Hermannstadt – Etwa 50 Menschen haben sich am Montagmittag vor dem Sitz der Sozialdemokratischen Partei (PSD) in Hermannstadt/Sibiu versammelt, um gegen die geplante Justizreform zu demonstrieren. Bis Mittwochabend wollen sie mit ihrer Mahnwache vor der PSD-Geschäftsstelle zwischen Huet-Platz und Großen Ring/Piaţa Mare ausharren.
„Wir wollen, dass unsere Stimme von denen gehört wird, die uns im rumänischen Parlament vertreten sollen und heute über die Zukunft in unserem Land entscheiden. Schließe dich uns am 11. Dezember, ab 12 Uhr, vor dem Sitz der PSD an.“ Diese Nachricht erscheint Montagvormittag auf der Facebookseite „Vă vedem din Sibiu“. Etwa eine Stunde nach dem Aufruf versammeln sich rund 50 Menschen am Huet-Platz, vor dem Zaun zur Brukenthalschule. In drei Reihen haben sie sich aufgestellt, den Blick auf die Geschäftsstelle des Kreisverbandes der PSD gerichtet, einige filmen diese mit ihren Mobiltelefonen. Ihre Nachricht an die Partei: Vă Vedem – Wir sehen euch.
Wenige Stunden später verabschiedet in Bukarest die Abgeordnetenkammer die umstrittene Änderung der Magistratsstatuten, welche die Staatsanwälte unter die Weisungsbefugnis des Justizministeriums stellt sowie die Gesetzesänderung, welche Sanktionen durch die Nationale Integritätsbehörde (ANI) gegen vermeintlich korrupte Politiker erschweren bzw. unmöglich machen.
Mitgebracht haben die Demonstranten dutzende Stühle und Tische. Sie sind gewillt vor dem Sitz der PSD auszuharren – am Donnerstag folgen die Abstimmungen im Senat über die geplanten Gesetzesänderungen. Im Laufe des Tages stoßen immer mehr Demonstranten dazu, via Facebook wird die Nachricht auch in andere Städte verbreitet. In Klausenburg/Cluj-Napoca kommt es zu einer kurzfristigen Mahnwache, in Konstanza halten am Dienstag zwei Personen Stellung vor der dortigen PSD-Zentrale. Am späten Montagabend rufen die Hermannstädter Demonstranten zu einem Flashmob am folgenden Tag auf, rund ein Dutzend von ihnen verbringt die gesamte Nacht auf dem Huet-Platz.
Dienstagmittag, 24 Stunden nach Beginn der Mahnwache, versammeln sich rund 200 Leute vor der PSD-Geschäftsstelle. Schweigend filmen sie mit ihren Mobiltelefonen die Büroräume der „Sozialdemokraten“, einigen halten Plakate mit der Aufschrift „Vă vedem“ in die Höhe. Die Vorhänge sind zu diesem Zeitpunkt bereits zugezogen. Ein Mieter im gleichen Gebäude bekam am Vormittag Besuch vom lokalen Energieversorgungsunternehmen, er hatte den Demonstranten zuvor Strom bereitgestellt. Dies soll er fortan unterlassen, sonst werde ihm der Strom abgestellt, berichten die Demonstranten. Man ist sich sicher, dass dies auf Initiative der PSD geschehen ist. Spontane Unterstützung kommt von der Evangelischen Kirche, die fortan Strom für Lampen, Laptops und Mobiltelefone bereitstellt – via Facebook berichten die Demonstranten rund um die Uhr, klären Passanten über die Vorgänge in Bukarest auf.
Am Dienstagabend sind knapp 200 Menschen an der Mahnwache. Das Thermometer zeigt 5 Grad Celsius an, die Stimmung ist gut. Zusammen mit dem Künstler Dan Perjovschi diskutieren die Demonstranten über das weitere Vorgehen, einer liest die Pressemitteilung „Die Hermannstädter wollen in einem zivilisierten Land in Sicherheit leben“ vor. Das Gelächter ist groß, der PSD-Kreisverband wirft ihnen vor, einen illegalen Protest durchzuführen, diffamierende Sprüche an die Hauswand zu projizieren, mitgebrachte Kinder durch die Kälte in Gefahr zu bringen und aggressiv aufzutreten. „Wir machen einen dringenden Appell an die Behörden und bitten sie sofort einzugreifen, damit das Gesetz respektiert und durchgesetzt wird. Es ist nicht normal, dass man sich in einer europäischen Stadt im Jahr 2017 nicht mehr sicher fühlt!“
Zu den ständigen Teilnehmern der Mahnwache gehört Diana Mureşan. Sie erklärt, dass es sich bei den Initiatoren von „Vă vedem din Sibiu“ um verschiedene Aktivisten aus der Hermannstädter Zivilgesellschaft handele. Viel Hoffnung auf ein Kippen der Justizreform besteht unter den Demonstranten allerdings nicht. Einige äußern die Sorge, dass „Sozialdemokraten“ und „Liberale“ Rumänien auf den Kurs Polens und Ungarn bringen. „Sie wollen jetzt den ganzen Kuchen“, so Dan M. Für die Hermannstädter Zivilgesellschaft sei der Protest allerdings ein großer Erfolg, sagt Diana Mureşan, und helfe insbesondere bei der Vernetzung der verschiedenen Akteure.