Temeswar - Mit dem NiL-Wochenende begann der Monat im Deutschen Staatstheater Temeswar (DSTT) und soll damit auch enden. Ganze acht Vorstellungen von und für Groß und Klein bescherte der Premierenmarathon der NiLs am 5. und 6. April auf der Bühne des DSTT. Inszenierungen von Isolde Cobe], Robert Bodganov-Schein und Alma Diaconu waren zu freiem Eintritt zu sehen. Auf die Bühne traten Schüler der Nikolaus-Lenau-Schule von der 5. bis zur 12. Klasse und spielten vor Mitschülern, Familien, Freunden und Lehrern, sowie Schauspielern des Deutschen Staatstheaters sowohl Drama, Komödie, politisches Theater als auch Märchen. Zum Abschluss wurde Samstagabend Abschied genommen: Die Zwölftklässler bekamen teils unter Tränen kleine Präsente und eine Videorückschau auf ihre Leistung in den Vorjahren. Auch für Isolde Cobeț gab es ein Ständchen und langanhaltendem Applaus aller Beteiligten nach 28 Jahren theaterpädagogischer Arbeit und Betreuung der NiL-Schülertheatergruppen. Sie sagt, sie werde demnächst in den Ruhestand treten und damit auch die Betreuung des deutschsprachigen Schauspielernachwuchses in Temeswar an die nächste Generation übergeben. Und die lässt sich sehen, betrachtet man die Stücke, die am Wochenende in Szene gesetzt wurden: Die „Farm der Tiere“ von George Orwell wurde von Diaconu und Bogdanov-Schein inszeniert: „Die meisten Schüler kannten wir schon vom letzten Jahr und wir wussten, wie schlau sie sind, dass sie sich für so etwas auch interessieren, und Robi hat es ursprünglich während der Uni gespielt und hat daran gedacht. Und es war eigentlich eine sehr schöne Arbeit mit den Großen, natürlich auch mit den anderen (Anm. d. Red.: jüngeren Schülern), aber es hat eine andere Qualität, mit Teenagern zu arbeiten“, berichtet Alma Diaconu. Man hat bei der Inszenierung nicht Tiere auftreten lassen, sondern Menschen mit animalischen Charakterzügen und tierähnlichem Verhalten, ein tatsächlich sehr politisch gehaltenes Drama, wobei dabei geachtet wird, dass auch immer wieder witzige, lustige Momente erzeugt werden, die das ganze auflockern.
Isolde Cobeț setze in diesem Jahr bei der Arbeit mit NiL-Junior auf ein selbstgeschriebenes Stück: „Freundschaft oder Liebe“. „Ich habe es in dem Jahr verfasst, als die jetzigen Zwölftklässler in der 7. und 8. Klasse waren. Und dadurch, dass damals die Pandemie gekommen ist, konnten wir es nicht präsentieren. Darum wollte ich es mit der heurigen Generation inszenieren und habe dabei bemerkt, die Generationen sind so sehr anders, haben andere Interessen, eine andere Art, sich zu unterhalten. Damals haben die Kinder in der siebenten Klasse über Sturm und Drang, über Poesie gesprochen und teils Marlene Dietrichs Lieder gehört. Die jetzige Generation kann damit nichts anfangen“, erklärt Isolde Cobe] den Entstehungsprozess. Handlung: Es ist Geburtstag eines 14-jährigen Jungen, zu dem die Klasse kommt. Natürlich gibt es auch einen Liebeskonflikt, denn eines der Mädchen wird von ihm und von seinem besten Freund begehrt. Die anderen Partygäste versuchen zu schlichten, indem sie über verschiedene Themen sprechen, über Erwärmung der Erde, über Sturm und Drang, über Poesie usw.
Die DSTT-Schauspielerin Alma Diaconu ist in diesem Jahr zum ersten Mal Gruppenleiterin im Team mit Robert Bogdanov-Schein. Sie hätte sich ausprobieren wollen und nahm die Herausforderung an, zumal sie das Arbeiten mit Kindern mag, doch fügt sie schnell hinzu, dass es eine harte Arbeit sei, bei der es viel zu tun gäbe. Da es viele Kinder in der Lenau-Schule, die Theater machen wollen, sind mehrere Gruppenleiter gefordert gewesen und es entstanden auch mehrere Gruppen. Drei mal pro Woche wurde geprobt. „Man muss ja auch eine bestimmte Art von Person sein: streng, aber auch sanft, denn sie sind sehr empfindlich. Sie brauchen einen Leiter, aber auch einen Freund. Und ich hoffe, ich habe das geschafft. Diese Kinder können sehr laut sein und auch unaufmerksam. Man muss ihnen ständig sagen, leiser zu sein und aufmerksam zuzuhören. Die Kleinen, die können meistens zehn oder 15 Minuten richtig dabei sein. Dann ist die Aufmerksamkeit weg und sie brauchen Handy, auf Toilette, haben Hunger oder irgendwas ist immer. Da ist es ein bisschen schwer, sie eine Stunde oder sogar eineinhalb Stunden am Ball zu halten. Ihre Aufführung dauert ja 30 Minuten, was ziemlich lang noch für ihr Alter ist“, beschreibt Diaconu. Mit den Fünftklässlern inszenierten sie „Der verzauberte Prinz“, ein modernes Märchen mit Prinzen, Feen, bösen Hexen und auch mit einem Kater und einem Raben, so dass sich zwei von den Darstellern auch ausprobieren konnten, wie es sei, Tiere zu spielen.
