Ungewöhnlich fruchtig riecht der Inhalt des Glases. Auch die Farbe, die zwischen den nassen Glaswänden durchschimmert, kennt man von normalen Bieren nicht. Aber der Durst sorgt auch schon dafür, dass das frisch gezapfte Pale Ale schräg gegen die Lippen anflutet und im Mundraum dann seinen intensiven Geschmack entfaltet. Für viele, die das erste Mal Craftbier (auch Craft Beer) trinken, wird in diesem Moment eine neue Genusswelt aufgestoßen.
So erging es auch Dinu Cristian Mihai (28), als er mit diesen hochwertigen Brauerzeugnissen in Berührung kam. „Meine ersten Craftbiere habe ich auf einer Reise durch Europa getrunken“, sagt der Brauer und Miteigentümer von Hop Hooligans, einer jungen Craftbier-Brauerei aus Bukarest. Sofort war eine große Begeisterung geweckt.
Wie der Name schon anklingen lässt, sind Craftbiere „handcraftet“, der handwerkliche Aspekt des Brauprozesses wird also betont. Meist handelt es sich um Erzeugnisse von kleinen, unabhängigen Brauereien. Seinen Ursprung hat der Craftbier-Trend in den USA, wo er Ende der 1970er Jahre entstand und vor allem in Abgrenzung zu industriell hergestellten Massenbieren benutzt wird.
Auch in Rumänien wächst seit einigen Jahren das Interesse an diesen Spezialbieren. „Es startete zaghaft, vor etwa 5 Jahren“, beschreibt Dinu Cristian Mihai die Anfänge der alternativen Bierszene in Bukarest, „nun erfährt Craftbier aber einen richtigen Boom, vor allem seit diesem Jahr.“ Der rumänische Biermarkt wird zu etwa 85 Prozent von vier globalen Unternehmen beherrscht. Dass diese Konzerne ihre Produkte nicht aus Liebe zum Gerstensaft herstellen, leuchtet schnell ein. Großbrauereien bringen keine außergewöhnlichen Biere auf den Markt, sondern Erzeugnisse, die darauf ausgelegt sind, den Massengeschmack zu treffen und dabei möglichst nicht vom Gängigen abzuweichen. Die Norm ist dabei meist ein filtriertes (hierdurch länger haltbar gemachtes), helles, moderat gehopftes Pils- oder Lagerbier. Im Sinne der Vielfalt und des Geschmacks ist es also zu begrüßen, dass junge, kreative Brauer mit ihren Craftbieren eine Art Gegenbewegung darstellen, die den Massenbiermarkt herausfordert.
Nach den gewonnenen Erfahrungen beim Heimbrauen, war es für Dinu Cristian Mihai ein natürlicher Schritt, seine Begeisterung auf eine neue Stufe zu heben: Zusammen mit Mircea Georgescu (32) gründete er Ende 2016, südlich vom Stadtzentrum Bukarests, die Brauerei Hop Hooligans. Beide gaben hierfür ihre Berufe auf: Mihai seine Beschäftigung im internationalen Handel, Georgescu seinen IT-Job. Seither arbeiten beide in Vollzeit als Brauer, Buchhalter und Händler. Es fühle sich noch immer mehr nach einer Tätigkeit aus Leidenschaft an und nicht wie ein nüchternes Geschäft. „Wir brauen die Biere, die wir gerne trinken würden, und hoffen, dass es anderen Leuten auch so geht.“ Offenbar zahlt sich diese Zuversicht aus, denn Mihai würde die Kapazität seiner Brauanlage (derzeit etwa 6400 Liter pro Sud) gerne bald schon erhöhen. Inzwischen besteht Hop Hooligans aus einem Team von fünf Leuten, das sich neben „Brauen, Abfüllen, Auslieferung und anfallendem Papierkram“ auch allen anderen Aufgaben widmet, die in einem Brauerbetrieb anfallen. Acht verschiedene Biere sind standardmäßig unter der Marke erhältlich. „Aber wir lieben es zu experimentieren“, daher gäbe es einige limitierte Auflagen und saisonale Sorten. „Wir kommen ungefähr auf 30 verschiedene Etiketten, ich habe da ein wenig den Überblick verloren“, lacht Mihai.
Beschäftigt man sich mit Craftbier, begegnen sofort Begriffe, die beim bisherigen Bierkonsum keine Rolle spielten. Der IBU-Wert etwa, der angibt, wie viele Bittereinheiten ein Bier aufweist. Oder klangvolle Hopfennamen, die immer wieder auf den Rückseiten der originell gestalteten Flaschen zu lesen sind – z. B. „Simcoe“, „Cascade“ oder „Mandarina Bavaria“ – und dem Bierexperten Rückschlüsse auf den Geschmack erlauben. Diese natürlichen Aromahopfen sind es insbesondere, die leichte Anklänge von Zitrusfrüchten, Maracuja und Litschi ins Bier bringen können. Aber auch über den Malzkörper eines Bieres lässt sich eine unglaubliche Geschmacksvielfalt kreieren, wenn etwa abhängig von Malzsorte und Röstgrad beim Trinken Assoziationen von dunkler Schokolade oder Kaffee mitschwingen.
Zu den Orten in Bukarest, an denen man die größte Auswahl von Craftbieren geboten bekommt, gehören sicherlich „Beer o’clock“ und „La 100 de Beri“. Die beiden in der Altstad gelegenen Bars führen natürlich auch Biere von Hop Hooligans.
Craftbier bedeutet vor allem bewusster Trinkgenuss und zieht seinen Reiz nicht daraus, sich wahllos zu betrinken. Inmitten einer Runde von Genießern merkt man schnell, dass sich über Farbe, Geruch und Textur eines Bieres, selbst über die Beschaffenheit seiner Schaumkrone, soviel sagen lässt, wie über einen komplexen Rotwein. Es ist spannend, die verschiedenen Aspekte zu entdecken, die ein gutes Bier ausmachen, und dabei alle Sinne einzusetzen.