„Komplexer kultureller Austausch“ im Kalten Krieg

Das Forschungsbecken der deutsch-rumänischen Diplomatie trocknet nicht aus

Hermannstadt – Roxana Lăpădat, künstlerische Leiterin des Projekts „Teatrelli“ am Zentrum Bukarests für Gestaltung, Kunst und Tradition (CREART), und ihre Kollegen Vlaicu Golcea sowie Alex Halka vom Postnationalen Theater „Interfonic” liegen kein wenig falsch mit der Auffassung von Social-Media-Kanälen und künstlicher Intelligenz als Pendant zur Informations-Kultur unter kommunistischen Rahmenbedingungen Rumäniens in der Epoche des Kalten Krieges: Ihre mit der Bundesrepublik Deutschland als Vergleichsreferenz breit recherchierte Ausstellung „Reflections on East-West Perspectives”, die zunächst in Kronstadt/Brașov auf ihr Publikum gewartet hatte, ist ab sofort auch in Hermannstadt/Sibiu zu sehen. Eröffnet wird sie heute Abend um 19 Uhr in der wenige Jahre alten Cer Deschis Gallery in der Schmidtgasse/Str. Faurului mit Beteiligung von Schauspielerin Anke Parusel, die um 19.30 Uhr den sieben thematischen Installationen von Papierhörnchen bis hin zu Collagen ihre bühnenreife Stimme gibt. Antworten auf die Frage nach Ausprägungen der bundesdeutschen Erinnerungskultur unter Beachtung einer gewissen nationalen Binnenspaltung zwischen Ost und West erschließen sich anhand der Installation von Oscar Loeser aus Potsdam, zur Zeit des Mauerfalls 11 Jahre alt, und zweifelsohne auch durch eine Podiumsdiskussion heute um 20 Uhr auf Englisch, die das Behandeln kultureller Diplomatie „als Form von Soft Power in Krisenzeiten“ berührt und von einem Quartett bestritten wird, in dem sich nebst Roxana Lăpădat und Vlaicu Golcea ebenso Joachim Umlauf, Direktor des Goethe-Instituts Bukarest, und Nicole Colin zu Wort melden. Letztere ist wissenschaftliche Koordinatorin und Initiatorin des von der EU geförderten Projekts „NARDIV – United in Narrative Diversity?“. Besucht werden kann die mit Videos und Fotos angereicherte Expo „Reflections on East-West Perspectives” in der Cer Deschis Gallery bis zum 29. Juni, zugleich Finaltag des Hermannstädter Internationalen Theaterfestivals (FITS). Beteiligt sind gestalterisch auch Iulia Chindea, Vlad Hodrea, Calița Nantu und Mihai Păcurar.

Einer „zunehmend fragmentierten und polarisierten Informations-Landschaft“ spürt die Ausstellung mit Begriffspaaren nach, die sich nicht nur im Unterschied zwischen Realität und Fiktion erschöpfen. Denn wo ständig Konfrontation ausgefochten sein wollte und auch weiterhin an der Tagesordnung steht, kann dem Introspektiven nie genug Bedeutung zukommen. Wahrheit und Propaganda sind teils nicht leicht voneinander zu unterscheiden – ganz besonders, wenn Weltbeziehungen sich wandeln und beispielsweise Erwachsene der Generation Z (Jahrgang 1997 und jünger) die Tätigkeit des Goethe-Instituts Bukarest während der Jahre 1979 bis 1990 womöglich erst mit Aufbringen erhöhter Wissbegierde nachvollziehen können. Im Kalten Krieg hätten Rumänien und Deutschland miteinander einen „komplexen kulturellen Austausch“ unterhalten, heißt es lockend in der Vorankündigung der vielschichtigen Ausstellung durch das Deutsche Kulturzentrum Hermannstadt. Außerdem werfen Nicole Colin, Roxana Lăpădat, Joachim Umlauf sowie Helgard Haug und Daniel Wetzel vom Berliner Theater-Label Rimini Protokoll sich am Donnerstag, dem 19. Juni, um 12 Uhr in der Cer Deschis Gallery in ein Gespräch auf Deutsch über die bisher beschriebene Ausstellung und das Stück „Futur4“, das an den beiden Tagen danach während der aktuellen FITS-Auflage seine Rumänien-Premiere feiert. Ursula Gärtner, von deren Auswanderer-Biografie die Produktion handelt, ist Schauspielerin und waschechte Protagonistin des Textbuchs von Helgard Haug und Daniel Wetzel zugleich. Ende August empfängt das Goethe-Institut Bukarest die Ausstellung „Reflections on East-West Perspectives“ fünf Tage lang und bald danach für vier Tage Anfang September das Rumänische Kulturinstitut Wien.