Karansebesch – Dem in zwei Prozessen zu insgesamt mehr als zehn Gefängnisjahren (noch nicht rechtskräftig) verurteilten ehemaligen Vizepräsident des Kreisrats Karasch-Severin, Ionesie Ghiorghioni, steht ein weiterer Prozess bevor. Donnerstagabend wurde der in Vorbeugehaft befindliche 63-Jährige zur Polizeistation einer seiner Wohnorte, nach Ferdinandsberg/Oţelu Roşu, gebracht, wo er sich Untersuchungen der Staatsanwaltschaft bezüglich einer neuen Beschuldigung stellten musste: er soll Dokumente des Forstkonpossesorats Bucova, dessen Vorsitzender er war, sowie der Jagdgemeinschaft Bucova, entwendet haben. In der Gemeinde Bucova haben im selben Gebäude sowohl das Forstkonpossesorat als auch der Jägerverein „Iezerul Bucovei“, dessen Vorsitzender Ghiorghioni bis zu seiner Verhaftung ebenfalls war, ihre Tätigkeit abgewickelt. Ebendort ist auch eine Apotheke eröffnet worden, so dass der an diversen Wohlstandserkrankungen leidende Ghiorghioni dort ein und aus gehen konnte, ohne dass dies besonders aufgefallen wäre. Dabei sei sein Ziel aber meist eines der Büros der Forstbesitzergemeinschaft oder des Jägervereins gewesen, behauptet sein Nachfolger in der Leitung des Forstkonpossesorats, Romeo Răduţă.
„Er hat die Tatsache ausgenutzt, dass der Haupteingang zum Gebäude immer offen war und, während seine Frau Rozina die Apothekerin in ein langes Gespräch verwickelte und damit ablenkte, drang er mit Zweitschlüsseln, die er sich rechtzeitig anfertigen ließ, in die Büros des Forstkonpossesorats ein, brach dort die Siegel auf und entwendete zahlreiche Originaldokumente zum Waldbesitz der Mitglieder der Forstgemeinschaft, aber auch vom Jägerverein, von dessen Vorsitz er inzwischen auch verdrängt werden musste“, berichtete Răduţă der Polizei in seiner Anzeige. „Es handelt sich vor allem um Intabulationsdokumente von Grundstücken, Forstschlägen, Forsteinrichtungen des Konpossesorats sowie um Schlüssel-Dokumente des Jägervereins“, berichtete Ghiorghionis Nachfolger beim Forstkonpossesorat. „Nicht zuletzt hat er sich die gesamte Dokumentation eines EU-Projekts zur Einrichtung von Forststraßen angeeignet, die dort aufbewahrt wurde und für die eine Ausschreibung gemacht wurde. Das sind u.a. Dokumente, bei denen es um 1,4 Millionen Euro geht. Das Projekt befindet sich in der Ausschreibungsphase.“ Nach Meinung von Răduţă verfolgt die Familie Ghiorghioni, die bis zur Verhaftung des Familienoberhaupts im Mai 2015 eine Art Herrscherfamilie des Oberen Bistratals war, das Ziel, dem Konpossesorat die gestohlenen Dokumente zu verkaufen und den Jägerverein samt Jagddomäne, wie eine Art Privatbesitz der Familie Ghiorghioni, an den Höchstbietenden zu verpachten: „Das haben die Ghiorghionis bereits mehrmals unter der Hand versucht, auch als er noch Präsident war. Die denken diabolisch!“
Der Zufall wollte es, dass Ghiorghioni, als er und seine Frau sich mit ihrem Auto vom Tatort entfernten, von Răduţă und mehreren Zeugen gesehen wurden. Răduţa nahm die Zeugen, aufgrund einer bösen Vorahnung, mit ins Gebäude und sie sahen die Spuren, die Ghiorghioni hinterlassen hatte: die zerstörten Siegel, die fehlenden Dokumente, ein ziemliches Durcheinander beim Konpossesorat und beim Jägerverein. Sie schlugen Alarm und riefen die Polizei aus Ferdinandsberg an, wonach diese zuerst Ghiorghioni auf der Straße stellte und sein Fahrzeug untersuchten. Răduţă: „Das taten sie aber nicht in meiner Anwesenheit, in meiner Eigenschaft als Präsident des Konpossesorats, wie es logisch, gesetzeskonform und normal gewesen wäre.“ Die Polizisten trieben Ghiorghioni in die Enge und der gab schließlich die Dokumente heraus – indem er behauptete, sie zur Bearbeitung nach Hause nehmen zu wollen – forderte aber die Papiere des Jägervereins als seine eigenen zurück, als er die schriftlichen Erklärungen bei der Polizei unterzeichnet hatte und frei gelassen wurde. „Als ob es nicht die Dokumente der Jagdgesellschaft, sondern seine eigenen gewesen wären“, kommentierte Romeo Răduţă.
Die polizeilichen und staatsanwaltlichen Strafuntersuchungen wegen Dokumentendiebstahls gegen Ghiorghioni und seine Frau laufen noch.
Werner Kremm