Hermannstadt – 11 lange wie schwierige Jahre liegen zwischen dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Eintritt in das noch sehr junge 21. Jahrhundert, und trotzdem haben alle zehn Studentinnen und Studenten von der Universität für Künste in Bukarest, die sich gestalterisch an der neuen Ausstellung von Berufs-Architekt und Schwarzweiß-Fotograf Andrei Pandele (Jahrgang 1945) beteiligen, das Zweideutige im Zurückdenken älterer Erlebnis-Generationen an den Kommunismus – da Schmerzhaftigkeit, dort Hoffnung auf illusorischen Fortschritt – genauestens auf dem Schirm. Abends am Freitag, dem 5. April, war endlich auch Hermannstadt/Sibiu an der Reihe, die Eröffnung der dokumentarischen Wander-Expo „EPOCA DE AUR: Ieri, (azi) și mâine“ zu erleben. Sie schließt Mittwoch, am 17. April, im touristisch frei zugänglichen Rathaus-Foyer mit Blick auf den Großen Ring/Piața Mare und gewinnt der politisch trüben Lebenswirklichkeit unter Diktator Nicolae Ceaușescu künstlerisch das Feinste vom Besten ab. Die bildnerischen Schnappschüsse von Andrei Pandele in Bukarest, Temeswar und Hermannstadt nämlich kommen nicht nur als historische Zeitdokumente herüber, nein. Sie sind von ihrem durchblickenden Autoren während der finalen zwei Jahrzehnte des rumänischen Kommunismus so bestechend satirisch gewählt worden, dass der ästhetische Sog der Ausstellung auch die erinnerungspolitisch feindlichsten Besucheraugen nichtsdestotrotz schon vom ersten messerscharfen Foto weg erfassen muss. Es geht nicht anders.
Ganz gleich, ob es um seinen Weitblick auf die Baustelle der „Casa Poporului“ (´Haus des Volkes´, heute Parlamentspalast) geht, oder um Momentaufnahmen legendär zermürbenden Schlangestehens – auf dem späten Zenit des kommunistischen Regimes in Rumänien hatte Architekt Andrei Pandele sich längst all das antrainiert, was Kunstfotografen gesellschaftlich exzessiver Vereinheitlichung und landschaftlich lebloser Grautöne ausmacht. „Tagtäglich über Bilder gestolpert bin ich“, sagte er im Hermannstädter Rathaus bezüglich seiner Fotos, die zu schießen gesetzlich verboten gewesen war, und die ihn bei Entdeckung durch Organe der Staatsgewalt mindestens sechs Jahre Gefängnishaft gekostet hätten. Die Quer-Aufnahme mit Fokus auf den Spalt zwischen zwei Trambahn-Waggons, den Leute aus der Not heraus als Stehplatz für Einsteigen und Weiterfahrt bei kalter Witterung nutzten, verdankt Andrei Pandele einer zentralen Brücken-Baustelle in Direktnachbarschaft zur Bu-karester Oper. „Es standen damals 2000 bis 3000 Menschen gleichzeitig in der Station.“ Auf einen Studenten der Universität für Künste hat dieses Foto die weitaus größte Anziehung ausgeübt, ihn zu einer komplementären Arbeit inspiriert.
Unbedingt ein Vorbeischauen wert ist auch der leicht verständliche Grafik-Entwurf „Break the Pattern“ von Studentin Roberta Ciornei, die den „mit dem Modell brechenden“ Menschen rot und die hinter ihm undifferenziert vor sich hin trottende Masse schwarz markiert. „Leute aus dem Westen waren zu Besuch in Rumänien immer über paramilitärische Uniformen schockiert“, weiß Andrei Pandele vom allseits belächelten und nicht selten stumm verhassten Defilieren zu berichten. „Das Aberrante war an die Stelle des Normalen gerückt.“ Und dennoch beansprucht die Ausstellung etwas Eigenes für sich, da sie mit artistischer Hingabe „einer Kapsel Geschichte“ nachfühlt, so das Fazit von Porträt-Fotograf Cornel Brad (Jahrgang 1974), der seinen um knapp 30 Jahre und somit eine ganze Generation älteren Berufsfachkollegen vor Hermannstadts Publikum in ein kurzes wie aufschlussreiches Gespräch verwickelte. Zu Wort meldete sich auch Andreea Sandu, Gründerin der Bukarester Galerie „Galateca“, die sich das Kuratieren der Ausstellung mit Fotos von Andrei Pandele und ergänzenden Arbeiten von Studierenden der hauptstädtischen Universität für Künste mit Medien-Wissenschaftlerin Uschi Klein von der University of Brighton (Großbritannien) teilt. Die Zuarbeit der Nachwuchs-Profikünstler hat Dozentin Anca Boeriu vermittelt und koordiniert, und vor den Zuschauern Hermannstadts räumte Uschi Klein ihre biografische Herkunft aus Schäßburg/Sighișoara ein. „Ich bin mit fünf Jahren aus Rumänien emigriert.“ Ihrer Bitte um Verständnis für ihr nicht makelloses Rumänisch wurde gerne entsprochen.