„Das Camp“ nach Andreas Galk, handelt von sechs verbrecherischen Mädchen, die von vier Wärtern auf einen anderen Weg gebracht werden sollten. „Es ist erschreckend, wie brutal und voller Gewalt junge Mädchen sein können. Es sind Mädchen zwischen 14 und 16 Jahren. Und was dieses Stück anbelangt, habe ich so eine Revelation, eine Offenbarung mit einem Mädchen aus der 9. Klasse, Maria Cebuc, erlebt, die wirklich außergewöhnlich und sehr, sehr gut ist“, erzählt Isolde Cobeț begeistert. Ein weiteres Stück, „Punk Rock“, hatte die Schauspielerin mal in Bukarest gesehen. Dort hat auch Alex Popa gespielt, ein ehemaliges NiL-Mitglied. Und da es um Schüler geht, bot sich das Inszenieren an, wenn es auch darin erneut um Brutalität, Schikanieren geht. Und das letzte Stück ist „Boeing Boeing“, eine Komödie von Marc Camoletti. „Ich habe es vor Jahren mit der Gruppe aus der Ukraine gemacht, den Bukowiner Phoenix, und ich wollte auch, dass der Zwölftklässler Christoph Krämer dieses Jahr sowohl Komödie als auch ein Drama spielt“, sagt Isolde Cobeț. Rund 80 Schüler und Schülerinnen wirken dieses Jahr bei den Temeswarer NiLs mit: „Ich bin sehr stolz auf sie alle. Ich sehe sie immer gerne auf der Bühne. Ich liebe sie alle sehr. Das ist auch mein Problem. Ich kenne den Wert eines jeden. Aber ich hoffe, dass manche von ihnen irgendwann diesen Beruf so lieben werden, wie ich ihn geliebt habe. Ich sehe großes Potenzial in Christoph Krämer, Giulia Rud²reanu, Maria Deng, Julia Molnar und vielleicht auch Thomas Kattesch. Und so wie es im Stück ´Das Theater´ heißt: ´Ich habe mein Leben diesen Mauern gegeben. Es tut mir nicht leid.´ Und auch wenn ich eines Tages gehe, hoffe ich, dass nach mir irgendwie ein kleiner, kleiner Weg bleibt“ schließt Isolde mit einem traurigen Lächeln.
Einige Stücke der NiLs können Ende des Monats beim 22. Internationalen Deutschsprachigen Schul- und Jugendtheaterfestival gesehen werden. Das Deutsche Staatstheater Temeswar organisiert es in Zusammenarbeit mit dem Nikolaus-Lenau-Lyzeum, an dem Schüler aus Kroatien, Deutschland und Rumänien teilnehmen. Fünf Tage lang, ab heute und bis Dienstag, den 30. April werden 15 Theateraufführungen von zehn Schultheatergruppen und elf pädagogische Module in Form von Workshops angeboten. „Im Rahmen des Festivals wird das Theater sowohl als künstlerische Form als auch als Instrument zur Persönlichkeitsbildung des Einzelnen, speziell des jungen Publikums, eingesetzt und trägt zur Entwicklung des kritischen Denkens, zur Analyse der Gesellschaft, der Geschichte und der Sehenswürdigkeiten sowie zur Entschlüsselung bestimmter Verhaltensweisen und sozialer Muster bei“, heißt es in der Pressemitteilung des DSTT. Die künstlerische Koordination des gesamten Festivals wird von den DSTT-Schauspielerinnen und -Schauspielern Isolde Cobeț, Robert Bogdanov-Schein und Alma Diaconu sichergestellt.
Die Vorstellungen werden im Temeswarer Studentenkulturhaus und im Festsaal der Lenau-Schule Samstag bis Dienstag ab 15 Uhr gegeben. Das Programm ist der Webseite des Deutschen Staatstheaters dstt.ro zu entnehmen. Der Eintritt ist kostenlos mit einer Eintrittskarte, die an der Kasse des Deutschen Staatstheaters abgeholt werden kann. Das Internationale deutschsprachige Jugendtheaterfestival ist ein Kulturprojekt, das vom Temescher Kreisrat finanziert, von mehreren Institutionen mitgetragen und von Unternehmen unterstützt wird.