Ein drittes Denkmal für Bártok

„Pro Bártok“ gestaltete zum 140. Geburtstag des Komponisten einen unvergesslichen Nachmittag

Der Architekt Attila Zakariás offenbart seine Denkweise. Im Hintergrund das Plakat die Zeichnung des künftigen Bártok-Kulturzentrums und die renovierte Kirche, dann das Riesenporträt eines aufmerksam ins Publikum schauenden Béla Bártok. Foto: Werner Kremm

Großsanktnikolaus – Seit über 20 Jahren gibt es in Großsanktnikolaus, dem Geburtsort von Béla Bártok, einen Verein „Pro Bártok“, dessen Seele der aus dem Raum Neumarkt am Mieresch stammende Apotheker Tamás Sándor ist, der im historischen Stadtzentrum eine gutgehende Apotheke betreibt. Diesem Verein ist es zu verdanken, dass die Stadt zwei Standbilder des weltberühmten ungarischen Folkloresammlers und Komponisten hat (eine stammt von Géza Jecza, die andere von Ion Ardelean). Vergangenen Samstag hat „Pro Bártok“ wieder „Geschichte geschrieben“ - so die Meinung einiger der Festredner, allen voran Enikö Szasz, die Schauspielerin und Vorsitzende des Temeswarer „Vereins ungarischer Frauen“, die zum 25. Mal „Tage der Ungarischen Kultur im Banat“ organisiert hat. In diesem Rahmen war das Ereignis von Großsanktnikolaus das 20. dieses Jahres im Rahmen dieser 25. Ausgabe.

Der Veranstaltungsort hatte einiges an Symbolkraft: das Publikum nahm am Ereignis teil, dessen Bühne im Hintergrund ein Mega-Plakat mit einer Kirche, einem Bauprojekt, einem suggestiven Bartók-Foto mit dem herausragenden Gastensemble aus Budapest, dem „Muzsikus“-Ensemble („die Ehre, auf demselben Plakat mit dem großen Bartók zu erscheinen, ist uns noch nie zuteil geworden!“) mit seiner Solistin Hanga Kacsó; die Kirche auf dem Plakat ist die kleine lutherisch-evangelische Kirche von Großsanktnikolaus, die - „nach einigen Jahren der Verhandlungen und unter Vorgaben“, hieß es in den Reden ungarisch und mit Rumänischübersetzung - durch Vermittlung von „Pro Bartók“ an die ungarisch-reformierte (calvinistische) Kirche verkauft wurde und eingerüstet ist (auch ein Symbol!), weil sie mit Mitteln der Stadt, die ein Drittel der Kosten übernimmt, und von „Pro Bártok“ generalüberholt wird. Und als nächstes Symbol: das Publikum saß auf dem Gelände, wo „ein echtes Gedenkhaus für Bártok“ (Tamás Sándor) hingestellt werden soll nach Plänen des anwesenden siebenbürgisch-ungarischen Architekten Attila Zakariás.

Wer die Geduld aufbrachte, unter einer auch am späteren Nachmittag noch stark brennenden Junisonne die Reden aufmerksam zu verfolgen, konnte viel Gescheites von und über Bártok mitbekommen. So glänzte mit seinen intelligent ausgewählten Inhalten der Abgesandte des Generalkonsulats Ungarns in Klausenburg, der eine wirklich gute, aber lange Gruß- und Würdigungsrede hielt, über das Völker- und Glaubenskonglomerat der Kleinstadt Großsanktnikolaus, über die Rolle der Musik und der Kunst in der ganzheitlichen Bildung der Menschen, aber auch über die Bedeutung der ungarisch-balkanischen Volksmusik für den international anerkannten Komponisten Béla Bártok. Die interessanteste, weil frei vorgetragene und wohldurchkomponierte Rede hielt der Architekt Zakariás über die Zusammenhänge von Zeichnen und das Gezeichnete ins Konkrete (sprich Gebäude/Immobilien) Umsetzen, über Noten aufs Papier Bringen und Musikgenuss durch „Spielen“ Auslösen. Das war ein Einblick in die Denk- und Arbeitsweise eines Künstlers, der ganz Konkretes und Dauerhaftes, aber auch das Ästhetische Tangierendes zu schaffen gewohnt ist. Nicht unerwähnt bleiben soll der knappe Redebeitrag des Honorarkonsuls Ungarns in Temeswar, Tamás Péter, der einzige, der das Publikum auch in deutscher Sprache begrüßte und der die Rolle und Bedeutung von Persönlichkeiten unterstrich, die konsequent und beharrlich Ziele verfolgen, die der Allgemeinheit dienen – er bezog sich natürlich auf den Apotheker Tamás Sándor.

Nach dem historischen Augenblick, der Grundsteinlegung und Vergrabung der Gründungskapsel des „Bártok“-Kulturzentrums, dessen Kern ein Konzertsaal sein wird, folgte das nächste Highlight: ein 40-minütiges Konzert von „Muzsikus“ und Hanga Kacsó. Diese Budapester Musiker, die seit 48 Jahren gemeinsam musizieren und sowohl ungarisch-balkanische Folklore, als auch Klassik und Jazz beherrschen und Welttourneen bestritten haben, zentrierten ihr Programm auf Bartók: sie spielten von Bartók aufgezeichnete Volksmusik, vor allem Stücke, die der Komponist vom Banat bis in die Marmarosch und in Siebenbürgen aufgezeichnet hat, und sie boten dann, zum Vergleich, die Stücke, die Béla Bártok ausgehend von dieser Inspirationsquelle komponierte. Herausragend die junge Sängerin, Hanga Kacsó, mit einer für solcherart Folklore wie geschaffenen Stimme, die alle Register – auch der Stimmung und Einstimmung – meisterhaft beherrschte. Diese Musiker machten den Nachmittag zum unvergesslichen Erlebnis.