Hermannstadt - Andreea Petre, 17 Jahre alt und Schülerin der Klasse 11 B der Brukenthalschule, ist begeistert: „Ich war schon vor zwei Jahren hier und es hat mir sehr gut gefallen, obwohl es auch oft anstrengend war.“ So hilft Andreea gemeinsam mit anderen Schülern des Samuel-von-Brukenthal-Gymnasiums Hermannstadt/Sibiu sowie des Liviu-Rebreanu-Gymnasiums Bistritz auch in diesem Jahr wieder bei den systematischen Ausgrabungen von jungsteinzeitlichen Siedlungen im Bereich „Gura Luncii“ südlich des Mieresch bei Tărtăria.
Unter Anleitung der Archäologen Prof. Sabin Luca, Dr. Florentina Martiş, Dr. Ana-Maria Tudorie, Dr. Vasile Palaghie, Dr. George Natea und Sergiu Chidesa spachteln, kratzen und graben die Schüler trotz großer Hitze in der Sektion V der Ausgrabungsstätte. Die Arbeiten hier führt das Hermannstädter Brukenthalmuseum, ein langjähriger Partner der Brukenthalschule, in Zusammenarbeit mit dem Einheitsmuseum Weißenburg/Alba Iulia durch. Die Arbeiten konzentrieren sich dabei auf die Zeit des Neolithikums (Vinca-Kultur, 5700-4500 v.Chr., benannt nach dem Ort Vinca bei Belgrad/Serbien) und des Aneolithikums (Petreşti-Kultur, 4000-2500 v.Chr., benannt nach dem Ort Petreşti/Petersdorf bei Mühlbach/Sebeş). Bemalte Tontöpfe, Axtblätter aus Knochen und steinerne Messer gehören zu den Fundstücken, ebenso legen die Schüler Überreste von Pfosten und Wänden jungsteinzeitlicher Häuser frei. Nach getaner Arbeit auf dem Feld widmen sich die Campteilnehmer dem Säubern der Fundstücke sowie der sogenannten „Paläobotanik“ bei welcher karbonisierte Samen oder Insekten (z.T. über 7000 Jahre alt) aus der Erde herausgefiltert werden.
„Bisher kannte ich Archäologie nur aus Filmen wie „Indiana Jones“ mit Harrison Ford oder „Das Vermächtnis der Tempelritter“ mit Nicolas Cage“ sagt Andreeas Klassenkamerad Teodor Stiniguţă (18), „aber in dieser Woche habe ich die Archäologie als Wissenschaft kennengelernt“. Und Andreea ergänzt: „Die Archäologen waren sehr nett und haben uns ihre Werkzeuge, Pläne und Zeichnungen genau erklärt. Sie arbeiten sehr präzise, auch mit dem Computer, und jeder ist auf etwas anderes spezialisiert“. Nachdem Prof. Nicolae Vlassa in Tărtăria schon 1961 drei beschriebene Tontafeln gefunden hatte, wurde vor kurzem in Sektion S1 tatsächlich ein weiteres (rundes) beschriebenes Täfelchen gefunden, welches auf 5000 v. Chr. datiert wird. Eine siebenbürgische Weltsensation, denn die gefundene Schrift ist damit 1000 Jahre älter als die ersten schriftlichen Zeugnisse der Sumerer in Mesopotamien. Das Buch „Tărtăria Rediviva“ (Rumänisch-Englisch, 331 Seiten, 77 Lei, im Brukenthalmuseum erhältlich) von Prof. Sabin Luca gibt nähere Auskünfte zu diesem Sensationsfund.
Auch Andreea Petre ist von den Tărtăria-Funden sehr angetan: „Es ist unglaublich, dass wir an demselben Ort stehen, an dem vor 7000 Jahren eine Zivilisation war und dass Dinge aus ihrem Alltag für uns heute sehr bedeutend sind. Ich überlege nun, ob ich Archäologie studiere. Zwar muss man als Archäologe sehr viel arbeiten für sehr wenig Geld und das kann man nur mit Leidenschaft machen – aber die habe ich!“
Hugo-Alexander Frohn