Hermannstadt – „Was unsere Orgeln rettet sind Leute, die sie regelmäßig spielen, sowie Leute, die dabei zuhören und mitsingen“, erklärte Jürg Leutert am Dienstagabend im Hermannstädter Bischofspalais. Der Musikwart der Evangelische Kirche A.B. in Rumänien (EKR) diskutierte dort eine Stunde lang mit dem Orgelbauer Hermann Binder, im Rahmen der „Kirchenburgengespräche“ der Stiftung Kirchenburgen. Moderiert wurde die Veranstaltung mit dem Titel „Klingende Kirchenburgenlandschaft“ von Stefan Bichler, dem Referent für Öffentlichkeitsarbeit der EKR.
Zu Beginn des Gespräches schilderte Hermann Binder die jüngste Initiative aus Niedereidisch: Die kleine evangelische Gemeinde im Reener Ländchen wächst seit einigen Jahren wieder und hat sich nun vorgenommen, ihre Orgel wieder instand setzen zu lassen. Diese wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Wie Hermann Binder erklärte, wurde die Orgel im Jahr 1870 aus der Schäßburger Spitalskirche nach Niedereidisch gebracht und geht auf den Orgelbauer Johannes Vest zurück.
Vest stammte aus Oberungarn/Felvidék um kam 1671 nach Hermannstadt/Sibiu, wo er die damals größte Orgel des Landes baute. Diese kostete zu ihrer Zeit mehr als ein stockhohes Patrizierhaus auf dem Großen Ring. Bis heute erhalten ist ihr Prospekt. Hinter dem äußeren Erscheinungsbild befindet sich allerdings eine Orgel der Firma Wilhelm Sauer (Frankfurt/Oder) aus dem Jahr 1914.
Mit den Hinterlassenschaften von Johannes Vest hat sich Binder ausgiebig beschäftigt: „Wir haben mit der Baaßener Orgel eine echte Johannes-Vest-Orgel, die nur im äußeren Gewand im 18. Jahrhundert verändert wurde. Wir haben in Pócsfalva (rum. Păucișoara), in einer kleinen reformierten Gemeinde, ein Instrument, das ist ebenfalls ganz Johannes Vest.“ Er gilt als der erste bedeutende Orgelbauer Siebenbürgens.
Über die Gefahren, die den Instrumenten durch Vernachlässigung, Diebstahl und Schädlingsbefall drohen, sprach Jürg Leutert: „Wir haben die Verantwortung, und wenn wir die Verantwortung nicht übernehmen, dann übernimmt die Verantwortung die Natur. Und die Natur: Das können Ziegel sein, die fehlen und dann das Wasser, das reinkommt, dann sind es Insekten und Vögel, die dort nisten (…) und dann gibt es die Marder und die Mäuse“, stellte der Musikwart fest und fügte hinzu: „Wenn man auf den Orgeln spielt, das haben die Tiere nicht gerne.“