Schäßburg – Wie begeht man ein halbes Jahrtausend seit der ersten urkundlichen Erwähnung der Schule, in der die Weichen für das geistige und berufliche Leben von hunderten Generationen gelegt worden sind? Einstige Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler des Joseph-Haltrich-Lyzeums in Schäßburg/Sighișoara – auch als Bergschule bekannt – hatten zu Beginn des Jahres Teams gegründet, um mehrere Veranstaltungen und Würdigungen im Verlauf dieses Jahres zu planen und durchzuführen. Am Samstag, dem 3. September, fand in der Bergkirche der Höhepunkt des Veranstaltungsreigens statt. Auf Anfang September war dieser festgelegt worden, um möglichst vielen der im Ausland lebenden Bergschulabsolventen das Dabeisein (mit einem Augusturlaub verbunden) zu ermöglichen, so dass es am Rande der Feier auch mehrere Klassentreffen gab. Kurz vor Schulbeginn war die Feier vorgesehen worden, damit jetzige Schüler und Lehrer sowie im Schulamt tätige Gäste teilnehmen. So kam denn in der Bergkirche und nachher beim Umtrunk in der Bergschule eine sehr bunte Festgemeinschaft mit Personen aus allen Generationen und mehreren Staaten zusammen.
Was aber wurde gefeiert? De facto eine Schenkungsurkunde: Im Jahr 1522 erhielt der Rektor der Schule vom Rat der Stadt für seine pädagogischen Verdienste „ein Kleid im Werthe von 4 Gulden, damit er sich Mühe gäbe mit den Jünglingen“. Die Schule muss viel älter sein, denn zwischen 1445 und 1522 waren in Wien 95 Studenten inskribiert, die ihre voruniversitäre Ausbildung in Schäßburg erhalten hatten, ist in der in Deutsch und Rumänisch zur Feier erschienenen, sehr informativen Broschüre, nachzulesen. Von der Tatsache, dass ein Verwaltungsakt „gefeiert“ wird, in dem eine Gemeinschaft den Wert des Lehrers anerkennt und diese Anerkennung in Form einer Investition der Gesellschaft einen Mehrwert gebracht hat, begeisterte Radu Szekely, den Berater von Bildungsminister Sorin Cîmpeanu. Er überbrachte der Bergschule ein Diplom von Seiten des Bildungsministeriums, ein anderes wurde der Schule vom Schulinspektorat zuerkannt.
Dass die Bergschule eines der fünf Gymnasien der Siebenbürger Sachsen war, das zur Hochschulreife ausbildete, erwähnte Martin Bottesch, der Vorsitzende des Siebenbürgenforums und Schulmann, in seiner Ansprache. Er berichtete, wie schwierig es heute ist, trotz günstiger Gesetzeslage den Unterricht in deutscher Sprache wegen des Mangels an in deutscher Sprache unterrichtenden Lehrkräften zu sichern. Er endete mit dem Appell „lasst uns an die Zukunft glauben“.
Den Reigen der Reden hatte Schuldirektor Ovidiu Mălăncrăvean eröffnet, selbst Bergschulabsolvent. Er ging auf die Geschichte der Lehranstalt ein und erwähnte bedeutende Persönlichkeiten, die hier gelehrt oder gelernt haben. Das „Bischof-Teutsch-Gymnasium“, wie sie in der Zwischen- und Kriegszeit hieß, gehörte zu den renommiertesten Schulen in Siebenbürgen und wurde von jeher nicht nur von Siebenbürger Sachsen besucht. Der vormalige Schulleiter Mircea Maier erwähnte, dass vier evangelische Bischöfe oder Raketenvater Hermann Oberth aber auch der Publizist Zaharia Boiu oder der Elektrophysiker Remus Răduleț diese Schule besucht oder an ihr gewirkt haben. Auf die illustre Vergangenheit der Bergschule nahm auch Sabin-Gavril Pășcan, der Generalschulinspektor des Kreises Muresch, Bezug. Die PSD-Abgeordnete Dumitri]a Gliga sprach über den heutigen Namensgeber Joseph Haltrich, da sie von Sächsich-Regen/Reghin kommt. Vizebürgermeister Bogdan Burghelea erwähnte den multikulturellen und multilinguistischen Raum Siebenbürgen, dennoch solle man nicht vergessen, dass es die Sachsen waren, die Schäßburg und die Schule errichtet haben, sagte er und endete Kennedy paraphrasierend „Ich bin Bergschüler“.
