Die deutsch-rumänische Regisseurin Brigitte Drodtloff hat beim diesjährigen Anonimul-Festival für ihren Kurzfilm „Omul“ den Ovidiu-Bose-Paştină-Preis erhalten. Ihr Film handelt von einem Mann, gespielt von Marcel Iureş, der als moderner Jesus auftritt. In einer Bukarester Markthalle beginnt er unter den misstrauischen Blicken der Händler, einen Tisch aufzubauen und zu arrangieren, was er mitgebracht hat. Nach und nach kommen Kunden und wollen die Preise für die einzelnen Dinge wissen. Doch sie haben keinen. Wer etwas haben will, kann es sich nehmen. Umsonst. Die Händler sind erst irritiert, dann wütend. Schließlich eskaliert die Szene. „Omul“ wurde von der deutschen Filmbewertungsstelle in Wiesbaden mit dem Prädikat „Besonders wertvoll“ versehen.
Wie ich Ihrer Webseite entnommen habe, war „Omul“ Ihr erster Film, den Sie selbst gedreht haben. Stimmt das?
Tatsächlich habe ich mehrere kleine Filme gedreht. Immer wieder. Aber sagen wir es mal so: „Omul“ war der erste Film, den ich komplett independent gedreht habe. Es sollte ein Kurzfilm sein, auch um mein nächstes großes Projekt zu promoten. Ich bereite gerade einen großen historischen Film über das siebenbürgische Wunderkind Carl Flitsch vor. Er war ein fantastischer Pianist und Komponist. Flitsch wurde 1830 in Mühlbach geboren. Innerhalb von zehn Jahren hat er eine Wahnsinnskarriere in Europa gemacht. Er war der Lieblingsschüler von Chopin, gefürchtet von Liszt und geliebt von Queen Victoria. Es lag eine außergewöhnliche Karriere vor dem Jungen, doch zwei Wochen vor seinem 15. Geburtstag ist er gestorben. Seine Geschichte werde ich verfilmen. Nächstes Jahr ist Drehbeginn. Um so einen großen Film zu finanzieren, braucht man natürlich mehr, als sagen wir nur einen Namen von jemandem, der Filme macht und im Theater inszeniert hat. Und natürlich braucht man Festivalpräsenz. Auch deswegen bin ich mit „Omul“ in Bukarest vertreten.
Ihr Film spielt hier in der Stadt. Im Vorfeld zu diesem Interview hatte ich gelesen, der Film würde Kritik an den Zuständen in Bukarest üben.
Nein, nicht wirklich. Es ist ein Spielfilm für überall. Also er könnte wirklich überall spielen.
Genau das dachte ich, als ich „Omul“ sah. Ich fand Ihren Ansatz eher universell. Aber eigentlich ist es kein neues Thema. Beispielsweise in Deutschland finden Umsonstläden zunehmend Verbreitung. Ist Ihr Film Kapitalismuskritik?
Nicht unbedingt. Er widerspiegelt das Jesus-Prinzip und das gibt es schon seit 2000 Jahren. In dem Moment, in dem jemand etwas Gutes tun will, wird er missverstanden. Dieser Moment der Skepsis: Wie? Der will was Gutes? Woher kommt das denn jetzt? Auch eine Mutter Theresia wurde falsch interpretiert. Der Film dreht sich um dieses Prinzip. Das war es, was mich gereizt hat. Ich denke, das Thema ist nach wie vor aktuell. Denn obwohl über alles geredet wird, obwohl wir emanzipierter sein sollten, tappen wir noch immer in die gleichen Fallen. Egal, wo wir sind.
Anders sein, das Heraustreten aus der Gesellschaft, um ihr dann einen Spiegel vorzuhalten, führt das zwangsläufig zu Gewalt? So wie Sie es in Ihrem Kurzfilm zeigen?
Ja. Zwar schämen sich die Leute hinterher, was ihnen in dem Moment klar wird, aber sie entschuldigen sich nicht. Sie denken: Ich bin ja nicht schuld daran, dass ich so reagiere, sondern der andere, der mich provoziert hat. Anstatt sich also über sich selbst Gedanken zu machen, wird die Kugel sofort dem anderen zugeschoben. Das ist etwas, was immer wieder passiert. Ob es jetzt im Privaten, in der Familie oder in einer großen Firma ist. Man sieht es zum Beispiel in Deutschland: Manager, die eine Firma in den Ruin treiben, kommen mit einem blauen Auge davon, während andere gefeuert werden. Das ist ein Problem, das nicht nur mit dem Christentum zu tun hat, und nicht nicht nur mit dem Kapitalismus. Es ist schwer für Menschen, Fehler zu gestehen.
Ihr Film hat von der deutschen Filmbewertungsstelle das Prädikat „Besonders wertvoll“ erhalten. Wie kam das?
Dafür muss ich etwas ausholen. Die Dreharbeiten hier in Bukarest dauerten zweieinhalb Tage. Wie gesagt eine Independent-Produktion – ohne Geld, jeder hat umsonst gespielt. Es war fantastisch, aber dann hat die Postproduction sehr lang gedauert, weil die Mittel dafür fehlten. Ich wollte zur Berlinale, was ich aber nicht geschafft habe, da der Film erst Ende Januar 2014 fertig wurde. Dann habe ich mir gesagt: OK, bevor ich den Film bei anderen Festivals einreiche, teste ich ihn. Ich schickte „Omul“ an die sehr kritische Mediengesellschaft in Wiesbaden. Die haben mich dann sofort angerufen und sagten: Wow. Und ich antwortete: Wirklich? Wow? Das war für mich eine sehr große Bestätigung.
Welche Resonanzen haben Sie außerdem auf Ihren Film bekommen? Wo lief er bisher?
Offiziell lief der Film außer auf diesem Festival noch nicht. Ich habe ihn nach Hof (Die Hofer Filmtage. Die Red.) zu Heinz Badewitz geschickt. Dabei dachte ich: Hof ist Ende Oktober, bis der antwortet, das dauert. Aber er hat innerhalb von einer Woche reagiert. Das war im März. Er sagte: Bitte blockieren für Deutschland. Nirgendwo zeigen. Ich will ihn in Hof zur Premiere haben. Hof ist für Deutschland ja nach wie vor ein Meilenstein. Den Film dort zeigen zu dürfen, ist ein Wahnsinnskompliment und eine Ehre. In Deutschland ist der Film daher blockiert und darf bis dahin nicht gezeigt werden. Dann wird „Omul“ Ende September beim Raindance-Filmfestival in London laufen, was ein sehr wichtiges Festival für Independentfilme ist. Weitere Termine befinden sich noch in der Planung.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Ben Uhder.