Hermannstadt – Im Antworten auf die Frage von Dr. Eveline Cioflec, studierte Philosophin und Dozentin an der Lucian-Blaga-Universität Sibiu (ULBS), nach einem Statement zur Zukunft der „Schulen mit deutscher Unterrichtssprache in Rumänien“ machte es sich für den Anfang des dritten „Hermannstädter Gespräches“ 2022 im Spiegelsaal des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) Verona-Maria Onofrei am einfachsten. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ Als Direktorin des 2016 von ihr selber gegründeten Deutschen Lyzeums Mühlbach/Sebeș und seit 2019 auch Vorsitzende der Schulkommission des Forums der Deutschen in Siebenbürgen (DFDS) wählte sie Samstag, am 24. September, den Weg, ihren drei Podiums-Mitrednern den Löwenanteil der Debatte über das „Quo vadis?“ eines vielgefragten und mit teils überhöhten Idealvorstellungen befrachteten voruniversitären Bildungsangebots zu überlassen.
Für Dr. Romiță Iucu, promovierter Erziehungswissenschaftler und Prorektor der Universität Bukarest, zählt „die Idee der deutschen Sprache als Sprache der Bildung für Lehrer und Schüler“ als „eine Kondition für die Europäisierung“ Rumäniens. Im Spiegelsaal des DFDR widersprach er der landläufigen Meinung, die rumänische Pädagogik würde allgemein französischen Vorbildern folgen. „Sie ist deutsch.“ Erst danach gelte die Übernahme französischer und ganz besonders noch britischer Einflüsse. Dass Dr. Romiță Iucu im Spiegelsaal auch als Beirat der Hochschul-Akkreditierungsbehörde Rumäniens (ARACIS) vorgestellt wurde und freimütig bekannte, den Karriere-Erfolg seiner Tochter am deutschen Bildungsweg in Rumänien festzumachen, den sie von klein auf durchschritten habe, dürfte allen Zuhörenden aus den Reihen der deutschen Minderheit im Land trotz etlicher ihrer Schwierigkeiten bildungspolitischer Art geschmeichelt haben. Und genau das schien der Gast aus Bukarest zur Stunde des „Hermannstädter Gespräches“ ja auch erreichen zu wollen. Aber er tat es nicht ohne die Bemerkung, dass es zukünftig „nicht billig“ sein wird, „reflexive“ Lehrer auch und vor allem für das deutschsprachige Bildungsangebot Rumäniens zu bilden, zu formen und fortzubilden. Schlicht nach dem Spruch, dass „ich zu arm bin, um mich billig zu kleiden“. Denn „es klappt nicht, wenig zu geben und viel zu wollen“, so Bildungsexperte Dr. Romiță Iucu jüngst in Hermannstadt.
Darüber, dass Eltern in Rumänien, deren Kinder deutschsprachige Schulen besuchen, Letztere und Schüler oft verstärkt unter immens hohen Druck setzen, nichts anderes als Bestleistungen zu erbringen, brauchte im Spiegelsaal nicht erst noch für alle Anwesenden hörbar gesprochen zu werden. Die Angst vor dem „roten Stift“ treibt auch im Bildungsangebot der deutschen Minderheit Rumäniens dasselbe Unwesen wie an den Schulen der Mehrheitsgesellschaft. Doch „wir müssen uns daran gewöhnen, dass wir in einer Kultur des Prüfens leben werden“, schlussfolgerte Dr. Romiță Iucu im Hauptlokal des DFDR.
Geographie-Lehrer Dr. Alexandru Szepesi, aus Agnetheln/Agnita gebürtig und seit 2010 Leiter der Direktion für Schulwesen in den Sprachen der Minderheiten im Rumänischen Bildungsministerium, räumte ein, bereits im Jahr seines Amtsantritts in Bukarest in einem Zeitungsartikel vom deutschsprachigen Schulwesen Rumäniens als „Politikum“ gelesen zu haben. „Lehrer ist ein beson-ders schwerer Beruf, damit bin ich einverstanden“. Die weitaus größte Kritik am nationalen System und seinen Strukturen artikulierte Dr. Thomas Șindilariu, Unterstaatssekretär des Departements für Interethnische Beziehungen in der Regierung Rumäniens: finanziell „arbeiten wir alle im roten Bereich – und Lehrer auf Deutsch im dunkelroten. Die Schulen sind voll, wir könnten größere haben, wenn wir nur die Lehrer hätten.“ Sooft es um die Verteilung der Finanzen Rumäniens geht, steht nicht nur das deutschsprachige Bildungswesen, sondern das Bildungsministerium ganz weit unten in der Hackordnung der Ministerien untereinander.
„Wir brauchen Lehrer, wir brauchen junge Lehrer“, betonte auf der letzten Strecke des „Hermannstädter Gespräches“ Martin Bottesch, DFDS-Vorsitzender und trotz Verrentung weiter als Mathematik-Lehrer tätig. „Wer keinen Idealismus hat, der sollte auch nicht Lehrer werden.“ Ist Idealismus etwas durch Bildung Erreichbares? Wohl kaum. Kompetenz dagegen schon. Vor der Wortmeldung von Zuhörer Martin Bottesch zitierte Dr. Romiță Iucu Mathematiker Grigore Moisil: „Kompetenz ist teuer. Aber hat jemand errechnet, was Inkompetenz kostet?“ Jener Idealismus, das deutschsprachige Bildungsangebot Rumäniens sei deutlich besser als das Angebot in der Sprache der nationalen Mehrheitsgesellschaft, wird anders als bislang vermutlich nicht mehr ganz ohne Image-Kratzer zu halten sein, und kann den politisch internen wie externen Druck auf seine Akteure nur erhöhen.