bündnisses der Union Rettet Rumänien (USR) und der Partei für Freiheit, Einheit und Solidarität (PLUS), bestritten. Mit am Verhandlungstisch in der Hauptstadt anwesend waren Staatsbeamte wie der stellvertretende Premierminister Dan Barna (ebenfalls USR-PLUS) und Luana Floricică, stellvertretende Direktorin des Nationalen Kulturerbe-Instituts.
Adrian Echert und Mihai Blotor hatten sich vorgenommen, das Verkehrsministerium als Befürworter einer Wiederbelebung und eventuellen Ausweitung der Betriebskapazität der Harbachtal-Schmalspurbahnstrecke zu gewinnen, und gaben tags darauf bekannt, auf offene Ohren gestoßen zu sein. Denn es war höchste Eisenbahn geworden, den Abbau und Abtransport etlicher nicht mehr im Gebrauch stehender Weichen in den Kreis Muresch durch Ordnungsbeschluss zu verhindern. Schwer zu entwirren ist auch die Frage nach dem Eigentumsrecht von Schienensträngen, Boden, Bahnhofsgebäuden, Waggons und Dampfloks der beliebten, im Volksmund „Wusch“ benannten Bahn, deren Lösung ungewöhnlich hohe Ausdauer beim Wiederaufrollen teils ungesetzlicher Entäußerungen der mittleren Vergangenheit erfordern wird. Adrian Echert möchte erreichen, dass der Kreisrat Hermannstadt zum Verwalter des gesamten Inventars der Harbachtal-Schmalspurbahn aufsteigt. Der Verein „Prietenii Moc˛ni]ei“ ist zudem stolz da-rauf, dass Prinz Charles von Großbritannien Anfang November 2020 ankündigte, seinen nächstmöglichen Rumänien-Aufenthalt im Jahr 2021 nicht ohne Kurzfahrt mit der Schmalspurbahn vergehen lassen zu wollen. In Südsiebenbürgen kursieren noch immer die Spitznamen dreier Harbachtal-Dampfloks: die Martin Luther („Hier stehe ich und kann nicht anders“), die Galileo Galilei („Und sie bewegt sich doch!“) und die Schiller („Spät kommt ihr, doch ihr kommt“).