Hermannstadt – In Sachen Umwelt und Klimaschutz wartet Hermannstadt/Sibiu noch immer auf seinen Durchbruch in die Weltspitze jugendlicher Demonstrationsbewegungen. Zwar kann sich der lokale „Fridays for Future“-Ableger inhaltlich als Teil einer globalen Folgemannschaft der schwedischen Vorkämpferin und sympathischen Asperger-Syndrom-Patientin Greta Thunberg präsentieren, doch müssen Paula Dörr, Schülerin des Brukenthalgymnasiums Hermannstadt sowie eine kleine Stammgruppe Erwachsener und Jugendlicher aus dem hauptsächlich deutschsprachigen Einzugskreis der lokalen evangelischen Kirchengemeinde A.B. alle bislang zumeist bescheiden ausgefallenen Rückmeldungen verschiedener Ecken der städtischen Öffentlichkeit als gegebenen Fakt hinnehmen. Donnerstag, am 9. Mai, dem Stichdatum des reibungslos verlaufenen informellen EU-Gipfeltreffens war Paula Dörr eine von drei Jugendlichen, denen eine persönliche Begegnung mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron geschenkt wurde. Ein Ausnahmetreffen an einem Ausnahmetag, das medial in die Welt ausgestrahlt wurde und in zahlenmäßig gewohnter Überschaubarkeit nach Hermannstadt und gesamt Rumänien zurückkehrt.
Dreistellige, vierstellige oder gar fünfstellige Zahlen demonstrierender Jugendlicher ließen auch vergangenen Freitag, am 24. Mai, am Großen Ring/Piața Mare auf sich warten. Geht es um Politik, vereint der Hermannstädter Hauptplatz Zivilmassen, die eher für Korruptionsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit denn für Umweltschutz zu streiten bereit sind. Zwei Tage vor dem Wahlgang für die Neubesetzung des Europaparlaments mussten Paula Dörr und die lokale Umweltschutz-Fangemeinde gar mit den Exponaten der alljährlichen Automesse Hermannstadt vorliebnehmen. Ressourcenverbrauchende Personenkraftwagen der Marken VW, BMW, Alfa Romeo, Renault und Audi für Straße und Gelände bestimmten das soziale Bild des Großen Rings. Dass gleich neben der Stammecke des „Fridays for Future“-Ablegers ein ausschließlich elektronisch betriebener Personenkraftwagen der Marke Renault mit einer Reichweite von bis zu 400 Kilometern interessierte Blicke jugendlicher Klimaaktivisten und erwachsener Passanten auf sich zog, schien vielsagender Zufall zu sein.
Fahrräder, Transparente, eine Gitarre, ein Mikrofon und ein tragbarer Lautsprecher taten optisch, akustisch und rhetorisch gute Dienste. Denkt man an die lokale Initialzündung zurück, die sich am Freitag, dem 15. März, ereignet hatte, waren vergleichsweise nur wenige Menschen vor Ort anwesend und bereit, englischsprachige Lieder mitzusingen und skandierenden Rufen ihre Stimme zu schenken. Nichtsdestotrotz spielt die Zutat namens Geduld auch im kleinen Hermannstadt ein und dieselbe große Rolle, die ihre maximale Dehnbarkeit schneller und früher erreicht haben könnte, als es Einwohnern und Touristen lieb ist.