Hermannstadt – Bis in das letzte Detail standardisiert wissen möchte Ruth István als Referentin der Stiftung Kirchenburgen für Fachtourismus und Öffentlichkeitsarbeit eigentlich nichts, sobald über ein freiwilliges Arbeiten als Burghüterin oder Burghüter auf Zeit beraten wird. „Es ist nicht alles möglich. Es ist vieles möglich“, so ihr Fazit am Dienstagabend, dem 27. September, kurz vor Ende des wahrscheinlich vorletzten Kirchenburgen-Gespräches im Jahr 2022. Beide Seiten, gemeint sind die sich dafür Bewerbenden und die betreffende Kirchengemeinde, „müssen das wollen“ und sollten ihre Erwartungen im Vorfeld einer betreffenden Abmachung für die Dauer von Wochen oder Monaten auf ein gemeinsames Tablett legen. Holzmengen/Hosman im Harbachtal/Valea Hârtibaciului, wo Ursula Stoll schon seit 2016 Mitglied im Verein Europäisches Jugendbegegnungszentrum an der örtlichen Kirchenburg ist, zeigt bereits vor, wie gut eine einvernehmlich gewollte und beschlossene Burghüter-Börse funktionieren kann. Die Stiftung Kirchenburgen der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) beabsichtigt, ab der Saison 2023 auch ein paar weitere Dörfer Siebenbürgens von der Anwesenheit je eines Burghüters profitieren zu lassen. Noch steht nicht ganz genau fest, welche siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbe-Stätten am allermeisten dafür geeignet wären, doch schienen die Stiftung Kirchenburgen und zwei Dutzend On-line-Gäste der Begegnung sich über Modalitäten und Rahmen einer möglichst bald noch in die Tat umzusetzenden Burghüter-Börse einig geworden zu sein.
Robin Gullbrandsson, Beauftragter für Bau und Antiquitäten des Västergötlands Museum im schwedischen Skara, hat Siebenbürgen 2004 erstmals bereist. Seine Vorstellung, „nächstes Jahr ´Versuchs-Kaninchen´ für die Burghüter-Börse“ sein zu können, ist mitunter vor wenigen Wochen während Besuchsfahrten nach Kerz/Cârța, Michelsberg/Cisnădioara, Martinsdorf/Meti{, Kirtsch/Curciu, Birthälm/Biertan, Hundertbücheln/Movile, Eibesdorf/Ighișu Nou und Irmesch/Ormeniș endgültig gereift. Trotz des eigentlich sehr offenen Angebots der Stiftung Kirchenburgen aber findet er es nicht eben unwichtig, zwischen „geeigneten und ungeeigneten Leuten“ zu unterscheiden. Eines der Risiken nämlich bestünde darin, sich unabsichtlich etwa einen „Besserwessi“ als Burghüter auf Zeit ins Boot zu holen. Freiwillige, die etwas Eremitenhaftes an sich haben, wären dem Kirchenburgen-Gesprächsgast aus Schweden nach zu bevorzugen. Dem Szenario, dass charakterlich Introvertierte in der Burghüter-Rolle sich vielleicht im Konflikt mit einer gastgebenden Gemeinde wiederfinden könnten, misst Robin Gullbrandsson kaum Bedeutung zu. Stattdessen zähle die Achtung für das immaterielle Erbe einer jeden Kirchenburg: Glockenläuten, Orgelmusik und alte Handwerksleistungen.
„Es gibt noch sehr viele Schätze zu heben“, bestätigt auch Angelika Beer, Pfarrerin der EKR in Malmkrog. Ihr Auffinden jedoch bereitet manchmal Kopfzerbrechen. In etlichen Dörfern beispielsweise sind „Läute-Ordnungen nicht verschriftlicht.“ Weil, wie im Glöcknern alterfahrene Mitglieder jeweiliger Kirchengemeinden frei heraus bekennen, „man das doch weiß!“ Stürben sie einmal, sei es genau darum auch nicht leicht, der zünftigen Routine nachträglich exakt auf die Spur zu kommen sowie sie für Gegenwart und Zukunft zu notieren.
Absprachen im Vorfeld auf Kontakt-Vermittlung durch die Stiftung Kirchenburgen sind unverzichtbar, um sicherheitshalber gewissen Erfahrungen vorzubeugen, wie Christa Beckenbauer sie persönlich eingeholt hat: „In Wurmloch hatte die HOG 2016 das Projekt ´ehrenamtlichen Burgeinsatz´ eingerichtet. Ich war im Rahmen dieses Projektes selbst Burghüterin. Es war eine Bereicherung, sehr abwechslungsreich. Leider wurde das vom Kurator nicht mehr gewünscht und ist zurzeit auf Eis gelegt.“ Skepsis, erklärt Angelika Beer verständnisvoll, schlägt leicht in Misstrauen um. Doch wer es nicht von Beginn an scheut, mindestens drei Wochen oder vielleicht monatelang in einfachen wie ausreichenden Wohnverhältnissen zu leben, ist als Burghüterin oder Burghüter in Siebenbürgen herzlich willkommen
Laut EKR-Pressereferent Stefan Bichler kommt es auf „Mund-Propaganda“ an.