Hermannstadt – Um sich die Zustimmung junger Generationen zu sichern, entwickelten totalitäre Systeme Sonderprogramme zur Eingliederung der Jugend. Das kommunistische Regime in Rumänien bildete hierbei keine Ausnahme. Von den Falken des Vaterlandes bis hin zum Verband der Kommunistischen Jugend – die Partei versuchte die Kinder und Jugendlichen durch Massenorganisationen auf den Weg zum neuen Menschen zu führen, welcher seinen Beitrag zur Erhebung des sozialistischen Rumäniens auf neue Gipfel des Wohlstands leisten sollte. Gleichzeitig war es die Jugend, welche durch ihre Offenheit für das Neue, welche das Unterdrückungssystem der Partei nicht gänzlich unterbinden konnte, stetig die Strukturen des Systems untergrub und letztendlich dessen Fall herbeiführte.
Vor diesem Hintergrund lud die Evangelische Akademie Siebenbürgen (EAS), in Zusammenarbeit mit der Hanns-Seidel-Stiftung, der Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt/Sibiu und dem Nationalen Rat zur Aufarbeitung der Securitate-Archive (CNSAS), am 7. und 8. April zur Tagung „Jugend im Kommunismus“ in das Hans-Bernd-von-Haeften-Tagungshaus ein. Über anderthalb Tage erstreckten sich die Vorträge von ausgewiesenen Experten wie dem CNSAS-Vorsitzenden Dr. Dragoş Petrescu und Dr. Florentina Budeancă, Historikerin beim CNSAS, bis hin zu Masteranden, die in ihren Vorträgen, beispielsweise zur psychiatrischen Unterdrückung durch das Regime, ins Detail einführten und dem Publikum sehr interessante Einblicke hinter die Kulissen und Ideen der Parteiführung lieferten.
Petrescu bot mit „Geschichten mit Spionen: die junge Generation und die Legitimierung der Partei“ den einleitenden Vortrag der Konferenz, Budeancă sprach am zweiten Tag zu „Radio Freies Europa: ein Tor zur Freiheit für die Jugend der 1970er- und 1980er-Jahre in Rumänien“. Brücken zu den Minderheiten schlugen der Klausenburger Historiker Dr. Tamás Lönhárt mit einem Vortrag über die Auswirkungen der ungarischen Revolution auf die Studenten und Professoren an der Babeş-Bolyai-Universität und Thomas Şindilariu, der über die Nebenziele der Securitate im Schwarze-Kirche-Prozess sprach. Noch in diesem Jahr soll ein Tagungsband mit allen achtzehn Referaten erscheinen. Die Erwartungen der Akademie übertroffen hat die Teilnehmerzahl von mehr als 100. Dementsprechend zufrieden zeigte sich Pressereferent Manuel Stübecke.
Positives Feedback erhalten wir derzeit durch etliche Anmeldungen für Workshops, die ab der kommenden Woche starten, so Stübecke weiter. Für Klassen und Jugendgruppen werden Seminare im Rahmen der Ausstellung „Meine Jugend im Kommunismus“ stattfinden. Ziel ist die aktive Entdeckung der jüngeren Geschichte Rumäniens durch die Jugendlichen. Darüber hinaus soll ein Beitrag zum Verständnis zwischen den Generationen geleistet werden, da die Eltern- und Großelterngenerationen sowie teilweise auch ältere Geschwister selbst ihre Jugend im Kommunismus verbrachten. Die Seminare finden in deutscher Sprache statt und werden von dem Historiker Dr. Corneliu Pintilescu, EAS-Projektleiter Roger Pârvu und Manuel Stübecke geleitet. Eine Anmeldung bei der Akademie ist weiterhin möglich.