„Dass ich während der Pandemie Maler war, ist für mich ein Privileg“

Ausstellung von Marius David im Brukenthalmuseum

Die neue Ausstellung von Marius David (links, mit Brille) kommt ohne Katalog aus. Aber es gibt Werbekarten in Postkartengröße in drei verschiedenen Farben und Motiven zum Mitnehmen. Beatrice Ungar, Chefredakteurin der Hermannstädter Zeitung (HZ), bat den Ausstellenden um ein Autogramm auf der weißen Rückseite einer Karte. Dr. Alexandru Sonoc (Bildmitte) blickt bereits auf die Gast-Ausstellung einer Künstlerin aus der Türkei im März. Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – Als er 2021 einmal auf der Bank draußen im Hof bei sich zuhause saß und enttäuscht eine Handvoll unfertiger Zeichnungen zerknüllt wegwarf, schaute ihm dabei von ganz nah eine Amsel zu, erzählte Marius David am Wiederöffnungstag des Bru-kenthalmuseums nach der vier Wochen langen Besuchsverkehrspause ab Neujahr 2022. Ergänzend, dass all die zerknüllten Papiere sich unter seinem Blick und vor den Augen der Amsel rasch wieder auseinandergefaltet hätten. Der Beatles-Evergreen „Blackbird“ aus der Lautsprecheranlage der Abteilung für Zeitgenössische Kunst in der Quergasse/Tribunei rasch vor der mittäglichen Vernissage am Mittwoch, dem 2. Februar, war also nicht zufällig gewählt worden. „Take these wings and learn to fly / All your life / You were only waiting for this moment to arise“. Obwohl Marius David selbst 47 Jahre lang am Kunstgymnasium Hermannstadt/Sibiu unterrichtet hat und schon vor fünf Jahrzehnten erstmals Einzelausstellungen gab, verabschiedet sich sein Entdeckungshunger nicht bequem in den Ruhestand. „Ich habe in meinem Leben stets die Kraft gehabt, Bewunderung zu üben.“

Marius David zählt zu den ältesten Mitgliedern der Regionalfiliale der Innung der Bildenden Künstler Rumäniens (UAP). An den zig Exponaten seiner Ausstellung „Pretexte (o prospectiv˛)“ lässt sich mit etwas Geduld ablesen, dass es für einen Neuanfang niemals zu spät ist. Warum Prospektive und nicht Retrospektive? Alle würden in seinem Alter an Letztere denken, räumt Marius David ein. „Aber ich wollte nicht mit Stolz zurückschauen“, erklärt der weißhaarige Ex-Lehrer am Kunstgymnasium Hermannstadt jenen roten Faden, der sich durch die Bilder seiner Arbeit der letzten zwei Jahre zieht. „Die Geschehnisse kommen zur Ruhe, wenn sie ihre geometrische Form gefunden haben“, soll Nichita St˛nescu gesagt haben. Dem kann Marius David sich nur anschließen. „Ich hatte immer Freude daran, zu entdecken, dass viel Schönes erzeugt werden kann.“ Auch und gerade in schwerer Zeit. „Die Tatsache, dass ich während der Pandemie Maler war, ist für mich ein Privileg.“ Seine Ausstellung liefert ausreichend Vorwände (rum. „pretexte“), sich klar davon zu überzeugen.
Kurator Dr. Alexandru Sonoc bestätigt, dass ein Sich-Entfernen von dem, was man gerne als Realität betrachtet, ein Aufeinandertreffen mit diesen Bildern erst unmittelbar erleben lasse. Ihre Stärke liege in der Übermittlung von Empfindungen und Gefühlen. Wer sich für Ideen und spirituelle Energien in reinem Zustand interessiert, wird bis Ende Februar in der Abteilung für Zeitgenössische Kunst des Brukenthalmuseums sicher fündig. Seit sehr langer Zeit habe Marius David zu ihm einen Bezug als Lernender, klärt Kritikerin und Museums-Mitarbeiterin Dr. Iulia Mesea auf. „Zuerst muss ich dem Hausgeist Brukenthals danken. Als Kind habe ich eine Welt entdeckt, die ich nicht vermutet hatte. Fünfzig Jahre lang bin ich gereist, aber immer nach Hermannstadt zurückgekehrt“, sprach Künstler Marius David am Tag der ersten Ausstellungseröffnung des Brukenthalmuseums im Jahr 2022. Das Jubiläums-Banner zum 300. Geburtstag des Museums-Stifters 2021 hörte und schaute vom Korridor aus zu.

Florin Viorel, Vorsitzender der Hermannstädter UAP-Filiale und selber auch Lehrer am lokalen Kunstgymnasium, der im Februar ein Jahr zuvor ebenfalls hier ausgestellt hatte, gratulierte seinem um Jahrzehnte älteren Kollegen zu dessen neuesten Kreationen. Marius David ist nach wie vor groß im Rennen. Für Museums-Direktor Prof. Dr. Sabin Adrian Luca zählen seine aktuellen Bilder als ein Mittel, das den Menschen helfen könne, ihre stacheligen und streitsüchtigen Charakterzüge zu bändigen.