Hermannstadt - „Wie der Krieg auch zu uns kam“ ist das kürzlich im Honterus Verlag in Hermannstadt/Sibiu erschienene Buch betitelt, welches Nummer fünf der von Friedrich Schuster herausgegebenen Bücher aus und über Kerz/Cârţa darstellt.
Die vorliegenden 128 Seiten umfassen die Tagebuchaufzeichnungen von Carl Reich (1872 -1953) aus dem Kriegsjahr 1916 und die Chronik der Gemeinde Kerz aus den Jahre 1905 bis 1930, in denen Carl Reich der evangelische Pfarrer in Kerz war. In gewisser Weise fortgesetzt wird die Chronik in der Schilderung seines Lebenslaufes, die bis 1943 geht. Das Buch beinhaltet ein kurzes Exposé von Carl Reich über den siebenbürgisch-sächsischen Mundartdichter Georg Meyndt sowie den Vortrag eines nicht überlieferten Verfassers über den Komponisten volkstümlicher Weisen Carl Reich. Die Texte von zwei Volksliedern, die Carl Reich zugeschrieben werden, sind am Innenumschlag abgedruckt. Aus 54 Briefen und Postkarten wählte der Herausgeber 19 aus, die Carl Reich an die Tochter Regine und deren Ehemann Kuno Galter (Lehrer und Pfarrer zunächst in Freck dann Großschenk/Cincu) sowie an seine Söhne Otto (1903- 1991) und Karl Gustav Reich (1905-1997), die späteren Mundartdichter und -dramatiker, geschrieben hat. Ergänzt werden die Texte durch zwölf Abbildungen, die das gesellschaftliche und kulturelle Leben in Kerz illustrieren und Carl Reich inmitten seiner Familie und Gemeindemitglieder zeigen. Da Reichs Zeit in Kerz von Ausreisewellen in die USA und Argentinien geprägt war, sind Fotos auch aus diesen Ländern abgebildet. Eines zeigt eine sächsische Doppelhochzeit in den USA, ein anderes eine Veranstaltung des Vereins der Siebenbürger Sachsen in Buenos Aires.
Carl Reich wurde 1872 in Mediasch geboren. Er besuchte das Lehrerseminar in Hermannstadt, war Lehrer u. a. in Reussen/Ruşi, Reichesdorf/Richiş und Hermannstadt und sodann Pfarrer in Almen/Alma Vii und Kerz. In den Ruhestand getreten, machte er Pfarrervertretungen im Harbachtal und im Burzenland. Er starb in Großschenk, wo sich auch sein Grab befindet. Carl Reich gab 1914 die Lieder Georg Meyndts heraus, mit dem er befreundet war, ebenso wie mit den Dichtern Carl Römer, Ernst Thullner, Otto Piringer, Schuster Dutz, Christine Maly-Theil, Misch Orend und Grete Lienert-Zultner, ist dem vom Herausgeber gezeichneten Nachwort zu entnehmen.
Das Tagebuch 1916 ist einer der wenigen Augenzeugenberichte aus der Zeit des Ersten Weltkrieges, als Südsiebenbürgen geräumt und das Burzenland von den Truppen Rumäniens besetzt worden war. Reich schildert die Flucht der Kerzer Sachsen in das 15 Kilometer entfernte Kirchberg/Chirpăr vor den rumänischen Soldaten, die die Gehöfte im sächsischen Ortsteil niederbrannten. Während des dreiwöchigen Aufenthaltes in Kirchberg wird ein Junge geboren und auf den Namen Gotthelf notgetauft, und es stirbt eine junge Frau. Reich berichtet vom Abschießen eines Flugzeugs am Alt, vom Einfall des Feindes in Braller/Bruiu und Martinsberg/Şomartin, von einer abenteuerlichen Tagesreise mit der Bahn nach Hermannstadt und der ersten Fahrt seines Lebens mit einem Auto. Die Familie des Pfarrers war bis ins Komitat Torontal geflüchtet und kehrte erst einen Monat später als die Kerzer ins Dorf zurück.