Ebenfalls ehemaliger Bergschüler ist Michael Konnerth, der stellvertretende Vorsitzende der Heimatortsgemeinschaften in Deutschland. Er berichtete, dass er den Geist der Schule weitergibt, indem er sich für die Bewahrung des Kulturerbes einsetzt, wozu 1991 in Deutschland ein „Bergschulverein“ gegründet wurde, dem er aufforderte beizutreten. Ein anderer ehemaliger Bergschüler, Dr. Karl Scheerer, hatte seine ersten Rentnerjahre dafür aufgebracht, mit von der gemeinnützigen Hermann-Niermann-Stiftung zur Verfügung gestellten Mitteln nicht bloß das Gebäude am Schulberg, sondern auch jene des Internats und das Gebäude in der Schanzgasse, wo die seit 1990 zum Joseph-Haltrich-Lyzeum gehörenden Klassen 0 bis 8 in deutscher Unterrichtssprache lernen, grundlegend zu sanieren. Das Wohlergehen der Schule und der Schüler waren ihm und seiner Frau Annemarie jahrzehntelang ein Anliegen, ihr Grußwort wurde vorgelesen. Ebenso jenes, das Gigi Hundorfeanu, heute Arzt mit eigener Praxis in Nürnberg, stellvertretend für die Schülergeneration der 1990er Jahre gesandt hatte.
In der Bergkirche willkommen geheißen hatte die Teilnehmenden am Festakt Stadtpfarrer Dr. Bruno Fröhlich. Er wies darauf hin, dass Kirche und Schule symbiotisch verbunden waren und sprach die Hoffnung aus, dass dies auch in Zukunft so bleiben wird. Zusammen mit dem orthodoxen Pfarrer Cosmin Boian, einem – wie anders? – Bergschulabsolventen, gestaltete er eine christliche Andacht, in deren Rahmen Dr. Daniel Zikeli, Bischofsvikar der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien und ebenfalls Bergschulabsolvent, die Predigt hielt. Zikeli bezeichnete seine Bergschuljahre als „die schönsten meines Lebens“, sie waren die „Quelle des seelischen Auftankens“. Die Schule sei über die Generationen hinweg eine Pflanzstätte des Wirkens und des Werdens gewesen und als solche habe sie sich in den Wirren der Geschichte, den trüben Zeiten ideologischer Schulpolitik und in den Gefährdungen des Zeitgeistes vortrefflich bewährt. In der Schule habe er „von weisen Professoren, die in schwierigen Zeiten eine verantwortungsvolle Einstellung hatten“, gelernt, Gutes zu tun, was eine Lebenshaltung und nicht Eigenschaft sei. „Obwohl in der Fülle der Zeit und im Laufe des Lebens die Schulzeit nur eine Episode unseres Bestehens bildet, ist sie eine Gabe, die uns von Gott gegeben wurde, die uns geprägt und geformt hat und die wir darum umso mehr schätzen sollen. Schätzen und bewahren,“ so der Bischofsvikar.
Zur musikalischen Umrahmung der Feier trugen neben Organist Theo Halmen und dem Schäßburger Posaunenchor selbstverständlich Bergschülerinnen und -schüler bei: Jutta Martini (sie hat die Klassen 1-8 hier besucht) als Sopranistin, der Zehntklässler Eduard Suciu als Organist und das Gesangsduett Briana Sîrbu und Adrian Simen mit einem „Agnus Dei“. Nach der Feier führten vier Paare der Volkstanzgruppe des Deutschen Forums – na klar, Bergschüler – an der Nordseite der Bergkirche sächsische Volkstänze vor.
Mihai Medrea, ehemaliger Bergschüler und Absolvent der Uni Stuttgart, Fachausrichtung Architektur und Stadtplanung, hat das Logo der 500-Jahr-Feier entworfen, die diese zierende Plakette am Gebäude am Schulberg wurde von Direktor Mălăncrăvean und drei der Ehrengäste enthüllt. Lieselotte Baier, die 38 Jahre an der Bergschule unterrichtet hat und 10 Jahre stellvertretende Schulleiterin war, in deren Händen die Koordination der Veranstaltungen und Veröffentlichungen gelegen und die den Festakt moderiert hat, wies die Festteilnehmer auf mehrere Besichtigungsmöglichkeiten hin: eine Ausstellung aus der Sporttätigkeit, die Fernsehfilme, die anlässlich des 450-Jahre- sowie 475-Jahre-Jubiläums gedreht worden waren, das kleine Schulmuseum sowie die Fotoausstellung zur Schulgeschichte von Ariane und Peter Ambrosius im Haus mit dem Hirschgeweih. Sie dankte all jenen, die in der einen oder anderen Weise am Gelingen des sehr schönen Gedenkens an und Feierns der ehrwürdigen Bergschule beteiligt waren.