Hermannstadt - Ein Sohn, ein zweiter Sohn, eine Tochter, die Mutter, die Schwägerin – eine Familie. Louis, die Hauptfigur, kehrt zurück nach Hause. Zwölf Jahre sind vergangen, seit er seine Lieben nicht mehr gesehen hat. In dieser Zeit hat er sich als Schriftsteller in der Großstadt etabliert; von seiner Familie hat er sich nicht nur räumlich entfernt. Gekommen ist er, um ihnen die Nachricht seines bevorstehenden Todes zu überbringen.
Aber das Zusammentreffen gestaltet sich schwierig: Vorwürfe, Missverständnisse und alte Verhaltensmuster vermischen sich im Versuch der Annäherung der beteiligten Personen. Schweigen, missglückte Kommunikation und das Bedauern über Vergangenes überlagern die Interaktion. Das Überbringen der Nachricht wird durch Konflikte von früher unmöglich gemacht. Louis‘ Einsamkeit und Verlassenheit im Angesicht des Todes tritt deutlich zutage. Zurück bleibt das Versäumnis, sich wirklich zu offenbaren, Gefühle zu zeigen, ehrlich miteinander umzugehen.
Diese Verlassenheit wird durch den Ort der Inszenierung verstärkt. Das Stück des französischen Schauspielers und Dramatikers Jean-Luc Lagarce, der vor 30 Jahren an AIDS verstarb, versetzt Regisseur Eugen Jebeleanu in einen ungenutzten Raum im ersten Stock der Hermannstädter „Promenada Mall“. In der Betonhalle, düster, grau und kalt, dominieren Echos die Dialoge. Zuschauerinnen und Zuschauer dürfen sich frei bewegen, den Schauspielerinnen und Schauspielern in ihren Handlungen folgen, es gibt keine Sitzordnung, keinen festen Ort des Geschehens.
Mit dem Stück, das die deutsche Abteilung des Radu-Stanca-Theaters im Januar erstmalig aufführte, möchte Regisseur Jebeleanu „über Einsamkeit und Entfremdung sprechen, und zwar in Form eines immersiven, sensorischen und viszeralen Theaters.“ Tatsächlich vollziehen die Figuren Louis, gespielt von Marc Illich, Martine, seine Mutter (Johanna Adam), Suzanne, seine Schwester (Fabiola Petri), Antoine, sein Bruder (Gyan Ros) und Catherine, die Schwägerin (Malena Silberschmidt; Zweitbesetzung: Viviane Havrilla) ihre Handlungen überall verteilt im Raum, zu Licht- und Toneffekten, fahren Skateboard, backen Pfannkuchen und spielen mit einem echten Hund.
Die Aufführung findet mit einer Tanzchoreografie zu dem Musikstück „Tristesse“ (Album „Symphonie des éclairs“) der französischen Sängerin und Newcomerin Zaho de Sagazan, ihren melancholisch-sinisteren Höhepunkt. Ganz im Sinne des Songs, der das Gefühl der Traurigkeit mit dem zwanghaften Wunsch nach Kontrolle und unterdrückten Emotionen koppelt, fließen auch hier Handlung und Musik ineinander.
Regisseur Jebelanu fragte zu Jahresbeginn anlässlich der Pressekonferenz zu seiner Inszenierung: „Wie können wir Hass und Angst bekämpfen? Kann Theater (noch) der Ort sein, an dem man sich mit sich selbst und mit anderen verbindet? Was kann aus der Heilung von Trauma und dem drohenden Ende entstehen?“ Das bleibt am Ende offen. Es sind die Handelnden selbst, die entscheiden. Im Theater – und im echten Leben.
Die Aufführung wird in deutscher Sprache, mit rumänischer Übersetzung gespielt. Die nächsten Vorstellungen des Stücks „Einfach das Ende der Welt“ finden am Donnerstag, den 13. März, um 16 Uhr und um 20 Uhr statt.