Fit für einen Event-Tourismus

Eine erste Bilanz der Projektes „Entdecke die Seele Siebenbürgens“

In und an der Kirchenburg war die Ausstellung zur „Mărginime“ angebracht, mit Fotos auch von den Brüdern Fischer.

Luminiţa Cioabă las aus ihren Gedichten und Beatrice Ungar deren deutsche Fassung. Rechts Projektmanager Dr. Stefan Cosoroabă.

Der Kerzer Martin Szegedi lässt sich von Atilla Nagy den Gulasch reichen.
Fotos: Hannelore Baier

Hermannstadt - Im vergangenen Jahr waren nur rund 20 Personen zum Gottesdienst in sächsischer Mundart anlässlich des Reformationsfestes nach Michelsberg/Cisnădioara gekommen, heuer wohnten ihm, da ein „siebenbürgisches“ Fest angeboten, über 80 Leute bei. Angereist waren sie aus Gemeinden wie Alzen/Alţâna oder Kerz/Cârţa, selbstverständlich aus dem nahegelegenen Heltau/Cisnădie, aber auch aus Hermannstadt/Sibiu. Aus Letzterem trotz dort ebenfalls stattfindendem Reformationsgottesdienst.

Begrüßt wurden die Teilnehmer im Verlauf der Veranstaltung viermal von Dr. Stefan Cosoroabă, dem Manager des im Frühjahr von der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien gestarteten Projektes „Entdecke die Seele Siebenbürgens“, der auch die Idee dieses siebenbürgischen Reformationsfestes hatte. Wie berichtet, wurden Einblicke in die Kultur aller vier siebenbürgischen Gemeinschaften geboten. Das Einflechten klappte besser als vermutet und die Teilnehmenden betrachteten das Fest als gelungen.

Die Seele Siebenbürgens


Das siebenbürgische Reformationsfest sollte den Abschluss der Besuchersaison 2013 der in das Projekt einbezogenen Kirchen und Kirchenburgen darstellen. In seinem Rahmen wurde versucht, diese „tourismusfit“ (Dr. Cosoroabă) zu machen. Mit dem Ergebnis zeigte Manager Dr. Cosoroabă sich zufrieden. Besucher gab es rund 350.000, wobei die meisten – etwa 180.000 – in der Schwarzen Kirche in Kronstadt/Braşov, dem „Besuchermagnet“, gezählt wurden, zu denen weitere 20.000 Orgelkonzertbesucher dazu kamen. Die verbliebenen 150.000 Besucher teilen sich auf die weiteren wichtigen Kirchen und Kirchenburgen auf – Tartlau/Prejmer, Honigberg/Hărman, Deutschweißkirch/Viscri, Kerz/Cârţa, Michelsberg/Cisnădioara oder Heltau/Cisnădie auf. Die Bergkirche in Schäßburg/Sighişoara wurde in den Sommermonaten pro Woche von rund tausend Personen besichtigt, Birthälm/Biertan verzeichnete im August den Rekord von über 10.000  Besuchern, in den anderen Monaten jedoch lag die Zahl darunter.

Angeboten wurde im Rahmen des Projektes versuchsweise ein „Kirchenburgenpass“ (für einen pauschalen Preis konnten alle ins Projekt aufgenommenen Burgen besichtigt werden) – dessen Verkauf blieb jedoch unter den Erwartungen, so Dr. Cosoroabă. Zum Einen kam er erst Ende Juni heraus, als die meisten Reisen bereits geplant waren. Zum Anderen benötigt so ein Instrument erfahrungsgemäß mehrere Jahre, um sich durchzusetzen. Sehr gut wurde er über das Internet und in Deutschland verkauft, schlecht in Siebenbürgen, weil jene, die bereits dort waren und auf ihn stießen, den Eintritt bereits gezahlt hatten. 2014 soll er im Januar am Markt sein, wenn die Reisen geplant werden, und mehr über Tourismusagenturen und Touristen-Info-Punkte angeboten werden.

Das Ergebnis des ersten Projektjahres schätzt Dr. Cosoroabă dennoch als erfolgreich ein, und das sei kein „Zweckoptimismus“. Es sei deutlich geworden, dass sich Gruppen und Tourismusunternehmen für das Angebot interessiert haben. Ein Tourismusunternehmen hat bereits den Ankauf von tausend „Pässen“ angekündet. Außerdem ist es auch ein Spendeninstrument, denn manche überwiesen beim Kauf des Kirchenburgenpasses über das Internet mehr als die geforderte Summe, weil ihnen das Anliegen wichtig ist.

