Hermannstadt - „Gedichte haben es in der deutschen Sprache allgemein schwer – aber Rose Ausländer ist da eine Ausnahme!“, wie Jochen Schmidt überzeugend zu bestätigen weiß. Der Mitbegründer der Friedensbibliothek und des bald 50 Jahre aktiven Antikriegsmuseums der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, das seit Januar 2000 im Haus der Demokratie und Menschenrechte in der bundesdeutschen Hauptstadt wohnt, kennt Siebenbürgen und Rumänien aus vielfacher Reiseerfahrung und begleitete Freitagabend, am 17. Juli, die Eröffnung der Ausstellung „Dennoch Rosen – die Lyrikerin Rose Ausländer“ im Chor der evangelischen Stadtpfarrkirche am Huetplatz/Piața Huet in Hermannstadt/Sibiu. Er erinnert sich genau und gerne daran, dass die erste Gast-Ausstellung der Friedensbibliothek und des Antikriegsmuseums Berlin im selben Gotteshaus Hermannstadts bereits 1999 stattfand. Keines der 21 seither vergangenen Kalenderjahre verlief ohne ein Ausleihen von geschichtlich aufklärenden und pazifistisch werbenden Schautafeln an die evangelische Kirchengemeinde A.B. Hermannstadt, worauf Stadtpfarrer Kilian Dörr gerechtfertigt große Stücke hält. Zwei Dutzend Jugendliche und Erwachsene nutzten die Vernissage der aktuellen Ausstellung als Chance zu angstfreier Begegnung. Sämtliche anwesenden Gesichter verbargen sich teilweise hinter einer Atemschutzmaske. Leise oder laut gegen die öffentlich empfohlene Sicherheitsmaßnahme aufbegehrende Worte waren nicht zu hören.
Der Eingang zur Ausstellung führt durch die für den Publikumsverkehr geöffnete Sakristei auf der Nordseite der Stadtpfarrkirche, deren Großbaustelle sowohl von außen als auch von innen auf entschieden heller spielende Farben der nahen und mittleren Zukunft schließen lässt. Selbst im ruhigen Sprechen von Jochen Schmidt vor neuer Kulisse des Innenraumes trat eine Qualität der Schwingung auf, die bisherige Hörgewohnheiten positiv überrascht. Jürg Leutert, Musikwart der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien, stellte die geweiteten Klangmöglichkeiten schön an Cembalo und Violine unter Beweis. Beatrice Ungar, Chefredakteurin der „Hermannstädter Zeitung“, hat die ausgestellten Gedichte Rose Ausländers originalgetreu in die rumänische Sprache übertragen.
Dem Gast aus Berlin zufolge wäre die Idee der Ausstellung der Friedensbibliothek und des Antikriegsmuseums über Rose Ausländer ohne die Mithilfe von Experte und Verleger Helmut Braun, der die aus Czernowitz stammende Lyrikerin persönlich kannte, nicht möglich gewesen. Rose Ausländer wurde 1901 geboren. Vor der 1923 in New York erfolgten Heirat mit Ignaz Ausländer, von dem sie sich 1930 scheiden ließ, trug sie den Namen Rosalie Beatrice Scherzer. Oft reiste Rose Ausländer von Europa in die USA, um der heraufziehenden Wolke von Feindlichkeit über dem alten Kontinent für eine Weile zu entfliehen. Der Beginn des Zweiten Weltkrieges überraschte sie an ihrem Geburtsort während eines Pflegebesuches bei ihrer kranken Mutter. Rose Ausländer überlebte Krieg und Ghetto, entging als Versteckte der Deportation und Zwangsarbeit und verbrachte ihr Leben, das sie 30 Jahre lang unter normalen Wohnverhältnissen hatte führen können, fortan als Kofferreisende.
Jochen Schmidts biografische Ausführungen über Rose Ausländer endeten mit der Frage eines Reporters an die hochbetagte Lyrikerin: „Was erwarten Sie noch vom Leben?“ - „Nichts. Und ich bin trotzdem zufrieden!“, so die Antwort der Dame von Welt aus der untergegangenen Kulturmetropole der Bukowina. Ihr Nachlass wird im Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf aufbewahrt. Dr. Hermann Pitters, emeritierter Professor für Kirchengeschichte am Protestantisch-Theologischen Institut Hermannstadt, führt in seiner Privatbibliothek Rose Ausländers sämtliche Gedichte. Die Ausstellung „Dennoch Rosen“ der Friedensbibliothek und des Antikriegsmuseums Berlin in der evangelischen Stadtpfarrkirche Hermannstadt dauert bis Mitte September an. Fallen die Besucherzahlen hoch aus, wird die Schließung der Ausstellung aufgeschoben. Rose Ausländer starb 1988, doch ihre Worte entbinden täglich neue Keime des Friedens, die von Augenpaaren gewässert sein wollen.