Hermannstadt - Es boomt, das Mittelalter in Rumänien. An jedem Wochenende findet in einer anderen Burg ein Festival statt. Burgen gibt es genug, mittlerweile auch Ritterorden, Musikergruppen, Schauspieltruppen, Tanzensembles und andere Nachahmer eines Zeitalters, das im Rückblick faszinierend gewesen zu sein scheint. Jahr um Jahr lassen sich die Veranstalter die Feste mehr kosten und einige sind bemüht, die Auswüchse an Falsch und Kitsch im Zaum zu halten. Der gute Wille zählt!
Zum elften Mal fand am vergangenen Wochenende das Mittelalterfest „Siebenbürgische Burgen“ in Hermannstadt/Sibiu statt. Es war wie stets und überall: Jedwelcher Jahrmarkt lockt Händler und Neugierige an, jedwelches Spektakel Schaulustige. Trotz Temperaturen von über 30 Grad im Schatten schlenderten selbst um die Mittagszeit Hermannstädter und Touristen an den zahlreichen und sehr unterschiedlichen Ständen am Große Ring/Piaţa Mare vorbei, um jedwelche Schausteller scharten sich sofort Kinder und Erwachsene, mit Handys und Kameras gewappnet. Abends hatte man Mühe, sich einen Weg durch die in der Altstadt versammelte Menschenmenge zu bahnen.
Länger als bei den bisherigen Festivals war heuer die Route des Eröffnungszuges der kostümierten Teilnehmer. Aus Publicity-Gründen waren die Moderatoren und Gestalter/-innen der beliebten Satire-Sendung „Cronica Cârcotaşilor“ eingeladen worden, als Edelleute verkleidet, an der Spitze des Zugs lächelnd durch die Menschenmengen zu gehen. Der Aufmarsch führte von unter der Lügenbrücke über den Kleinen Ring/Piaţa Mică unter dem Ratsturm durch auf den Großen Ring, von da durch die Reißenfelsgasse/Str. Gh. Lazăr in die Harteneckgasse/Str. Cetăţii und runter zur 90er Kaserne, von wo dann der übliche Gang durch die Heltauergasse/Str. Bălcescu auf den Großen Ring/Piaţa Mare erfolgte.
Auf der dortigen Bühne angelangt, wurden traditionsgemäß alle Teilnehmertruppen von den diesjährigen Ansagern, den Schauspielern Cendana Trifan und Bogdan Sărătean, vorgestellt. Als erste Gasttruppe bot anschließend Drachenmond aus Deutschland eine Art Minnesang. Die Mehrzahl des Publikums jedoch kämpfte um einen Platz um den Springbrunnen, wo die Feuerschlucker der Truppe Crispus anschließend ihre Kunststücke zeigten.
Aus der Gastgeberstadt war der Orden der Artgotik-Ritter dabei, dessen Fahnenschwinger einzigartig in der rumänischen Ritterordenslandschaft sind. Der Wind wehte am Samstag jedoch so heftig, dass sie ihre Kunst nicht zeigen konnten und dann auch Sonntag nur von Burgfräulein flankiert aufmarschierten und ein paar Duelle mit dem Schwert simulierten. Ansonsten war nur noch der Orden der Muşat aus Radautz/Rădăuţi dabei, dessen Mitglieder mittelalterliche Gesänge und Gedichtvortäge boten und zeigten, wie Handpuppen zu fertigen sind, sowie die Bistritzer Garde, eingeladen von Ritter Hartmann, Freiherr aus Transsilvanien.
In bestem Rumänisch – der in Mediasch geborene Emil Hartmann zog vor 30 Jahren nach Deutschland, wo er Dozent für Bühnenfechten an der Theaterakademie und Schauspielschule Köln ist – erklärte er die verschiedenen Waffen und ihren Einsatz. Ebenfalls aus Bistritz stammt die Tanzgruppe Nosa, die Tänze zu keltischen Rhythmen zeigte aber auch den Tanz der Wäscherinnen oder einen Tanz schottischen Ursprungs. Gefallen hat die junge Theatergruppe Commedia aus Neumarkt/Tg. Mureş, die Stücke von Molière vorführte. Warum Molière in Hermannstadt, wo man doch Stücke um einheimische Gestalten hätte zeigen können? Zu den Dauergästen der Mittelalter-Festivals und auch heuer dabei waren die Dudelsackspieler aus Hunedoara und die Musikergruppe Nomen est Omen aus Bukarest.
Leider hielten sich die Gestalter (auch diesmal) nicht an das gedruckte und über Medien mitgeteilte Programm. Die ausgefallenen Darbietungen machte die Truppe des von Bogdan Sărătean geleiteten Kulturvereins BIS wett mit Schwänken und Pantomimen. Auch boten sie Szenen aus dem mittelalterlichen Hermannstadt – allerdings schneeweiß als Mimen kostümiert. Enttäuschend wenig Zuschauer waren bei dem als Highlight angesagten Konzert von Corvus Corax aus Deutschland zum Abschluss des Festivals am Sonntagabend. In der europäischen Mittelalter-Szene sehr berühmt, kannten die 1989 gegründete Truppe in Rumänien nur sehr wenige. Ihre Show war beeindruckend, die Dudelsack- und Trommel-Musik wirkte nach dreißig Minuten recht eintönig.
Stattgefunden haben die Spektakel inmitten des Jahrmarktes. Vor Brukenthalpalais und Rathaus war dessen authentischster Teil zu sehen. Da schnitzten, schmiedeten und werkelte Handwerksgesellen in Kluft. Fertiggebracht haben sie u. a. einen Holzesel, d. h. ein Fahrrad gänzlich aus Holz! Aus Holz gab es ferner die üblichen Haushaltsartikel, dergleichen waren auch aus Keramik da, im Haus zu nutzen ansonten die Seifen, Salben und Tinkturen. Viele der Anbieter von Schmuck, Kleidung und Lederwaren konnte man am vergangenen Wochenende bei ArtBoutique antreffen, mit anderen feiert man am kommenden Wochenende am Töpfermarkt Wiedersehen, mit den Verkäufern von Süßigkeiten, Honig, kandierten Nüssen usw. spätestens am Adventsmarkt. Einigen Festbesuchern hat es gefallen, andere meinten, im vorigen Jahr war es besser organisiert.