Temeswar (ADZ) – Knapp fünf Stunden dauerte am Dienstag die Sitzung des Temeswarer Stadtrates, erneut gab es heftigen Streit zwischen der USR-PLUS auf der einen Seite und der PNL und der PSD auf der anderen. Hauptstreitpunkt war die Gründung der Ende 2021 angekündigten Beschaffungs-GmbH der Stadt Temeswar. Wie die ADZ berichtete, will Bürgermeister Dominic Fritz alle Beschaffungsverfahren der Stadt und ihrer untergeordneten Institutionen und Behörden bündeln und dafür eine stadteigene GmbH gründen. Das Modell habe er sich in Österreich abgeschaut, die Bundesbeschaffung GmbH liefert logistische Unterstützung. Gegen das Projekt sträubte sich zunächst der ehemalige PNL-Vizebürgermeister Dan Diaconu; dieser sagte, er könne nicht verstehen, warum die Stadt eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gründe, die dann der Stadt Gebühren in Höhe von 2 bis 2,5 Prozent der Ausschreibungswerte in Rechnung stellen werde. Er könne sich den Sinn und die Verhältnismäßigkeit dieses Vorhabens nicht erklären, es handele sich um einen Unsinn, den die Exekutive noch rechtfertigen werden müsse, sagte Diaconu. Eine Expertin der österreichischen Bundesbeschaffung GmbH, die bei diesem Vorhaben nicht nur die Stadt Temeswar, sondern auch die Landesbeschaffungsagentur ANAP berät, erklärte den Stadtratsmitgliedern, wie das Projekt überhaupt funktionieren solle, doch die PNL- und PSD-Fraktionen konnten nicht überzeugt werden.
Auf die Kritik der beiden Fraktionen reagierte erneut Vizebürgermeister Lațcău. Er bemängelte „die Balkan-Mentalität“ seiner Kollegen und deren ewiges Gejammer. Er höre immer wieder dieselben abgedroschenen Phrasen, es gehe nicht, man könne nicht, man wisse nicht, man dürfe nicht, sagte Lațcău. Liberale und Sozialdemokraten seien daran interessiert, öffentliche Aufträge und sonstige aus öffentlichen Mitteln bezahlte Beschaffungen unter derselben dicken Decke zu verstecken, damit ja keiner sehen könne, was dort vor sich gehe. Das sei der Grund für das vereinte Brüllen der PSD und der PNL, setzte Lațcău fort. Er wolle aber die Opposition daran erinnern, dass der Stadtrat von den Temeswarern gewählt wurde, um sich um deren Belange zu kümmern, und nicht um die Anweisungen „des Herrn aus Großsanktnikolaus“ abzuarbeiten. Gemeint war der Bürgermeister von Großsanktnikolaus/Sânnicolau Mare, Dănuț Groza, der Insidern zufolge das Sagen in der Temescher PNL hat und auf den jedermann bei den Liberalen hört. PNL-Vizebürgermeister Cosmin Tabără forderte Lațcău daraufhin auf, mit den Beleidigungen und persönlichen Angriffen aufzuhören, die Ratsherren hätten zivilisiert nach den Hintergründen des Projekts gefragt, niemand habe die anwesende Expertin beleidigt. Lațcău sei unverschämt und unerzogen, er könne nicht zuhören, würde alle unterbrechen und beleidigen, er könne jedoch niemandem Lektionen erteilen, weil er in der Politik neu und unerfahren sei. Ja, er sei neu in der Politik, gab Lațcău zu, genauso wie seine USR-Kollegen. Die PNL und die PSD hätten es natürlich gerne, wenn in der Politik dieselben alten Leute an den Hebeln sitzen würden, man habe ja gesehen, was sie 30 Jahre lang alles bewirkt hätten. Tabără solle die Vergangenheit aufgeben und in die Zukunft schauen.
Zu einem weiteren Streit kam es, nachdem die USR auch einen Geschäftsführer für die zu gründende Beschaffungs-GmbH vorstellte, nämlich einen Beschaffungsexperten von Aquatim. Den PSD- und den PNL-Stadträten war unklar, dass auch sie Empfehlungen für einen Geschäftsführer machen konnten, sie zeigten sich im Einklang von der Vorgehensweise der USR schockiert. Es gehe nur um die Belohnung von Freunden und Unterstützern. Der Sozialdemokrat Toanca sagte, er werde gegen den Stadtratsbeschluss gerichtlich vorgehen und dessen Annullierung beantragen.
Daraufhin kam es zur Abstimmung, die von dem aus der PNL ausgeschlossenen Raul Ambruș unterstützte USR stimmte für das Projekt, so dass die erforderliche Mehrheit gegeben war. Bürgermeister Dominic Fritz, der an der gesamten Sitzung nicht teilnahm, weil er sich in Bukarest befand und sich nur kurz einschaltete, sagte im Nachhinein, dass durch die Bündelung aller Beschaffungsverfahren in einer einzigen GmbH eine jährliche Einsparung von 18 bis 27 Millionen Lei erzielt werde und dass sich die GmbH ab ihrem vierten Existenzjahr selbst finanzieren werde; bis dann soll sie aus Mitteln der Stadt Temeswar bezuschusst werden.