Hermannstadt – Den drei Rauchfängen mit Jalousien am First der Harbachtalbahn-Lokhalle entweichen schon seit mindestens 20 Jahren keine Dämpfe mehr. Obwohl nichts weiter als die Gleise der staatlichen Eisenbahngesellschaft CFR nach Kronstadt/Brașov und Bukarest das Diesel-Lokomotiven-Depot Hermannstadt/Sibiu vom geschichtsträchtigen Fachwerkhaus der Schmalspurbahn durch das Harbachtal/Mocănița Văii Hârtibaciului trennen. Burgberg/Vurpăr und Agnetheln/Agnita jedoch sind längst schon aus dem Fahrplan der CFR ab Hermannstadt gestrichen worden. Es pfeift schlicht und einfach nicht mehr auf der eingleisigen Strecke zum wichtigsten Ort des Harbachtals, die sonntags stattfindenden Sonderfahrten auf den sieben Kilometern von Holzmengen/Hosman zum Knotenbahnhof Cornățel und zurück ausgenommen. Weit und breit dürfte niemand mehr die Lokhalle dieser kultigen Schmalspurbahn noch irgendwie auf der Rechnung gehabt haben. Der ausdauernde Verein „Prietenii Mocăniței“ aber mag die Flinte auf keinen Fall ins Korn werfen, hat sich des gefährlich heruntergewirtschafteten und vernachlässigten Altbaus Anfang April 2022 als Pachtvertragspartner auf bestimmte Zeit anzunehmen begonnen. Läuft auch alles Weitere nach Wunsch, winkt ihm am fernen Ende des Tunnels die Option, das unbefristete wie ungeteilte Besitzrecht einvernehmlich auf seine Seite ziehen zu können.
Einstweilen hat die „Am-bulan]a pentru Monumente“ das Dach der Harbachtalbahn-Lokhalle neu gedeckt. Mit originalen Ziegeln vom Typ Kikinda und Patent 272, die der Bauzeit des Jahres 1910 perfekt entsprechen, doch im Großhandel des 21. Jahrhunderts keine Rolle mehr spielen und nur mit viel Glück am Gebrauchtmarkt zu finden sind. Architekt Eugen Vaida aus Alzen/Al]îna aber und seine NGO haben sich über eine dringend nötige Originalmaterial-Spende aus Sathmar/Satu Mare gefreut. Auch nahe der Grenze Rumäniens zur Ukraine waren vor sehr langer Zeit einmal Kikinda-272-Ziegeln aus Jugoslawien bestellt und später wieder ausrangiert statt unachtsam entsorgt worden. Denn in Lugosch (Banat) gebrannte Dachziegeln desselben Musters überlappten beim Verbauen nicht genauso gut wie jene aus dem südwestlich historischen Nachbarland. Zumal Architektin Diana Oprea, Einsatzleiterin der „Ambulanța pentru Monumente“ an der Hermannstädter beispielhaft verwahrlosten Lokhalle, den bislang vorletzten Umgang mit dem Fachwerkhaus gleich mehrfach kritisiert: eine flächendeckende Ausstattung des alten Dachstuhls mit unsachgemäßem Bitumen habe Eindringen von Regen und Niederschlägen zwar verhindert, aber nach und nach trügerische Feuchtigkeit in viel Holz einwirken lassen. Und die brandneuen Ziegeln der Marke Tondach, aus denen vor etwa zehn Jahren eine neue Dachhaut gelegt wurde, entstammen einer sehr schlechten Produktionsserie, deren Mängel binnen kürzester Zeit auftraten.
Sparren und Balken in nicht mehr einwandfreiem Zustand wurden durch neue ersetzt. Das Dach der Lokhalle mutet zwar immer noch unverändert an, hat jedoch eine mustergültige Generalüberholung verpasst bekommen. Dienstag, am 18. April, sind Freiwillige und Architektin Diana Oprea angerückt. Das Ergebnis ihres Aufwands kann sich seit Montag, dem 8. Mai, sehen lassen. All dem zeitweise unvorteilhaften Wetter zum Trotz, das ein Werkeln im Freien über Tage erschwerte, doch stets geschickt mit von innen ausgeführten Wartungsarbeiten am Dachstuhl gekontert wurde. Am Maifeiertag gönnte die „Ambulanța pentru Monumente“ sich hier keine Pause. Prioritär das Vorhaben, unter allen Bedingungen fertig zu werden, was mit jeweils bis zu 15 gleichzeitig Hand anlegenden Volontären nicht gerade ein Ding der Unmöglichkeit sein sollte. Den Diebstahl von Gleisen, Wasserkessel, Bahnhof-Drehscheibe und allem Metall, das in den letzten zwei Jahrzehnten mit Werkzeug oder gar Gewalt illegal und anonym entwendet wurde, konnten sie natürlich nicht umkehren. Der Nutzwert ihrer Intervention hingegen steht prioritär in der Zukunft.
Der Verein „Prietenii Mocăniței“ hat bereits alte Schmalspurbahn-Schienenstränge für die ausgeraubte Lokhalle nachgekauft und sie zum Tragen eines rostenden und noch nicht wieder fahrtauglichen Dampftriebwagens in Gebrauch genommen. Ähnliches soll so bald wie möglich auch an den kleineren Bahnhöfen von Alzen, Cornățel und Holzmengen in die Gänge kommen und auf wetterfesten Stand rückgeführt werden, informiert Architektin Diana Oprea. Der Stolz der Harbachtalbahn-Fans nimmt langsam wieder Fahrt auf, auch wenn die Waggon-Schilder für die Strecken nach Agnetheln und Burgberg vorerst noch verwittert und einigermaßen versteckt an der Lokhalle hängen – fast die einzigen Metallteile also, die noch nicht geklaut wurden. Vor Diebstahl sicher ist außerdem noch die spezifische Folklore der „Wusch“, weil Galileo Galilei als Namensgeber einer Straße in enger Nachbarschaft zur Lokhalle wunderbar in eine Landschaft guten Mutes passt, die einfach viel mehr als nur Trübsal-Blasen kennt: „Und sie bewegt sich doch.“ Inspirierend die Ion-Creangă-Straße zudem, an deren Ende die legendäre Lokhalle für noch ungeschriebene Geschichten Beweis steht: „Că, dacă n-ar fi fost, nu s-ar povesti.“ Wär´s nicht wirklich so gewesen, man würde es sich nicht erzählen.