Heuer war das Unterfangen ein Versuch, am 16. November findet in der Evangelischen Akademie Siebenbürgen ein Tourismus-Workshop statt, auf dessen Tagessordnung ein Besprechen des Projektes steht. Angedacht ist, 2014 eine Regelung einzuführen, dass 70 Prozent der Einnahmen an die teilnehmenden Kirchen und Kirchenburgen ausgeschüttet wird, für zentrale Aufgaben bleiben also 30 Prozent übrig. „Dieses Instrument muss also in Zukunft so viele Besucher anziehen, dass es sich für die teilnehmenden Kirchen lohnt, lieber 70 Prozent von viel als 100 Prozent von wenig zu erhalten (falls sie nicht einbezogen werden möchten)“, so Dr. Cosoroabă. Gemeinschaftlich soll  entschieden werden, welche Besuchsobjekte auf den Kirchenburgenpass 2014 kommen und welche nicht. Essentiell sei, dass auch klassische Kirchenburgen drauf stehen, aber auch andere, die mittels diesem Instrument gefördert werden. Es braucht die Zugpferde, das Vorhaben soll aber auch jenen von Nutzen sein, die dadurch in die Öffentlichkeit gelangen.

Event-Tourismus


Gezeigt hat sich, dass Events – Konzerte, Brauchtumsfeste oder neuzeitliche, Reiseleitungen, usw. – einen Publikumszustrom erwirken (können). Das geschah am Reformationstag auch in Michelsberg. Die von der SwissWebAcademy zusammengestellte Ausstellung, auf deren Poster Fotos aus den Dörfern der Mărginime, dem rumänischen Umland Hermannstadts, zu sehen sind, die aber auch QR-Codes enthalten, über die man weitere Informationen erhält, auf deren Internet-Plattform man aber auch aktuelle Events aus dieser Gegend verfolgen kann, wurde von Lucian Hârceagă vorgestellt. Mehrere der genutzten Fotos stammen aus dem im Teutsch-Haus aufbewahrten Archiv der Brüder Fischer – und schon gab es einen Bezug zu den Siebenbürger Sachsen, denen der zweite Schritt des Reformationsfestes gewidmet war.

Hierfür musste man sich von der Kirchenburg in die Dorfkirche begeben, wo im Raum unter der Empore Kaffee und Hanklich die Gäste erwartete. Nach Luthers Prinzip, den Bibeltext in der Sprache des Volkes zu verkünden, las Pfarrer Michael Reger diesen in Mundart vor und predigte in Sächsisch, denn das ist „was unsere Identität ausmacht“. Er sprach vom Verkünden des Gotteswortes gerade auch an jenem Tag, dessen Bedeutung laut Fernseh-Teletext darin besteht, dass Dunlop sein Patent für Gummireifen anmeldete bzw. Halloween gefeiert wird.

Einen Bezug zum Gottesdienst stellte Luminiţa Cioabă her, indem sie nicht bloß mehrere ihrer Gedichte in Rumänisch und Romani (und Beatrice Ungar deren deutsche Übersetzung) vorlas, sondern auch kurz Einblick in die Sprache und Geistigkeit ihres Volkes bot. Die Roma-Prinzessin schreibt seit rund 40 Jahren, ihre drei Gedichtbände sind jeweils viersprachig erschienen. In den letzten Jahren hat sie zudem bei zwei Filmen Regie geführt.
„Esst mit Gott“ sagen die Roma statt „Guten Appetit“. Beides traf zu für all jene, die Schlange standen, um von der scharfen Gulasch einen Schöpflöffel voll zu bekommen. Dazu gab es leckeres Kraut in Paprika. Um 17 Uhr rührte Atilla Nagy, der Gewinner des diesjährigen Gulasch-Kochwettbewerbs bei der Sommerausgabe von „Ars Hungarica“ bereits im Kessel über dem offenen Feuer im Pfarrgarten, zwei Stunden später war der Gulasch fertig. Die Michelsberger Gastgeber reichten dazu einen leckeren Wein.