Hermannstadt – Keine Epoche ist derart von Vorurteilen umgeben wie das Mittelalter. Die wohl hartnäckigste Fehlannahme geht davon aus, dass es zwischen dem Ende der Antike und dem Beginn der Neuzeit keinen Fortschritt gegeben habe. Doch auch die edlen Ritter sind eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Einerseits soll der Ausspruch „wie im tiefsten Mittelalter“ konservative Ansichten delegitimieren, andererseits freuen sich Mittelaltermärkte überall in Europa großer Beliebtheit.
Bereits zum 19. Mal fand am vergangenen Wochenende in Hermannstadt/Sibiu das Mittelalterfestival „Transsylvanische Festungen“ (Cetăţi Transilvane) statt – in diesem Jahr unter dem Motto: Der Fluch der Hexe, einem weiteren beliebten mittelalterlichen Klischee. Drei Tage lang stand die Altstadt unter dem Fluch der mächtigen Despina, einer jungen Frau aus dem 16. Jahrhundert, die der Hexerei beschuldigt und schließlich verbrannt wurde. „Wir bemühen uns, die Menschen in diese Zeit zu versetzen, um ihnen das magische Licht voll von „Zauberern und Hexen“ zu zeigen“, hieß es in der Programmankündigung. Ein historischer Spaß, ohne Anspruch auf tatsächliche Wiedergabe von Fakten.
Zahlreiche Mythen und Sagen ranken sich um die ehrenhaften Ritter, die auf keinem Mittelalterfestival fehlen dürfen, auch nicht auf dem Großen Ring/Piaţa Mare in Hermannstadt. Dort bespaßten sie mit Schaukämpfen das Publikum, obwohl die grausamen Schlachten des Mittelalters wenig mit ritterlichen Zweikämpfen zu tun hatten. Vielmehr handelte es sich um wüste Keilereien, wie dumpfe Hiebverletzungen an den Skeletten in mittelalterlichen Massengräbern zeigen.
Gleichwohl begeisterte schon die Parade der Ritter, Gaukler und Handwerker das Hermannstädter Publikum. „Über 200 Künstler nahmen an den rund 130 Veranstaltungen des Festivals teil und schufen eine einzigartige und unterhaltsame Atmosphäre für die rund 30.000 Menschen, die vom 23. bis 25. August auf den Großen Ring und in der Fußgängerzone der Heltauergasse/Nicolae Bălcescu kamen“, heißt es von den Veranstaltern. Für die musikalische Umrahmung sorgten die „Cimpoierii din Transilvania“, Hollóének Hungarica aus Debreczin/Debrecen sowie Prima Nocta aus Belgien.